Basel II: Herausforderung für das Risiko-Management

Gute Noten - günstige Kredite

25.09.2002
Neue Regeln der Bankenaufsicht sorgen in mittelständischen Unternehmen für Anpassungsbedarf bei den IT-Strukturen: Wer künftig Kredite bekommen möchte, braucht eine solide und transparente Datenbasis.

UM SPARER und Anleger vor Risiken des Kreditgeschäfts der Banken zu verschonen und die Stabilität des Finanzsystems zu sichern, müssen Banken bereits seit 1988 bei jedem ausgereichten Unternehmenskredit stets acht Prozent des Kreditvolumens als Eigenkapital vorhalten. Da die Bonität des Kunden dabei bisher keine Rolle spielte, traf diese Regelung alle Betriebe gleichermaßen. Das soll sich nun ändern: Die Eigenmittelunterlegung wird künftig vom Rating des Kunden abhängig gemacht - also von der Bewertung des Betriebes durch den Kreditgeber. Und dafür gilt: Jeder besser das Rating ausfällt, desto geringer sind die künftige Eigenmittelanforderung der Bankenaufsicht und die Kosten für das geliehene Geld.

Da in die Zinsmargen die Eigenkapitalkosten der Banken einkalkuliert werden, muss am Ende der Kunde sein eventuell ungünstiges Rating also teuer bezahlen: Zwischen der besten und der schlechtesten Note liegt ein Belastungsunterschied von mindestens dem 7,5fachen, der durch Eigenkapital gedeckt sein muss.

Zwar wird bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) mit Sitz in Basel an den Modifikationen der bisherigen Eigenkapitalvereinbarungen noch gefeilt - etwa an der Höhe des Kredits, ab dem die neuen Bewertungskriterien angewendet werden. Doch so viele Einzelheiten des Abkommens auch noch ungeklärt sind, eines ist sicher: Basel II kommt. Offizieller Starttermin ist das Jahr 2006. Viele Kreditinstitute werden jedoch bereits im nächsten Jahr mit den Ratings beginnen. Sie wollen die Genauigkeit der eingesetzten Bewertungsverfahren prüfen, um ab 2006 mit zuverlässigen Systemen arbeiten zu können.

Ob überhaupt und zu welchen Konditionen Unternehmen Finanzspritzen erhalten, wird mit dem Rating künftig anhand eines Katalogs von quantitativen und qualitativen Kriterien beurteilt. Höchste Priorität für die Beurteilung haben dabei laut Basel II messbare Größen wie Cashflow, Rentabilitäts- und verschuldungsorientierte Kennzahlen. Auch Standortfaktoren, die Leistungsfähigkeit von Prozessen, die Organisationsstruktur sowie die Mitarbeiterführung finden als Kriterien Eingang in das Rating. In Zukunft wird ebenfalls bewertet, ob ein Unternehmen über ein funktionierendes Controlling und Risiko- Management sowie eine finanzwirtschaftliche Steuerung verfügt. Und hier können IT-Lösungen, insbesondere Controlling-, Planungs- und Steuerungssysteme, den Betrieben helfen, transparente Zahlen vorzuhalten.

Software statt Bezeichnungen

In den meisten Volks- und Raiffeisenbanken wie auch in den Sparkassen und in manchen privaten Banken kamen bisher den internen Rating-Systemen nur unterstützende Funktionen zu. Das Bonitätsurteil wurde in einer nur wenig differenzierten Note erstellt - dagegen hatte das persönliche Urteil des Kreditsachbearbeiters oder des Geschäftsstellenleiters viel Gewicht. Da solche Systeme nicht mehr dem internationalen Standard entsprechen, werden künftig schärfere Differenzierungen vorgenommen. In der Summe ist nicht mehr das Urteil des Bankdirektors, sondern die Verknüpfung einzelner Kriterien in mathematisch- statistischen Modellen für die Kreditkosten maßgebend.

In der Sparkassenorganisation wird man es künftig also einer logistischen Regressionsfunktion überlassen, über die Existenz kleiner und mittlerer Unternehmen zu entscheiden. Das von einer amerikanischen Consulting-Firma entwickelte Modell wird einheitlich auf Firmenkunden angewandt. Dieselben Consultants waren auch bei den Volksbanken und Raiffeisenbanken sowie bei vielen privaten Banken, sodass Ähnlichkeiten der verwendeten Formeln vorprogrammiert sind. Wer als Kunde beim Rating also nicht mitmacht oder durch das Raster fällt, hat wenig Hoffnung, einen Kredit von der Nachbarbank zu bekommen. Während das künftig allein maßgebende Urteil des Computers so manchen Schicksalsschlag für kleine und mittlere Unternehmen erwarten lässt, müssen sich diese darauf einstellen, die von den Kreditinstituten gewünschten Daten zu liefern. Ratings funktionieren dabei kaum anders als die Zensuren in der Schule. Wie durch die Schulnoten über die Berufschancen eines Schülers, so wird künftig - staatlich verordnet - durch Ratings über die Lebenschancen von Unternehmen entschieden.

Wer seine Daten - wie bei der Klassenarbeit - nicht pünktlich oder nur unvollständig abliefert, muss mit einem schlechten Rating rechnen. Wenig aussichtsreich wird auch die Strategie sein, auf die Lieferung der von der Bank angemahnten Daten ganz zu verzichten: Die Bank kann dann nur ein schlechtes Rating erstellen.