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IBM treibt Server-basierendes Computing voran

11.05.2004
IBM hat mit der "Workplace Client Technology" eine Server-basierende Middleware vorgestellt, mit der sich zentral verwaltete Anwendungen an verschiedenste Endgeräte ausliefern lassen.

IBM macht Ernst mit der Integration des Lotus-Portfolios und will Unternehmen dazu bewegen, sich nach und nach vom voll ausgestatteten PC zu verabschieden. Stattdessen empfiehlt Big Blue den Umstieg auf ein Server-basierendes Middleware-System, das Anwendungen an fast beliebige Endgeräte ausliefert.

Das von IBM favorisierte durchgängige Client-Computing-Modell soll unter anderem PCs, Handhelds, Mobiltelefone und Embedded-Geräte unterstützen und sich dabei zentral verwalten lassen. Ziel sei es, dass Anwender "sich zwischen thick und thin [Client] und allem dazwischen" bewegen könnten, proklamiert Softwarechef Steve Mills. Die Middleware-Schicht "IBM Workplace Client Technology" mache die Auswahl des darunter liegenden Betriebssystems weitgehend irrelevant, so der Hersteller. Die Technik werde zunächst Windows und Linux, später auch Mac OS X sowie Unix unterstützen.

Eine Micro Edition für kleinere Endgeräte wurde ebenfalls entwickelt und wird beispielsweise mit Nokias kommendem "Communicator 9500" ausgeliefert. Entwicklungswerkzeuge für die Workplace Client Technology soll es gegen Ende des Jahres geben. Developer sollen dann Anwendungen mit Hilfe von Java, SyncML und WSRP (Web Services Remote Publishing) erstellen können.

Workplace Client basiert auf Eclipse und stattet Endgeräte mit einer Websphere- und Datenbankschicht aus. Management und Provisioning steuert Tivoli bei. Die Lösung erlaubt Offline- und synchronisierten Zugang zu verschiedenen Anwendungen. Diese benötigen allerdings ihr gewohntes Betriebssystem - Microsoft Office läuft weiterhin nur unter Windows. Mills zufolge bringt aber ohnehin nur das zentrale, Server-basierende Management echte Einsparungen: "Nicht das Betriebssystem treibt die Kosten, sondern der Arbeitsaufwand." Die über Workplace Client verteilten Anwendungen müssen Anwender genau wie bisher in Lizenz nehmen.

Für zwei Geschäftsprozesse, nämlich Messaging und Dokumenten-Management, bietet IBM selbst die Applikationen "Lotus Workplace Messaging" (Browser-basierende E-Mail) und "Lotus Workplace Documents" (virtualisiertes Speichersystem mit Replizierung zwischen Client und Server) an, die beide in diesem Quartal erscheinen sollen. Workplace Documents unterstütze über ein Plug-in auch die Verwaltung von Microsoft-Office-Dateien, erklärte Ken Bisconti, Vice President für Messaging-Produkte bei IBM. Weitere Lösungen sollen in Kürze in Zusammenarbeit mit Partnern wie Peoplesoft, Siebel Systems und Adobe entstehen. Deren Preis hänge vom jeweiligen Anbieter ab; die Office-Integration werde von Big Blue kostenlos mitgeliefert.

IBM wolle mit dem Workplace-Client keine Anti-Microsoft-Strategie entwickeln, betonte Mills, sondern neue Wege für die Techniknutzung in Unternehmen erschließen. Dennoch erscheint das Ganze wie ein Gegenkonzept zum "Rich Client" von Microsoft, das im nächsten Windows "Longhorn" unter anderem Such- und Browser-Technik integriert und sein ".NET Framework" im kommenden Jahr erstmals durch Integration von Visual Studio mit SQL Server 2005 auch auf die hauseigene Datenbank ausdehnt.

Jeanette Barlow, Market Manager für Workplace, erklärte, IBM wolle unter anderem unterschiedliche "Datensilos" auflösen und Informationen im Backend zusammenführen. Anwender könnten dann in einer abgesicherten und verwalteten Umgebung je nach Bedarf über Browser oder Rich Clients konsistente Daten präsentieren. Wer viele E-Mails empfange, sei mit einer Client-basierenden Messaging-Lösung in puncto Wartezeiten und Bandbreitenproblematik sicher besser bedient als mit der Browser-Ausgabe von Workplace Messaging.

Für die Nutzung der Client-Infrastruktur sollen Anwender monatlich um die zwei Dollar pro Arbeitsplatz zahlen, die Lotus-Workplace-Software kostet zirka einen Dollar pro Kopf und Monat (die Preise sind volumenabhängig). Mit seiner Lösung folgt IBM einem generellen Branchentrend in Richtung Server-basierende Lösungen. Sun Microsystems beispielsweise proklamiert in diesem Umfeld sein Thin-Client-System "Sun Ray", HP bietet ebenfalls eine Reihe von Thin Clients sowie neuerdings auch Blade-PCs mit zentralisierter Verwaltung an. Lotus selbst hatte sich in der Vergangenheit mit seiner Java-basierenden "eSuite" genauso erfolglos wie Oracle an einer Thin-Client-Alternative zu Windows und Office versucht.

Klassische Lotus-Anwender beäugen IBMs Workplace-Engagement speziell seit der letzten Lotusphere-Hausmesse mit Argwohn, da Workplace eine grundlegend andere Architektur als Note/Domino verwendet. Ambuj Goyal, General Manager Lotus Software, betonte erneut, IBM werde Notes und Domino weiterentwickeln, und darauf basierende Anwendungen würden über Workplace zugänglich sein. Ein entsprechendes Workplace-Portlet könne bereits mit Notes/Domino 7 erscheinen, das für das erste Quartal 2005 avisiert ist, so Goyal. Auf der Lotusphere im Januar hatte der Lotus-Chef die Integration erst für Release 8 in Aussicht gestellt. (tc)