Die Rechner lernen, kojuitive Methoden anzuwenden:

Menschen lernen mit Computern zu sprechen

21.10.1983

Programmierung in natürlicher Sprache bringt auch Probleme mit sich. Insbesondere entsteht häufig der falsche Eindruck, der Rechner könne jede Frage beantworten. Sperry-Manager Gerald A. Bill, Decission Support Systems, Blue Bell/Pennsylvania, zeigt die Verständnisschwierigkeiten auf.

Am 11. Juni '83 veröffentlichte die Business Week einen aufsehenerregenden Aufsatz unter dem Titel "Now Executives Can Talk to the Computer", in dem es hieß: Mit dem nun beginnenden Vertrieb von elementarer AI-Software für ihre Großrechner bekennt sich die IBM Corporation voll und ganz zur Artificial Intelligence (AI).

Ein Teilgebiet dieser "künstlichen Intelligenz" ist die Verwendung einer natürlichen Sprache zur Kommunikation mit dem Rechner. Für die Praxis bedeutet das, daß ein Anwender sich in seiner eigenen Sprache mit dem Rechner unterhält. Diese künstliche Intelligenz schließt aber auch die Fähigkeit des Rechners ein, kognitive Methoden anzuwenden, zu lernen und mit großen Datenbanken von spezialisiertem Wissensgut, zum Beispiel der Medizin oder des Rechts, zu arbeiten. Damit entstehen sogenannte "Expertensysteme", da sie das Fachwissen von Experten auf diesen Gebieten simulieren.

Viele Fachleute glauben, es sei Jetzt an der Zeit, daß der Computer sich dafür erkenntlich zeigt, was er seit langem den Benutzern in der Kommunikation mit ihm zugemutet hat. In der Frühzeit des Computers mußten die Programmierer in der Maschinensprache programmieren. Verbesserungen brachten schon die symbolischen Maschinensprachen und dann die Assemblersprachen gefolgt von den sogenannten "höheren" oder "problemorientierten" Sprachen wie Cobol oder Fortran. Diese Entwicklung fand mit den heute anwenderfreundlichen Abfragesprachen ein vorläufiges Ende. Wie sich aber herausgestellt hat, können diese Sprachen immer noch nicht alle Anforderungen erfüllen, um einen unkomplizierten, leicht zu lernenden Dialog mit dem Rechner zu ermöglichen.

Angesichts der vielen Millionen Instruktionen in der Sekunde und Speicherkapazitäten von vielen Millionen Zeichen ist es aber nicht mehr schwierig, einen Teil dieser Computerkapazität zur Erleichterung der Kommunikation mit dem Rechner einzusetzen. Damit erschließt sich dem Anwender die Möglichkeit, in natürlicher Sprache mit dem Rechner zu verkehren.

Der Rechner antwortd: "Wie bitte?"

Die natürliche Sprache bringt aber auch Probleme mit sich. Es ist sicher ein Vorteil, daß der Anwender keinen Befehlsvorrat mehr lernen muß. Stellt dieser aber zum Beispiel die Frage: "Wie kann ich meine Umsätze verdoppeln?", antwortet der Rechner mit seinem Äquivalent zu unserem "wie bitte?". Das Fehlen von Anweisungen über das, was gefragt werden kann, läßt den falschen Eindruck entstehen, der Rechner könne jede Frage beantworten. Oftmals entgehen dem System auch Nuancierungen in der Fragestellung. Der Anwender kann aber durch ein "Echo" feststellen, ob der Rechner eine Frage verstanden hat. Das Echo liefert eine veränderte Version der Frage im akzeptablen Abfrageformat. So kann das Echo beispielsweise auf die Frage "wieviel Programmierer haben wir?" die Abfrageanweisung liefern: "Zähle die Mitarbeiter, in deren Tätigkeitsbeschreibung das Wort, Programmierer vorkommt."

Das Beispiel zeigt auch, daß eine gewisse Art von unterbewußter Schulung erforderlich ist. Dem Anwender bleibt das Erlernen der korrekten Abfragesyntax nicht erspart. Er muß dem Rechner die Frage so stellen, daß dieser sie vom Inhalt versteht und darauf eingehen kann.

Systeme, die mit natürlicher Sprache arbeiten, setzen aber noch mehr voraus: Sie verlangen umfangreiche Datenbanken und die Fähigkeit, Bedeutungen zu erkennen. Die Datenbanken müssen neben dem fachlichen auch einen allgemeinen Wissensbestand enthalten.

Ein Nachteil der Eingabe mit natürlicher Sprache besteht noch darin, Anfragen mit Hilfe von Tastaturen eingeben zu müssen, da die Spracheingabe wohl noch auf sich warten läßt. Dadurch entfallen aber bestimmte Kreise potentieller Anwender. Wie beispielsweise festgestellt wurde, lehnen viele höhere Führungskräfte der Wirtschaft das Eingeben mit der Tastatur ab, da ihrer Meinung nach eine solche Tätigkeit "nur Schreibkräften zukommt". Es steht jedenfalls fest, daß Mensch-Maschine-Schnittstellen, die nur wenige Tastenanschläge verlangen, produktiver zu benutzen sind.

Es gibt aber auch Schnittstellenalternativen. Dazu gehören visuelle Orientierungshilfen, beispielsweise umfangreiche Tabellen, die man nach Belieben auf dem Bildschirm verschieben kann.

Innerhalb der überschaubaren Zukunft werden die Anwender von Systemen in natürlicher Sprache nicht in der Lage sein, direkt zu ihrem Computer zu sprechen. Mehr als bisher wird es aber auf Betriebsmittel ankommen, mit deren Hilfe man Fragen bequem eintasten kann.