Jobreport

Informatiker in der Energiewirtschaft

13.10.2014
Von 
Peter Ilg ist freier Journalist in Aalen.
Mit der Energiewende entstehen Jobs für Informatiker in den erneuerbaren Energien. Entwicklung und Monitoring von Prognosesystemen für die Energieerzeugung sind eine typisch technische Aufgabe. Allerdings gibt es in Deutschland erst einen einzigen Studiengang, der Energieinformatiker ausbildet.

Aus wirtschaftlicher Sicht ist Energie ein Produkt, dessen Preis sich aus Angebot und Nachfrage bildet. Strom aus Frankreich, der Schweiz, Österreich und Deutschland wird an der Börse Epex Spot gehandelt. An deren Außenstelle in Leipzig melden deutsche Energieerzeuger täglich bis zwölf Uhr, wie viel Strom sie zu welchem Preis am folgenden Tag liefern können. Auch Käufer müssen bis dann angeben, wie viel Strom sie zu welchem Preis am folgenden Tag kaufen wollen. Eine Stunde später veröffentlicht die Börse Preise und Mengen für den nächsten Tag.

Gehandelt wird Strom aus unterschiedlichen Quellen. In Kohle- oder Kernkraftwerken lässt sich die erzeugte Strommenge regeln, bei regenerativen Energien nicht, da hier die Stromproduktion vom Wetter abhängt. Auch RWE muss heute sagen, wie viel morgen geliefert werden kann. "Wir treffen Vorhersagen aufgrund historischer Daten und leiten Aktivitäten ein, wenn Differenzen drohen, etwa wenn Anlagen ausfallen", sagt André Körner. Dann kauft RWE Strom zu, um die angegebenen Mengen zu liefern.

Als Informatiker in der Energiewirtschaft

Der 34-jährige Wirtschaftsinformatiker arbeitet bei RWE Innogy in einem Team, das die Windparks an ein Monitoring- und Kontrollsystem anschließt. Geschäftlich relevante Informationen müssen zentral und in Echtzeit bereitstehen: "In meinem Job kommt es darauf an, die Geschäftsprozesse zu verstehen, etwa wie der Energiehandel funktioniert", sagt Körner. Und er versteht die Technik: SCADA-Systeme (Supervisory Control and Data Acquisition) dienen dem Monitoring und der Steuerung von Energieanlagen und geben Informationen für die Optimierung auch der grünen Energiegewinnung.

Mit einem Klick auf die Icons erhält Wirtschaftsinformatiker André Körner Kurzinformationen zum Standort der Energieanlage, zur installierten Leistung und das Datum der Inbetriebnahme. Sein Arbeitgeber RWE Innogy betreibt etwa 2000 Windkraftanlagen sowie Biomasse- und Wasserkraftwerke.
Mit einem Klick auf die Icons erhält Wirtschaftsinformatiker André Körner Kurzinformationen zum Standort der Energieanlage, zur installierten Leistung und das Datum der Inbetriebnahme. Sein Arbeitgeber RWE Innogy betreibt etwa 2000 Windkraftanlagen sowie Biomasse- und Wasserkraftwerke.
Foto: RWE

Seine erneuerbaren Energien hat RWE im Tochterunternehmen Innogy gebündelt, das 1400 On- und Offshore-Windkraftanlagen und etwa 600 Biomasse- und Wasserkraftwerke betreibt. "Ich fahre zu den Anlagen und baue die Kommunikation mit dem System auf. Dann diskutiere ich mit unseren Energiehändlern, wie wir unsere Systeme optimieren können", beschreibt Körner seine Aufgaben. Jede Windturbine hat bis zu 1500 Messpunkte, die Daten über Windgeschwindigkeit, Windrichtung, Temperatur oder Vibrationen liefern. Innogy arbeitet eng mit dem konzerninternen IT-Dienstleister zusammen, deshalb beschäftigt das Unternehmen selbst nur wenige Informatiker. Körner und drei Kollegen sind die Ausnahme, sie kümmern sich um die Echtzeit-Daten-Erhebung der regenerativen Stromgewinnung.

Informatiker für die Gewinnung und Verarbeitung der erneuerbaren Energien zu finden ist nicht einfach. Siemens, Voith, Enercon und das Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik suchen nach geeigneten Kandidaten. Jens Paetzold von der Hochschule Ruhr West: "Die Informatik ist für Energiesysteme ganz wichtig, insbesondere für die Steuerung der Systeme." Informatik sei die Basis von Leitsystemen, der Zählung der Strommenge und der Nachrichtenübertragung über und für das Energiesystem. Paetzold ist Leiter des 2011 eingerichteten, deutschlandweit einzigen Studiengangs Energieinformatik. "Unser Angebot spricht sich herum, dadurch steigt das Interesse unter Studenten und in der Industrie."

