Microsofts großer ERP-Wurf bleibt aus

23.03.2005
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Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

Überhaupt scheint Microsoft zum aktuellen Zeitpunkt nur grob zu wissen, wohin die Reise geht. Erst im kommenden Jahr werde mehr zu Phase zwei zu sagen sein, gab sich Burgum zurückhaltend. Er räumte ein, dass Microsoft mehr Zeit als geplant benötige, um seine Visionen zu verwirklichen.

Für Microsofts Kunden ist das keine schlechte Nachricht. Viele von ihnen bevorzugen eine gemütliche Gangart. Schnell aufeinander folgende Release-Wechsel kommen bei dieser Klientel schlecht an. So räumte Frank Hassler, Leiter des Produkt-Managements bei Microsoft Business Solutions (MBS) in Deutschland, im Herbst vergangenen Jahres ein, dass noch rund ein Fünftel der Navision-Klientel Version 2.60 einsetze. Aktuell vermarktet Microsoft Release 4.0. Um den zögernden Anwendern entgegenzukommen, hatte Microsoft den Support für Navision 2.60 bis Ende 2005 verlängert.

Software als Service

Microsoft will seinen Kunden offenbar in Zukunft mehr Software als Service offerieren - ähnlich wie dies bereits Firmen wie Salesforce.com mit gehosteten Customer-Relationship-Management-(CRM-) Angeboten tun. "Wir werden in dieser Richtung mehr unternehmen", kündigte Firmengründer und Chefentwickler Bill Gates an.

Bislang blieben die Aussagen der Verantwortlichen vage. Außerdem gilt es für Microsoft, auf diesem Weg noch einige Hürden aus dem Weg zu räumen. So wird sich der Konzern beispielsweise ein neues Pricing-Modell überlegen müssen. Die bislang geübte Praxis, Lizenz-, Service- und Wartungseinnahmen zu generieren, müsste auf eine monatliche Gebühr umgemünzt werden.

Überlegen muss sich Microsoft auch, was mit den Partnern geschehen soll. Bislang vertreibt der Konzern seine Produkte fast ausschließlich über ein weit verzweigtes Partnernetz. Sollte Microsoft seine Produkte künftig verstärkt als Service anbieten, entgeht den Partnern ein Teil ihres Geschäfts, oder sie müssen sich neu im Markt als Service-Provider für die Microsoft-Software aufstellen.

Sheryl Kingstone, Analystin der Yankee Group, räumt Microsoft jedoch gute Chancen ein. Gerade kleinere und mittlere Unternehmen trachteten derzeit danach, die Komplexität ihrer IT-Infrastruktur zu verringern. Dabei könnten Serviceangebote für gehostete Software künftig eine größere Rolle spielen. Jedoch, so warnt die Marktforscherin, erwarteten die Kunden dann auch, dass die Software sofort auf Knopfdruck und vor allem reibungslos funktioniere. Das will nicht so recht zu der bislang von Microsoft geübten Praxis passen, Software zu verkaufen und den Kunden bei der Implementierung mehr oder weniger sich selbst zu überlassen.

Doch auch das nahende Ende dieser Frist scheint die Kunden weder zu beunruhigen noch zum Umstieg zu bewegen. "Version 2.60 reicht für unsere Belange völlig aus", berichtet beispielsweise Mirko Liebert, IT-Verantwortlicher in den Münchner Großmarkthallen. Update-Pläne gebe es derzeit nicht. Project Green und die damit zusammenhängenden Vorhaben Microsofts in Sachen Web-Services sind für Liebert Zukunftsmusik: "Im Moment beschäftige ich mich nur mit der Version 2.60."