Internes Papier kritisiert aggressive PR-Vorstöße

Microsoft überprüft Strategie gegen Linux

15.11.2002
MÜNCHEN (CW) - Microsofts aggressives Vorgehen gegen die Open-Source-Gemeinde hat nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Das geht aus einem internen Dokument des Konzerns hervor. Die Gates-Company will nun verstärkt das Thema Betriebskosten von Linux-Installationen in den Vordergrund rücken.

Lange Zeit hatten die Firmenlenker in Redmond die Open-Source-Szene mehr oder weniger ignoriert. Als sich abzeichnete, dass Linux entgegen den ursprünglichen Prognosen auch in kommerziellen IT-Umgebungen Akzeptanz findet, fuhr das Management schwere Geschütze auf: Microsoft-Chef Steve Ballmer verglich das quelloffene Betriebssystem mit einem "Krebsgeschwür, das in Bezug auf geistiges Eigentum alles befällt, was es berührt". Sein Kollege Craig Mundie sprach von einem "viralen Effekt" der General Public License (GPL), der am weitesten verbreiteten Open-Source-Lizenz. All dies scheint in der öffentlichen Wahrnehmung wenig gefruchtet zu haben. Das zumindest geht aus einem internen Papier des Herstellers hervor, das die Open Source Initiative (OSI) auf ihrer Website (www.opensource.org) veröffentlicht hat. Eine von Microsoft initiierte Umfrage unter Entwicklern, IT-Verantwortlichen und anderen Entscheidungsträgern förderte zutage, dass Linux und Open Source in diesen Zielgruppen hohe Zustimmung erfährt. Telefonisch interviewten die Marktforscher dazu Spezialisten in den USA, Brasilien, Frankreich, Deutschland, Schweden und Japan. Microsoft-Sprecher Jon Murchison wollte zu dem Memorandum nicht Stellung nehmen.

Laut OSI wurden die Ergebnisse der bereits im vergangenen Jahr organisierten Studie am 5. November 2002 auf einem Strategie-Meeting in den Berliner Microsoft-Büros präsentiert. 40 Prozent der Befragten gaben demzufolge an, niedrige Gesamtkosten (Total Cost of Ownership = TCO) seien für sie das beste Argument für den Einsatz von Open-Source-Software. Für ein Drittel war ausschlaggebend, "eine Alternative zu Microsoft" zu haben.

"Der Grundtenor des Memorandums ist sehr defensiv", kommentierte OSI-President Raymond das Papier. "Microsofts PR-Taktik ist nicht aufgegangen." In einigen Fälle habe sie dem Konzern sogar mehr geschadet als genutzt. Dagegen sei die Open-Source-Gemeinde mit ihren Botschaften zu den Themen Sicherheit, TCO und Wettbewerb weitgehend durchgedrungen.

Microsoft sollte Open Source und Linux künftig nicht mehr direkt kritisieren, lautet eine Empfehlung in dem hauseigenen Memorandum. Stattdessen müsse es nun darum gehen, in der Kostendiskussion die Oberhand zu gewinnen. Ballmer hatte erst kürzlich erklärt, Open-Source-Software verursache auf lange Sicht höhere Kosten als Windows-basierende Systeme. Entsprechende Studien sollten diese These untermauern. Andererseits gehen auch die Open-Source-Protagonisten, allen voran IBM, mit diversen TCO-Untersuchungen in die Offensive. (wh)