Indische Softwerker entdecken Deutschland

29.09.2003
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Alexander Freimark wechselte 2009 von der Redaktion der Computerwoche in die Freiberuflichkeit. Er schreibt für Medien und Unternehmen, sein Auftragsschwerpunkt liegt im Corporate Publishing. Dabei stehen technologische Innovationen im Fokus, aber auch der Wandel von Organisationen, Märkten und Menschen.

Laut Weber sind die Inder dabei nicht an Dienstleistern, sondern in erster Linie an deutschen Softwarehäusern interessiert. Von diesem Geschäft versprechen sie sich im Gegensatz etwa zum Outsourcing deutlich größere Kostenvorteile: Indische Anbieter können im Software-Business die Masse der heimischen Entwickler in die Waagschale werfen. Hinzu kommt das Wissen deutscher Softwerker um Branchen und Lösungen, das wiederum in indische Programme einfließt. "Die indischen IT-Firmen benötigen alternative Angebote zu ihrer ,verlängerten Werkbank', die bis in die Anwendungsentwicklung hineinreichen", sagt Weber.

Das Problem der Inder: Sie können zur Zeit noch nicht beim deutschen Anwender anklopfen und ihre Software anbieten, weil sie die Geschäftsprozesse häufig nicht beherrschen. "Deshalb ist es wichtig für die indischen Companies, Partnerschaften mit Unternehmen vor Ort einzugehen, die diese Fachverfahren kennen", folgert der ISST-Leiter. Deutsche IT-Anbieter sprechen in der Regel die Sprache ihrer Kunden - in doppelter Hinsicht. Auch machen sich die Inder sonst nichts vor: Dass viele Anwender einen Ansprechpartner aus ihrem Kulturkreis bevorzugen, ist kein Geheimnis.

Mitte September war Deloitte & Touche Corporate Finance zu einer ähnlichen Schlussfolgerung gelangt: Um kulturelle und sprachliche Barrieren zu überwinden, ziehen indische Unternehmen den Kauf deutscher Anbieter in Erwägung, hieß es in einer Studie. Das Prinzip hinter den Deals: Deutsche Firmen sollen transformiert werden, gefragt sind vor allem Consultants und Projekt-Manager. Sie dienen später als Ansprechpartner der Kunden. "Programmiert wird künftig in Indien, weil es dort günstiger ist", sagt Andreas Pohl, Geschäftsführer von Deloitte & Touche Corporate Finance, einem Spezialisten für Firmenübernahmen.

Kein Ausverkauf "Es ist keine Frage mehr, ob sich die indischen IT-Unternehmen hierzulande einkaufen", sagt Heinz Paul Bonn, Vizepräsident des Bundesverbands Informationswirtschaft, Telekommunikation und Neue Medien (Bitkom). Die Frage sei vielmehr, wann sie es tun werden. Dabei warnt Bonn vor hitzigen Diskussionen über Stellenabbau, Brain Drain und die Globalisierung an sich - das Thema verdiene eine "nüchterne Analyse", zudem komme man heutzutage an den Offshore-Modellen einfach nicht mehr vorbei.

Gegenwärtig geht vielen heimischen Dienstleistern das Geld aus, und die Suche nach frischem Kapital gestaltet sich schwierig. Einen Ausverkauf des IT-Mittelstands würde Bonn bedauern, auch wenn er ihn nicht wirklich befürchtet. Die Aufgabe müsse sein, Firmen aus beiden Ländern in vernünftiger Weise zusammenzubringen: "Das Branchenwissen eines deutschen Mittelständlers verbunden mit der Technologie aus Indien ist eine exklusive Mischung", sagt der Bitkom-Vizepräsident. Zweifler fordert Bonn auf, sich selbst ein Bild von der indischen IT-Kompetenz zu machen.

Allerdings ist bis jetzt höchstens eine Handvoll heimischer Firmen von Indern geschluckt worden. Statt dessen haben Branchengrößen wie Tata Consultancy Services, Wipro oder Infosys vorerst eigene Büros eröffnet und auf organisches Wachstum vertraut - bislang ohne durchschlagenden Erfolg. Daher setzen auch sie inzwischen auf Zukäufe, berichtet Pohl. Vor allem gelte es, den deutschen Markt zu gewinnen und von dort aus weitere Länder in Kontinentaleuropa zu erschließen. In den Vereinigten Staaten verfolgen die Inder schon seit längerem diese Strategie. "Deutschland hängt immer zwei Schritte hinter den USA zurück", beobachtet der Deloitte-Geschäftsführer, der hierzulande für dieses Jahr noch eine große Akquisition erwartet.

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