Basel II: Herausforderung für das Risiko-Management

Gute Noten - günstige Kredite

25.09.2002

Obwohl die Banken ihre Kunden nicht über die zentralen Fragen des Rating- Systems aufklären werden, rollt dennoch eine Informationskampagne auf die Betriebe zu. Immerhin muss bei Hunderttausenden von Unternehmen die Bereitschaft erzeugt werden, sich der Bank mehr noch als bisher zu öffnen und ihre Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage offen zu legen. Neben Kennzahlen aus der Jahresabschlussanalyse zählen dazu harte qualitative Faktoren wie die Dauer der Kundenbeziehung, Alter/ Erfahrung der Geschäftsleitung, Ausbildung, Familienstand, Nachfolgeregelung, Rechtsform, Kundenabhängigkeiten, Existenz von Planungs- und Kontrollsystemen und Existenz eines Leiters Finanzen/Debitorenbuchhaltung.

Blick ins Innerste

Die Sparkassen zum Beispiel werden mit dem Firmenkunden einen 49 Fragen umfassenden Katalog durchgehen, der Fragen nach der Unternehmensführung, Planung und Steuerung, Markt und Produkt sowie nach der Wertschöpfungskette umfasst. Da der Firmenkundenbetreuer darauf nicht allzu viel Zeit „verschwenden“ darf, kommt es auf eine gute Vorbereitung an. Schließlich verdient der Banker - im Gegensatz zu einer Rating-Agentur - nicht mit einem exakten Rating, sondern mit dem Verkauf von Bankprodukten sein Geld. Die Kosten des Rating-Verfahrens müssen daher durch Zins- und Provisionserträge verdient werden.

Eine Reihe von Warnsignalen sollten Betriebe unbedingt kennen, denn sie sind K.-o.-Kriterien für die Kreditbewilligung: Lastschriftrückgaben, Verzögerungen bei der Begleichung von Darlehensraten, Kreditkündigungen anderer Kreditinstitute, Scheckrückgaben, Wechselproteste, Kontopfändungen, Betrugsfälle, Überziehungen, negative externe Auskünfte, körperliche und geistige Beeinträchtigungen. Übrigens wird es beim bankinternen Rating kaum noch auf Branchenunterschiede ankommen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Im Rahmen der mathematisch-statischen Modelle haben sich insbesondere harte Fakten und Jahresabschlusskennzahlen als trennschärfer erwiesen.

Kreditkosten senkend wirken sich insbesondere eine hohe Eigenkapitalquote und eine nachhaltige Rendite aus. Bei fast allen bankinternen Rating-Modellen - so viel ist bekannt - werden gerade diese beiden Kennzahlen am höchsten gewichtet. Allerdings ist wie in kaum einem anderen Land der Welt die Eigenkapitalquote deutscher Unternehmen in den letzten Jahren zusammengeschmolzen.

Mehr als 40 Prozent aller Betriebe, so berichtet der Verband der Vereine Creditreform, haben nur noch eine Eigenkapitalquote von weniger als zehn Prozent. Mit mehr als 40 000 Unternehmensinsolvenzen wird die Bundesrepublik Deutschland 2002 erstmals in

Einflussfaktor Konjunktur

ihrer Geschichte Pleiten-Europameister werden. Die gestiegene Arbeitslosigkeit geht zudem mit einem Kaufkraftschwund einher, der sich in sinkenden Ratings niederschlägt. Die wirtschafts- und finanzpolitischen Rahmenbedingungen erzeugen Zusatzbelastungen, die nicht durch Korrekturen des bankenaufsichtsrechtlichen Regelwerks aufgefangen werden können.

Schließlich werden an das Rating nicht nur die Eigenmittelunterlegung, sondern auch die Zinsund Konditionengestaltung, die Sicherheitenbestellung und die Kreditlimitierung geknüpft. Außerdem befindet sich eine Vielzahl von bankinternen Organisationsrichtlinien in der Umsetzung, die beispielsweise das System der Kreditkompetenzen der Bankmitarbeiter an das Rating koppeln.

Dem Unternehmenssteuerungskonzept, der Kostenrechnung, dem unterjährigen Berichtswesen, dem Liquiditäts-Management wie auch dem Risikofrüherkennungskonzept kommt künftig ein wesentlich höherer Stellenwert zu als bisher. Unternehmen sind daher gefordert, bei sich selbst und - soweit relevant - bei ihren Kunden auf die notwendigen Veränderungen hinzuwirken.

Es werden bereits zahlreiche Softwarepakete von unterschiedlichsten Anbietern vertrieben. Doch enthält definitiv keines der bisher angebotenen Programme exakt einen solchen Kriterienkatalog, wie er von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht anerkannt wird. (bs) 

* Dr. Oliver Everling ist Geschäftsinhaber der Everling Advisory Services in Frankfurt am Main.