Guide Share Europe will das Mainframe-Image korrigieren

IBM-User-Group sucht neue Zielgruppen

28.05.2004
HANNOVER (wh) - Die IBM-Benutzervereinigung Guide Share Europe will sich künftig verstärkt plattformübergreifenden Themen zuwenden und so das angestaubte Mainframe-Image ablegen. Auf der Jahrestagung der deutschen Teilorganisation fanden neben technischen Präsentationen auch Vorträge zu IT-Kosten und IT-Management das Interesse der rund 300 Teilnehmer.

Sicherheit, E-Business und IT-Kosten stehen auf der Agenda der deutschen GSE-Mitglieder ganz oben, berichtete Region Manager Eberhard Grammes. Das habe eine Befragung von Mitgliedsfirmen ergeben. Zugleich aber bescheinigten sie der seit 45 Jahren bestehenden Anwendervereinigung ein eher altbackenes Mainframe-Image. Daraus gelte es, Konsequenzen zu ziehen, so Grammes: "Wir werden einiges ändern."

Mit 586 Mitgliedsfirmen bildet die deutsche Sektion die größte GSE-Landesgesellschaft. Doch die Zielgruppe der Mainframe-Nutzer ist überschaubar. Vor allem durch Rechenzentrums-Zusammenlegungen und Firmenfusionen sinkt die Mitgliederzahl langsam, aber stetig. "Dieser Trend hält leider an", sagt Grammes'' Vorgänger Christoph Laube. So geht etwa die Anzahl der Teilnehmer in den rund 60 Working Groups zurück, in denen der Verein die inhaltliche Arbeit organisiert. Dass die Mitglieder weiter unter starkem Kostendruck stehen, war auf der Jahrestagung auch an der abnehmenden Zahl von Anwendervorträgen abzulesen. In stärkerem Maße als bisher bestritten IBM-Mitarbeiter die mehr als 70 Präsentationen. Nicht alle konnten der Versuchung widerstehen, technische Informationen mit Marketing-Botschaften des Herstellers zu verknüpfen.

Linux auf dem Vormarsch

Die GSE setzt nun auf neue Themen. Damit verbunden sind laut Grammes auch organisatorische Änderungen, die bis hin zu einer Neustrukturierung reichen könnten. Ziel sei es, die bislang fast ausschließlich aus Mainframe-Anwendern bestehende Zielgruppe auszuweiten. Zwar will sich die User Group weiterhin vorrangig um Anwender in Rechenzentren bemühen. Doch in den Datenzentren der Unternehmen stehen längst nicht mehr nur die klassischen Big Irons, sondern auch diverse andere Server-Plattformen aus der Risc/Unix-, Linux- oder Intel/Windows-Welt. Grammes plant deshalb, IT-Verantwortliche verstärkt mit plattformübergreifenden Informationen zu bedienen. Darüber hinaus strebt er eine engere Zusammenarbeit mit anderen Anwendervereinen an, beispielsweise mit der Deutschen Oracle Anwendergruppe e. V. (Doag) oder der Deutschen SAP Anwendergruppe (DSAG).

Neben Linux, das schon seit längerem auf der Agenda steht, sollen künftig etwa Themen wie Grid Computing, aber auch strategische Aspekte wie IT-Governance behandelt werden. Dass die GSE damit die Wünsche der Mitglieder trifft, schien die diesjährige Konferenz zu belegen: Das stärkste Besucherinteresse fand ein Vortrag zum Thema Kennzahlensysteme für IT-Manager.

Etwas ruhiger ist es um die in den vergangenen Jahren heiß diskutierten Softwarepreise geworden, berichten die GSE-Verantwortlichen. Immer wieder hatten die Anwendervertreter IBMs starre Preismodelle für Mainframe-Software kritisiert, die in den Unternehmen hohe Kosten verursachen. Der IT-Konzern reagierte darauf mit diversen Änderungen. Zumindest theoretisch lassen sich inzwischen etliche Mainframe-Applikationen gemäß ihrer tatsächlichen Nutzung abrechnen statt wie zuvor anhand der Rechenkapazität einer Maschine. Auch die unabhängigen Softwarehäuser (ISVs) wie BMC oder Computer Associates bewegen sich in diese Richtung. "Darauf sind wir schon ein bisschen stolz", sagt Laube.

Vom Tisch ist das Thema aber noch lange nicht: Eine zentrale Forderung, nämlich die Abrechnungs- und Lizenzmodelle für die Kunden einfacher zu machen, konnte Big Blue bislang nicht erfüllen. Im Gegenteil: Mit immer neuen Lizenzvarianten, wie beispielsweise für den Einstiegs-Mainframe "Z890", ist das Regelwerk komplexer denn je geworden. Der Hersteller steckt in einem Dilemma, wie Mario Pollack von IBM Deutschland einräumte: Einerseits soll die Abrechnung leichter werden, andererseits sei man bestrebt, für möglichst viele Einsatzszenarien der Kunden eine passende Lösung anzubieten. Pollack: "Das wird auch noch einige Zeit so bleiben."

IBM reagiert zu langsam

Grammes zieht dennoch eine positive Bilanz der Zusammenarbeit mit IBM. Ohne die personelle und finanzielle Unterstützung des Konzerns wäre die User Group kaum in der Lage, eine thematisch breit angelegte Fachkonferenz für mehrere hundert Teilnehmer auszurichten. Um seiner Rolle als primäre Informationsquelle für die Mitglieder gerecht zu werden, benötige der Verein aber mehr "zeitnahe Informationen aus erster Hand". Verbesserungsbedürftig sei auch die Reaktion des Herstellers auf technische Anforderungen, die die GSE-Arbeitsgruppen formulieren. Trotz etlicher persönlicher Kontakte zu IBM-Spezialisten nehme dieser Prozess noch zu viel Zeit in Anspruch.