Kolumne

"Keine existenzielle Bedrohung für Java"

27.07.2001
Wolfgang Miedl Redakteur CW

Diesen Schachzug dürfte Microsoft von langer Hand vorbereitet haben: Das Entfernen der Java-Laufzeitumgebung (JVM) aus Windows kommt einem Befreiungsschlag gleich gegen eine Technik, mit der die Redmonder von Anfang an auf Kriegsfuß gestanden haben. Dabei hat das Unternehmen seit dem Aufkommen der plattformunabhängigen Programmiersprache Mitte der 90er Jahre immer wieder seine Strategie - mit oder gegen Java - gewechselt.

Zunächst ignorierte man die Sprache, wie man das gesamte Internet ignoriert hat. Genauso wenig wie das Internet aufzuhalten war, konnte Microsoft aber auch den Siegeszug einer Plattform verhindern, die den Anforderungen offener Netze gerecht wurde. Als die Truppe um Gates dies erkannte, versuchte sie, Java derart an das dominierende Windows anzupassen, dass der Vorteil der Plattformunabhängigkeit verschwunden wäre. Sun konnte den Kampf um das reine Java ("100% pure Java") in einem Prozess aber für sich entscheiden.

Der neuerliche Affront gegen die Java-Welt folgt nun einer geschickten Dramaturgie. So war die Hiobsbotschaft flankiert mit beschwichtigenden Zusatzinformationen, die den Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen sollen: Die JVM ist weiterhin als separater Download erhältlich, und außerdem wollen einige PC-Hersteller das Paket ihren Kunden vorinstallieren.

Zudem galt der Anschlag der schwächsten Flanke von Java: Client-seitige Anwendungen haben bei weitem nicht den vorhergesagten Erfolg. Viele Entwickler haben sich in den letzten Jahren von Applets und Desktop-Anwendungen abgewendet, weil Sun seine Versprechen von völliger Plattformunabhängigkeit und hoher Geschwindigkeit nicht halten konnte. Erstaunlich stark etablieren konnte sich Java stattdessen im Server-Bereich, etwa mit dem Industriestandard Java 2 Enterprise Edition (J2EE).

Relativiert wird die Microsoft-Entscheidung auch durch die Tatsache, dass ernsthafte Java-Anwendungen längst auf die Unterstützung der Redmonder JVM verzichten und stattdessen auf die besseren Varianten von Sun oder IBM zurückgreifen - eines von vielen Beispielen ist der "Opera"-Browser. Kaum ein seriöser Anbieter aus dem großen Java-Lager dürfte in letzter Zeit noch etwas auf die halbherzige Unterstützung von Microsoft gegeben haben.

Die Entscheidung der Redmonder ist angesichts dieser Fakten daher vor allem als geschickt lanciertes Signal im Rahmen des Medienrummels um Windows XP zu werten. Nachdem man nun mit .NET endlich eine glaubwürdige und von vielen Entwicklern positiv aufgenommene Internet-Strategie hat, kann man sich von Java distanzieren. Entwickler von Client-Anwendungen sollen offenbar mit der Nase darauf gestoßen werden, dass in Zukunft auch .NET eine Alternative zu Java ist. Einen faden Beigeschmack erhält das ganze, wenn dabei wie so oft das Desktop-Monopol als größter anzunehmender Hebel eingesetzt wird.

Eine existenzielle Bedrohung für Java ist dieser Akt aber wohl kaum. Denn die wirkliche Auseinandersetzung zwischen der Microsoft-Welt und Java findet auf der Server-Ebene zwischen .NET und J2EE statt.