Um Indien kommt gegenwärtig kaum jemand in der der IT-Branche herum: Keine Woche vergeht, in der nicht ein neuer Outsourcing-Deal, eine Entwicklungspartnerschaft oder ein Joint Venture gemeldet wird. Meistens geht es bei den Abkommen um Einsparungen, also Arbeitsplatzabbau - in der Regel wird das aber gleich auch wieder dementiert. Für die einen ist Indien das gelobte Land, wo Bytes und Sourcecode fließen; andere fühlen sich an Frondienste erinnert, die man bisher anderen Branchen als der IT zuschrieb.
Aus der rapide gestiegenen Offshore-Outsourcing-Nachfrage in den USA und Großbritannien, ausgelöst nicht zuletzt durch Branchenkrise und Preisdruck, haben viele indische Software- und Serviceanbieter Kapital schlagen können. Sie sind selbst zu international aufgestellten Konzernen geworden, für die ein jährliches Umsatzwachstum von 30 Prozent bislang keine Seltenheit ist. So hat der indische IT-Konzern Wipro angekündigt, zu seinen 24000 weitere 9000 Mitarbeiter einzustellen - 3000 für Business Process Outsourcing (BPO), 6000 für die Softwareentwicklung. Kein Problem in Indien, wo vergangenes Jahr knapp 120000 IT-Absolventen aus den Universitäten geströmt sind.
Um das hohe Tempo zu halten, müssen jedoch neue, wachstumsträchtige Märkte her: Deutschlands IT-Szene - bislang zu einem Gutteil in US-amerikanischer Hand - rückt in den Fokus. "Deutschland ist ein hervorragendes Pflaster für die Inder, denn sie drängen mit aller Macht ins Lösungsgeschäft", berichtet Herbert Weber, Leiter des Berliner Fraunhofer-Instituts für Software- und Systemtechnik (ISST). Der Wissenschaftler fungiert für indische IT-Firmen als Anlaufstelle, wenn sie in den deutschen Markt einsteigen wollen. Damit beide Seiten von der Verbindung profitieren, wird zur Zeit am ISST ein Konzept ausgearbeitet, das noch in diesem Jahr vorgestellt werden soll. "Früher oder später werden die indischen Anbieter kommen", sagt Weber, "und noch haben wir die Chance, mit Kooperationen die Vorteile auch zu nutzen."