Konkurrenz von IBM, AMD und Cyrix verstaerkt Druck auf Intel Hersteller von PC-Prozessoren nutzen interne Taktverdoppelung

06.08.1993

SANTA CLARA (IDG/wm) - Auf dem Schreibtisch des Chemikers Andrew Grove liegen wahrscheinlich die Tageskurse seines maechtigen Aktienanteils an der Intel Corp. Daneben duerften sich aber auch Zeitungsberichte befinden, die dem Chef von Intel kritische Fragen nach der Weiterentwicklung der 486- und der Pentium-Prozessoren und vor allem den damit erzielten Gewinnmargen stellen.

Nachdem sich die Planungen im Hause Intel zuletzt auf die Ausrichtung des 25jaehrigen Firmenjubilaeums am 18. Juli 1993 konzentrierten, stehen jetzt wieder wichtige Entscheidungen an: Es gilt, die Prozessorbaureihe 486 mit ein oder zwei neuen Modellen so lange auf dem Markt zu halten, bis der Nachfolger Pentium die Gewinnzone erreicht. Bei diesem Balanceakt stoert die Konkurrenz der 486-Cloner, das Konsortium aus IBM und Motorola mit der neuen Power-PC-CPU und nicht zuletzt das Softwarehaus Microsoft, das seinen zukuenftigen Kassenschlager Windows NT auch fuer andere Prozessoren anbieten wird.

Zuerst wird Intel wahrscheinlich noch vor Ende dieses Jahres den neuen "486DX3"-Chip vorstellen, der intern mit einer Taktfrequenz von 100 Megahertz arbeitet, seine Umgebung aber nur mit einer Taktrate

von 33 Megahertz anspricht. In der CW-Schwesterpublikation "Computerworld" wird eine nicht naeher bezeichnete Quelle aus Intel-Kreisen zitiert, wonach der DX3 etwa soviel leisten werde wie ein Pentium-Prozessor, aber zu einem wesentlich niedrigeren Preis. Deshalb werde auch der DX3 im ersten Halbjahr 1994 Intels Paradepferd in puncto Verkaufszahlen und Leistung sein, vor allem weil bei den heutigen Programmen der Leistungsgewinn mit einem Pentium-Rechner gegenueber einem 486DX3-System klein waere. Daran werde sich so lange nichts aendern, wie keine neue Programmversionen auf dem Markt sind, die die 32-Bit-Adressierung des Pentium wirklich nutzen koennen.

Sollte die DX3-CPU im Grosseinkauf tatsaechlich nur etwa 500 Dollar kosten, dann waeren PCs damit nur unwesentlich teurer als die heute erhaeltlichen 486-DX2-Systeme, die schon ab 4000 Mark zu haben sind.

Aus Intel-Kreisen war auch zu erfahren, dass zwei CPU-Versionen geplant sind: In Notebooks mit einer Haupttaktfrequenz von 25 Megahertz findet demnach ein Prozessor mit einer internen Taktfrequenz von 75 Megahertz Platz. Fuer alle anderen Rechner strebt Intel aber ein Modell mit einer internen Taktfrequenz von 100 Megahertz an, das problemlos in eine Hauptplatine mit einer 33-Megahertz-Uhr eingebaut werden koenne. Veraendert man bei dieser 100-Megahertz-CPU nur die Belegung eines einzigen Pins, dann wird daraus ein 486DX2-Prozessor, der intern 100 Millionen Befehle pro Sekunde bewaeltigt und sich nahtlos in eine Hauptplatine mit 50 Megahertz Taktfrequenz fuegt.

Die 486-Nachbauten von IBM, Advanced Micro Devices (AMDund Cyrix erreichen qualitativ inzwischen die Originale von Intel. Ab Herbst dieses Jahres uebertreffen wahrscheinlich sogar einige 486-Clones die Leistung von Intels staerkstem Modell, dem 486DX2 mit einer internen Taktfrequenz von 66 Megahertz. Den Anfang macht wohl die IBM, deren "Blue-Lightning"-Chip schon ab August intern mit 100 Megahertz rechnet, waehrend extern nur 33 Megahertz Taktfrequenz noetig sind. Vom AMD und Cyrix erwartet man im vierten Quartal dieses Jahres 486-CPUs, die intern doppelt so schnell getaktet sind wie extern.

