Zertifikat - und nun? (Teil 1)

Itil - nur im Rahmen sinnvoll

08.03.2010
Von 
Managing Partner bei Dewey & Partner in München

Die häufigste Probleme

Wer kennt nicht zumindest einige der folgenden typischen Probleme, die während eines IT-Prozess-Vorhabens auftreten können? In der Beraterpraxis bei Dewey, Plegge, Raff & Partner tauchen sie immer wieder auf.

  • Moving Targets: Die ohnehin unter der Mehrbelastung für Prozessentwicklung und -implementierung leidenden Mitarbeiter geraten durch immer neue Rahmenbedingungen und Regelwerke in einen kontinuierlichen "Change-Mode". Also können sie sich nicht mehr auf eine effektive Implementierung konzentrieren. Ein strategisches Monitoring der Rahmenbedingungen (Gesetze, Marktstandards, Stakeholder-Erwartungen, Unternehmensstrategie) fehlt.

  • Ressourcenengpässe: Wenn die Prioritäten der IT-Organisation ständig wechseln, kommt es zu Konflikten zwischen dem IT-Betrieb und der Prozessinitiative. Schließlich sind für beide Aufgaben dieselben Experten notwendig. Eine integrierte Planung wäre hier hilfreich.

  • Zu viel auf einmal: Im "Geschäftssystem" einer IT-Organisation gibt es etwa 15 bis 20 sinnvoll unterscheidbare Kernprozesse - aus Führung und Verwaltung, Projektgeschäft und Betrieb. Wenn eine übergeordnete strategische Stoßrichtung und Planung fehlen und das Projektteam zudem den Aufwand unter- sowie die eigenen Möglichkeiten überschätzt, werden möglicherweise zu viele Prozesse gleichzeitig eingeführt beziehungsweise verändert. Die Organisation sieht vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr. Stattdessen sollte das Projektteam die Prioritäten mit der Geschäftsstrategie abstimmen sowie die Prozesse gemäß ihrer Wirkung auf Kundenzufriedenheit, Servicequalität und die aktuellen operativen Stärken oder Schwächen bewerten.

  • Uneinheitliche Prozesshierarchie und Dokumentation: Die Prozessverantwortung sollte möglichst nah an der Arbeitsebene liegen. Daraus ergibt sich eine verteilte Verantwortung. Ohne einen Dokumentenstandard und eine durchgehende Prozesshierarchie sind die Entwicklungsergebnisse inkonsistent und damit schwer verständlich, so dass die IT-Management-Ebene sie kaum freigeben kann. Meist fällt die Granularität der Prozessbeschreibung auch höchst unterschiedlich aus. So gestaltet sich eine spätere Prozessintegration aufwändig oder gar unmöglich. Und die Abbildung der beschriebenen IT-Services auf die in Anspruch genommenen Prozesse wird zu einer Herkulesaufgabe.

  • Unklare Rollen im Prozess-Management: Sind die Rollen und Verantwortlichkeiten für Qualitäts-Manager, Prozesseigner und lokale Prozessexperten nicht klar und einheitlich geregelt, regieren Konflikte und Doppelarbeit statt Fortschritt und kontinuierlicher Verbesserung. Das gilt insbesondere an der Schnittstelle zu den Linienfunktionen der IT.

  • Unklare Abgrenzung von Prozessen: Sind die Prozesse nicht eindeutig voneinander unterschieden, kommt es ebenfalls zu Doppelarbeiten - durch parallel laufende Aktivitäten, die sich mit denselben Aufgaben beschäftigen.

  • Mangelnde Kommunikation und verpasstes Lernen: Strukturierte Kommunikation kann man nicht delegieren, sie muss gefördet werden. Oft reden die handelnden Personen aneinander vorbei, weil die Probleme nicht aus der Gesamtsicht in Angriff genommen werden, sondern aus der Teilsicht des Einzelprozesses. Allzu oft sehen Prozessverantwortliche die Qualität der Daten oder die Arbeitsstände am Eingang ihres Prozesses als unzureichend und schlecht an, während sie die eigenen Ergebnisse am Prozessausgang als "den Umständen entsprechend optimal" betrachten. Regelmäßige Meetings mit allen Prozesseignern einzuberufen und diesen Punkt auf die Agenda zu setzen gehört zu den fachlichen Führungsaufgaben eines prozessübergreifenden Qualitäts-Managers.