IT-Hersteller drängen ins Wireless-Geschäft

21.10.2003
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 

Qualcomms Konzept der bei Bedarf abzurufenden Softwaremodule erinnert sehr an den Java-Ansatz von Sun. Auch dieser IT-Konzern versucht, im lukrativen Mobilfunkmarkt Fuß zu fassen. Mit dem "Java Mobility Advantage Program" unterstützt Sun künftig Programmierer von Carriern und Content-Anbieter bei der Entwicklung von Java-basierenden mobilen Services. Ferner gründete Sun mit Partnern wie etwa Lucent die "iForce Solution for Telecommunications Service Delivery". Hierunter versteht das Unternehmen Kombinationslösungen aus Hardware und Software, die es Mobilfunkbetreibern erlauben, neue Datendienste zu erstellen und zu managen. Einen ersten Eindruck, wohin diese Reise gehen könnte, vermittelt der "Sun One Content Delivery Server". Diese Softwareplattform, die auf Technik der im Juni aufgekauften Pixo Inc. zurückgeht, soll die Verteilung von Anwendungen und Inhalten an mobile Endgeräte erleichtern.

Foto: ITU Telecom World 2003
Foto: ITU Telecom World 2003

Brückenschlag im Backend

Konkurrent Microsoft sucht dagegen im Backend-Bereich den Schulterschluss mit Vodafone. Beide Partner wollen eine Brücke zwischen der PC-Welt und den mobilen Devices schlagen. Dreh- und Angelpunkt sind dabei für Bill Gates Web-Services, die in der Extensible Markup Language (XML) geschrieben sind. Die zwei Anbieter räumen jedoch ein, dass hierfür noch etliche Spezifikationen zu definieren sind, und rechnen erst in einem Jahr mit ersten Ergebnissen. Eine vorläufige Roadmap, wie der Weg in Richtung "Mobile Web Services" aussehen könnte, will Microsoft gegen Ende Oktober auf der "Professional Developer Conference" (PDC) in Los Angeles präsentieren.

Alle diese Ansätze können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie dem IT-Entscheider keine eindeutige Antwort auf die Frage liefern, wie seine mobilen Anwender Zugriff auf die Unternehmensapplikationen erhalten. Benötigt er noch die mobile Gateways, wie sie im Zuge des M-Commerce-Hype vor zwei bis drei Jahren propagiert wurden? Wahrscheinlicher scheint, dass Anwender auf dem mobilen Endgerät Frontends in Form von Java- und Pocket-PC-Applikationen erhalten und die Daten über offene Formate wie XML transferieren.

Für diese These spricht zudem, dass die verfügbare Bandbreite bald kein Nadelöhr mehr darstellen dürfte. So arbeitet Qualcomm an Chipsätzen, die in den 3G-Netzen eine symmetrische Datenübertragung erlauben. Bislang bildete nämlich selbst bei den 3G-Handys und -Modems der schmalbandige Datentransport vom Anwender in das Netz einen Engpass.

Bald Bandbreite satt?

Mit den Neuentwicklungen, so Jeffrey Belk, Vice President bei Qualcomm, könne der Anwender auch unterwegs an die Unternehmensanwendungen angebunden werden. Im gleichen Atemzug warnt Belk jedoch vor überzogenen Erwartungen: "Selbst wenn es demnächst Chipsätze gibt, welche die ursprünglich für UMTS versprochenen 2 Mbit/s schaffen, werden in der Praxis in einer ausgelasteten Funkzelle lediglich Transferraten von einigen hundert Kbit/s erreicht".

Die verfügbare Bandbreite im mobilen Netz ist bei der Anbindung der Endgeräte an die Unternehmens-DV nur die halbe Miete. Viele Session-basierte Host-Applikationen brauchen schließlich garantierte Antwortzeiten und stellen entsprechende Anforderungen an die Quality of Services (QoS). Ein Thema, das im Wireless-Bereich lange vernachlässigt wurde. Langsam nimmt die Branche auch diese Problematik in Angriff. Firmen wie die Gigastream GmbH aus Saarbrücken präsentierten hierzu auf der Telecom World Switches, die nicht nur die verschiedenen Übertragungswege wie UMTS, WLAN und GPRS in einer Plattform integrieren und ein intelligentes Roaming ermöglichen, sondern auch die Sprach- und Datenpfade verwalten, um die QoS sicherzustellen.

Selbst wenn die Mobilfunker die genannten Schwierigkeiten lösen, bleibt die Frage offen, ob sich die Handy-Netze der dritten Generation wirklich als Medium zum Zugriff auf Unternehmensdaten durchsetzen, oder ob ihnen nicht die Wireless LANs in Form von Hotspots den Rang ablaufen. Janusz Filipiak, CEO der Comarch Software AG in Frankfurt am Main, einem Anbieter von Abrechnungssystemen und Netz-Management-Lösungen für Carrier und Mobilfunkbetreiber, zeigt sich zwar überzeugt, dass die Wifi-Hotspots nur ein kurzes Strohfeuer sind. Sie verschwinden wieder vom Markt, so die Begründung des Managers, wenn die Mobilfunker den Geschäftskunden mit auf die Datenkommunikation zugeschnittenen Tarifmodellen entgegenkommen.