Von Great Resignation zu Great Regret?

Inflation treibt Fluktuation

22.07.2022
Von 
Lucas Mearian ist Senior Reporter bei der Schwesterpublikation Computerworld  und schreibt unter anderem über Themen rund um  Windows, Future of Work, Apple und Gesundheits-IT.
Das überraschende Ergebnis einer aktuellen Umfrage: Jeder vierte US-Arbeitnehmer, der vor kurzem gekündigt hat, bereut seine Entscheidung bereits.
Die Inflation facht die 'Great Resignation' in den USA weiter an - gleichzeitig bereuen viele Arbeitnehmer ihre Kündigungen bereits.
Die Inflation facht die 'Great Resignation' in den USA weiter an - gleichzeitig bereuen viele Arbeitnehmer ihre Kündigungen bereits.
Foto: SERSOLL - shutterstock.com

Angesichts Inflation, Energiekrise und allgemeiner Rezession rechnen Arbeitssuchende in den USA laut einer Umfrage der Job-Plattform Joblist mit sich verschlechternden Bedingungen. Demnach erwarten 80 Prozent der Befragten, dass die USA 2023 in eine Rezession eintritt, 49 Prozent gehen davon aus, dass sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt in den kommenden sechs Monaten verschlechtern wird.

Infolgedessen haben 60 Prozent der Jobsuchenden das Gefühl, jetzt dringend eine Stelle finden zu müssen, bevor die befürchteten Veränderungen greifen. Darüber hinaus bedauern 26 Prozent der Befragten, die im Rahmen der 'Great Resignation' ihren Job aufgegeben haben, diese Entscheidung - für 42 Prozent dieser Gruppe entsprach der neue Arbeitsplatz nicht den Erwartungen.

Inflation sticht Gehaltserhöhung

Während der 'Great Regret' einsetzt, geben 17 Prozent der Befragten an, zu ihrem alten Arbeitgeber zurückzukehren, weitere 24 Prozent sind zumindest offen für eine mögliche Rückkehr. 23 Prozent der Befragten wurden indes bereits von ihrem früheren Arbeitgeber bezüglich einer Rückkehr kontaktiert. Dennoch: 78 Prozent der Befragten sind immer noch davon überzeugt, bei einem Unternehmenswechsel mehr Geld zu verdienen.

"Natürlich bereuen manche Menschen ihren Jobwechsel", kommentiert Lisa Rowan, Vice President for Human Resources Software and Services Research bei IDC, die Ergebnisse der Umfrage. "In meinen Augen sind die in der Joblist-Umfrage erwähnten Fälle jedoch ein wenig übertrieben." Die Bindung von Talenten im technischen Bereich und die Gewinnung neuer Mitarbeiter seien laut Rowan nach wie vor Hauptanliegen des oberen Managements.

Vergleicht man die IDC-Umfrage unter Personalentscheidern aus dem Jahr 2021 mit der diesjährigen, kürzlich abgeschlossenen Umfrage, stellte man fest, dass es kaum Unterschiede gibt, wenn es darum geht, Talente zu gewinnen, so die HR-Expertin. "Meiner Meinung nach findet die 'Great Resignation' immer noch statt. Müsse ich eine Prognose abgeben, würde ich schätzen, dass sich die Kündigungen im Laufe dieses Jahres verlangsamen werden. Bislang ist das allerdings noch nicht der Fall. Wenn die Inflation ungebremst weiter steigt, werden einige Unternehmen darunter leiden und anfangen, bei Neueinstellungen den Gürtel enger zu schnallen."

Mathew Merker, Research Manager für Talent Acquisition and Strategy bei IDC, stimmt Rowan zu. Die Inflation könne Unternehmen dazu zwingen, Einstellungen zurückzunehmen. Gleichzeitig sei es aber auch denkbar, dass mehr Arbeitnehmer jetzt Job-Alternativen mit höheren Gehaltsoptionen in Betracht ziehen, wenn das bisherige Unternehmen nicht Schritt halten könne. Die Besorgnis über eine Rezession sei jedoch real, so Merker: "Das kann zur Folge haben, dass diejenigen, die eine Kündigung erwägen, erst Ernst machen, wenn sich eine konkrete Möglichkeit bietet."

Insgesamt untersuchte Joblist in seiner Umfrage eine ganze Reihe von Themen, mit denen US-Arbeitnehmer konfrontiert sind, darunter das Verhältnis zwischen Gehaltserhöhungen und Inflation sowie die Auswirkungen der hohen Benzinpreise auf Pendler. Die wichtigsten Ergebnisse auf einen Blick:

  • Die Benzinpreise sind für die meisten Pendler in den USA ein großes Problem: 59 Prozent gaben an, dass die steigenden Kosten an der Zapfsäule eine "hohe" oder "sehr hohe" finanzielle Belastung für sie darstellen.

  • Von den durch die COVID-19-Pandemie bedingten Frührentnern, die wieder ins Berufsleben einsteigen wollen, geben 60 Prozent an, dass sie einfach "etwas zu tun" suchten - nur bei 27 Prozent sind es finanzielle Gründe.

  • 41 Prozent der Arbeitnehmer haben im ersten Halbjahr 2022 eine Gehaltserhöhung erhalten, aber nur 28 Prozent dieser Erhöhungen lagen über der US-Inflationsrate von 8,5 Prozent.

"In unserer Umfrage haben wir festgestellt, dass Gehaltserhöhungen im Jahr 2022 bisher üblich sind, aber in der Regel nicht groß genug sind, um die Inflation auszugleichen", so der Joblist-Bericht.

Tony Guadagni, Senior Principal HR bei Gartner, weiß dass die meisten Gehaltserhöhungen im vergangenen Jahr zwar deutlich unter der Inflationsrate lagen, erwartet jedoch, dass sich das ändern wird: "Letztendlich werden die Löhne langsam aber sicher aufholen. Das hat mit der Art und Weise zu tun, wie die Vergütung festgelegt wird. Praktisch alle Unternehmen ziehen dazu den Markt heran. Sie haben eine Reihe von Benchmarks, die zeigen, was Unternehmen für eine bestimmte Position und Tätigkeit zahlen. Letztendlich wird die Inflation die Gehälter nach oben treiben." (fm)

Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation Computerworld.