Herber Einbruch bei Photovoltaik

Ein Blick auf die Energiebranche zeigt, dass im Umfeld der erneuerbaren Energien viele Arbeitsplätze verloren gingen. Laut Bundeswirtschaftsministerium waren 2013 rund 370.000 Mitarbeiter in den erneuerbaren Energien beschäftigt. Dies ist ein Rückgang von sieben Prozent gegenüber 2012. Die Bioenergie lag mit rund 126.000 Beschäftigten auf dem Niveau des Vorjahres. Die Windenergie legte um 13 Prozent auf 138.000 Beschäftigte zu.

Einen herben Einbruch gab es in der Photovoltaik: Die Beschäftigtenzahl sank auf 56.000 und damit auf die Hälfte innerhalb eines Jahres. Der Stellenabbau liegt am gebremsten Ausbau von Photovoltaik-Anlagen. Für dieses und das nächste Jahr werden insgesamt leicht rückläufige Beschäftigtenzahlen prognostiziert.

"Die Berufschancen der Energieinformatiker bewerte ich mit einer glatten Eins"

Die Hochschule Ruhr West bietet seit 2011 den Studiengang Energieinformatik an. Anfang 2015 wird es die ersten Absolventen geben. Um deren Jobperspektiven macht sich Studiengangsleiter Professor Jens Paetzold keine Sorgen.

CW: Was lernen Ihre Studenten?

Jens Paetzold: Wie in einem Ingenieurstudium üblich, geht es los mit Grundlagen der Mathematik und Naturwissenschaften. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Elektrotechnik und Elektronik. Informatikfächer sind Datenbanken, Kommunikation und Datentechnik. Leittechnik und Energienetze sind Beispiele für Energiethemen. Gelehrt werden auch Netzintegrationen über alle Technologien der erneuerbaren Energien hinweg sowie Energiespeicherung und deren Umwandlung. So kommen am Ende Informatiker mit dem Anwendungsgebiet Energietechnik heraus, deren Schwerpunkt auf den erneuerbaren Energien liegt. Sie können aber genauso gut mit konventionellen Energien arbeiten, weil sie die Steuerung eines Netzes und die Integration und Erzeugung von Energie unabhängig von einer bestimmten Technologie gelernt haben.

CW: Wie schätzen Sie die Berufschancen der angehenden Energieinformatiker ein?

Jens Paetzold: RWE ermöglicht je zwei Studenten aus den ersten beiden Studienjahren das Modell Studium und Beruf. Als Werkstudenten arbeiten sie einen Tag pro Woche im Konzern, bekommen ein Gehalt und können ihr Praktikum und ihre Bachelor-Arbeit im Unternehmen machen, entweder im Forschungsbereich oder beim regionalen Netzbetrieb der RWE, der sich um die Integration erneuerbarer Energien kümmert. Beides passt sehr gut zum Studiengang. Müsste ich für die Berufschancen unserer Absolventen eine Note vergeben, so wäre das eine glatte Eins.

Jens Paetzold leitet den Bachelor-Studiengang Energieinformatik, den die Hochschule Ruhr West als einzige in der Republik anbietet. Obwohl im vergangenen Jahr vor allem im Bereich Photovoltaik Zehntausende Jobs verloren gingen, ist der Hochschullehrer überzeugt, dass Energieinformatiker im Umfeld der erneuerbaren Energien beste berufliche Perspektiven haben.
Jens Paetzold leitet den Bachelor-Studiengang Energieinformatik, den die Hochschule Ruhr West als einzige in der Republik anbietet. Obwohl im vergangenen Jahr vor allem im Bereich Photovoltaik Zehntausende Jobs verloren gingen, ist der Hochschullehrer überzeugt, dass Energieinformatiker im Umfeld der erneuerbaren Energien beste berufliche Perspektiven haben.
Foto: Privat

CW: Wie hoch wird der Anteil der Bachelor-Absolventen sein, die ein Master-Studium anhängen?

Jens Paetzold: Etwa ein Drittel möchte einen Master machen. Die anderen gehen in die Industrie. Potenzielle Arbeitgeber sind Unternehmen aus den erneuerbaren Energien. Uns liegen Anfragen etwa aus Planungsbüros vor. Auch Industrieparkbetreiber, die erneuerbare Energien integrieren müssen, melden sich bei uns. Zudem interessieren sich Netzbetreiber für die Absolventen.

CW: Welche Master-Studiengänge bieten sich an?

Jens Paetzold: Die Ausbildung in Informatik ist ausreichend tief, dass die Bachelor-Absolventen einen Master in reiner Informatik machen können. Sie können sich allerdings auch für ihre andere Fachrichtung entscheiden, nämlich die Energietechnik. An unserer Hochschule bieten wir den Master Wirtschaftsingenieurwesen Energiesysteme unter der Voraussetzung, dass die Studenten sich mit Wirtschaftsthemen beschäftigt haben. Wir versuchen, einen Spagat in der Ausbildung hinzubekommen, der den Studenten viele Möglichkeiten der Weiterbildung und Spezialisierung lässt. Das macht den Studiengang recht anspruchsvoll.