Zu allem Aerger mit der Konkurrenz kommen Intel anscheinend auch intern altbekannte Probleme in die Quere: John Mashey, Chef der Systementwickler beim RISC-CPU-Fabrikanten Mips Technologies Inc., erzaehlt genuesslich im Branchenblatt "Computergram", dass Intel bei der Pentium-Produktion vor der Frage stehe, wieviel Aufwand in die Fertigung dieser CPU zu stecken sei, wenn gleichzeitig die gewinntraechtige 486-Herstellung darunter leide. Bei der Belichtung einer Sechs-Zoll-Siliziumscheibe mit Pentium-Schaltplaenen macht Intel laut Mashey 8000 Dollar Verlust.

Einer der Gruende dafuer ist, so Mashey weiter, das Ausmass der Pentium-CPU, die 3,6mal groesser ist als ein 486DX2-Prozessor. Damit liessen sich auf dem kreisrunden Sechs-Zoll-Wafer nur 47 Pentium- Prozessoren nebeneinander plazieren, wohingegen bei der gleichen Transistorgroesse von 0,8 Mikrometer 180 486DX2-Chips darauf Platz faenden.

Nach Masheys Worten bleibt ausserdem die Frage, wie viele davon funktionsfaehig sind. Die Ausbeute verschlechtere sich mit wachsender Chip-Groesse rapide. Etwa 80 der 180 486-CPUs eines Wafers seien funktionstuechtig - beim Pentium laute das Verhaeltnis aber eher eins zu 47, beziehungsweise finde man sogar nur einen guten Chip auf jedem zweiten Wafer. Das sei laut Mashey zwar am Anfang einer neuen CPU-Produktion kein ungewoehnliches Ergebnis, doch leide Intels restliches Geschaeft darunter. Auf dem Markt koenne Intel naemlich so viele 486-Chips verkaufen, wie die Fabriken nur ausstossen koennten.

Jeder verkaufte Pentium-Prozessor fuehrt also nicht nur wegen der geringen Ausbeute zu Verlusten, sondern mindere gleichzeitig auch den Gewinn aus dem 486-Geschaeft.

Kimball Brown, Vice-President des Marktforschungsinstituts Infocorp., nennt noch eine weitere Entwicklung, die Intel nicht gefallen kann. In einer Studie ueber Mikroprozessoren schreibt er, es gebe Anzeichen dafuer, dass Softwarehersteller wie Microsoft eine andere Prozessorfamilie neben Intels x86-Baureihe nutzen wollen, die mehr Leistung und neue Moeglichkeiten bietet. Nachdem die ACE- Initiative fuer einen neuen Prozessor fuer den Massenmarkt gescheitert ist, werde Bill Gates wohl auf die Power-PC-CPU setzen. Moeglich sei folgendes Szenario: Irgendwann in diesem Jahr kommt Windows NT auf den Markt. Dieser Version folgt bis zum Fruehjahr 1994 eine Ueberarbeitung, gleichzeitig portiert Microsoft das Betriebssystem auf Rechner mit dem Power-PC-Prozessor. Allerdings hat Microsoft bis jetzt noch keine offiziellen Zusagen fuer eine Power-PC-Version von Windows NT gemacht.

Apple wiederum uebertraegt wahrscheinlich bis Mitte 1994 das Macintosh-Betriebssystem, Version 7, auf Power-PC-Rechner. Damit gaebe es RISC-Rechner mit dem Apfel-Logo, die so leistungsstark wie Pentium-Systeme waeren, aber mit einem Preis von etwa 3000 Dollar zu einem Massenprodukt werden koennten. Brown schaetzt, dass Apple so niedrige Preise bieten koennte, dass sich bis 1996 mindestens drei Millionen Power-PC-Macs verkaufen liessen. Der Prozessor verliesse damit sein Schattendasein und wuerde zum normalen Baustein auf dem Masssen-PC-Markt.

Hoffnung machen da nur Stimmen, die Intel schon fuer die Herbst- Comdex den Redetext soufflieren: Ab Mitte naechsten Jahres biete das Unternehmen eine Pentium-CPU mit einer internen Taktfrequenz von 100 Megahertz, waehrend extern nur 50 Megahertz Taktrate zu bewaeltigen waeren. Der uebergrossen Hitzeabstrahlung begegnen die Entwickler mit der niedrigeren Versorgungsspannung von 3,3 Volt, und schliesslich werde Intels neues Prachtstueck nur wenig mehr kosten als die anderen Pentium-Prozessoren.

Wenn dieses Szenario wahr wird, vermutet Brown, dass Intels Pentium doch einiges an Profit abwerfen koennte - bis 1996 liessen sich von diesem Chip mehr als 28 Millionen Exemplare verkaufen und damit die Entwicklungskosten in Hoehe von einigen Millionen Dollar wieder einfahren.

Die Power-PC-CPU tritt gegen Intels Pentium an