Heterogene DV mit Windows-PCs und Unix

Grafische Benutzeroberflächen in Client-Server-Umgebungen

18.09.1992

*Georges Merx ist Product Marketing Manager bei NCR Schweiz, Zürich.

Der Trend ist klar. Die vielen Windows-PCs auf den Schreibtischen sollen in die Unternehmens-DV eingebunden werden. Ein Mittel sind Client-Server-Umgebungen. Dabei ist jedoch dem Anwender nicht zuzumuten, sich mit der Befehlssyntax eines Unix-Servers auseinanderzusetzen. Das erspart ihm eine über das Gesamtsystem einheitliche Benutzeroberfläche.

Der Trend zu Mikroprozessor-basierten Systemlösungen bringt Client-Server-Softwaretechnologie und einen wachsenden Kommunikationsbedarf mit sich. Anwender erwarten einheitlichen grafischen Zugriff auf alle Funktionen. Dabei soll die elektronische Post genauso intuitiv zu bedienen sein wie das Buchhaltungspaket.

Apple Macs und Windows-basierte PCs erfüllen diese Erwartungen am besten. Zwar existieren auch andere gute grafische Benutzerschnittstellen, aber eine reiche Ausstattung mit Applikationslösungen für jeden Bereich bringen bisher nur die genannten

Produkte mit.

Daneben setzt sich Unix als das führende Server-Betriebssystem im nicht-proprietären Markt durch. Es verfügt über ausgereifte, gesicherte Multiuser-, Multitasking-Funktionen auf Single- und symmetrischen Multiprozessor-Plattformen. Außerdem laufen darunter Branchenlösungen, die jedoch in der Regel zeichenorientiert arbeiten.

Hoch oben auf der DV-Wunschliste

Mit dem Trend zu grafischen Oberflächen wie OSF/Motif wächst aber auch hier die Menge an entsprechenden Applikationen. Weil die größeren Unix-Systeme traditionelle Multiuser-Host-Funktionen ebenso mühelos unterstützen wie die Client-Server-Kommunikation (über TCP/IP, LAN Manager/X oder OSI), eignen sie sich ideal für DV-Umgebungen, wo von einer Host-Umgebung auf eine Client-Server-Umgebung migriert wird.

Aus diesen Betrachtungen läßt sich der Schluß ziehen, daß die Systemlösungen, die am ehesten Erfolg im Client-Server-Bereich versprechen, DOS-Clients und Unix-Server sind. Die Verbindung dieser zwei führenden Techniken zu einer einheitlichen, produktiven, unternehmensweit einsetzbaren Systemumgebung steht hoch auf der DV-Wunschliste vieler mittlerer und größerer Betriebe.

Der Kauf eines weitverbreiteten Produkts beruhigt. Der Kunde weiß, daß es Leute gibt, die es warten können. Außerdem sind ausreichend viele Peripheriegeräte und Zusätze im Handel. Bieten mehrere Hersteller ein Produkt an, so wirkt sich das positiv auf das Preis-Leistungs-Verhältnis aus. PCs gehören zweifellos zu dieser Gattung von Produkten. Vor allem die Intel-Variante mit dem DOS-Betriebssystem ist heute marktdominierend.

Viele Unternehmen und Behörden wie auch Schulen und Privatpersonen haben DOS-PCs im Betrieb. In den letzten Jahren haben sich zwei neuere Technologien zu diesem De-facto-Standard hinzugesellt: Microsoft Windows und lokale Netzwerke. Diese Zusatzprodukte ermöglichen die einfache, grafisch orientierte Benutzung der PCs und ihrer Programme einerseits die gemeinsame, geteilte Benutzung von stärkeren PCs, sogenannten Servern, andererseits.

Das Konzept von Client und Server

Server liefern Daten und arbeiten zentrale Programme oder die Server-Komponente einer Client-Server-Anwendung ab. Die Clients dienen als Schnittstellen zwischen Benutzern und vernetzter Systemumgebung. Ihre eigene Rechnerleistung kommt vor allem

in der grafischen Darstellung zum Tragen, zeigt sich aber auch bei lokalen Anwendungen. Windows-Systeme stellen heute die typische Client-Plattform im kommerziellen Bereich dar. Für rechenintensive technische Anwendungen sind zur Zeit eher Unix-Workstations geeignet, obschon inzwischen auch CAD-Software unter Windows reibungslos läuft.

Weil die grafische Darstellung unter Unix auf dem X-Window-System beruht, muß die Client-Plattform in der Lage sein, diese Standard-Schnittstellen-Definition direkt zu unterstützen, genauso selbstverständlich, wie es mit Terminal-Emulation bei Host-Programmen geschieht.

Die Integration von Clients und Servern über ein lokales Netzwerk ermöglicht Funktionen, die weit über gemeinsame Datei- und Druckerdienste hinausreichen. Die Client-Server-Technologie unterstützt das Workgroup Computing. Damit ist die DV-gestützte Zusammenarbeit von Mitarbeitern gemeint. Dabei haben die Teammitglieder gemeinsamen Zugriff auf Dokumente und andere Datenobjekte, kommunizieren per E-Mail, benutzen einen Gruppenkalender und unterliegen einer gemeinsamen Vorgangskontrolle (Workflow Management).

Eine weitere wichtige Funktion des intelligenten Clients ist die Automatisierung von Arbeitsabläufen auf Desktop-Niveau. Dabei bieten grafische Clients eine standardisierte offene Plattform für die Integration von lokalen DOS- und Microsoft-Windows-Programmen mit den Server-Funktionen, die durch die enge Verbindung über das lokale Netzwerk möglich werden.

Der Daten- und Anwendungs-Server

Als Server-Umgebung eignen sich verschiedene Systeme, vom Novell-PC-Server zum traditionellen VAX- oder MVS-Host. Wenn allerdings weiterreichende Client-Server-Funktionen erwünscht sind, liefert ein LAN-Manager die nötigen Netzwerkfunktionen, speziell auch für unternehmensweiten Einsatz und zentrale Administration. Unix bietet dabei die ideale Open-Systems-Plattform für flexible Server-Konfigurationen, weil es auch Multiprozessor-Systeme unterstützt (zum Beispiel NCR Unix 2.0 MP) und damit Skalierbarkeit auf breiter Basis ermöglicht.

Im Datenbereich bringen relationale Datenbanken, die die Structured Query Language einsetzen, den besten Nutzen in offenen, heterogenen Umgebungen. Über SQL kann ein Programm oder ein Benutzer die verschiedenen Abfragen an ein Datenbanksystem stellen und somit den Datenbestand optimal ausnützen. Auch wenn es von SQL wie auch bei anderen Standards immer noch verschiedene Ausprägungen gibt, sind dort die Unterschiede doch wesentlich kleiner als zwischen proprietären Systemen.

Vernetzung von Desktop und Server

Die Verbindung zwischen Systemen beruht auf den wohlbekannten Schichten von Hardware- und Softwarekomponenten. Im Fall der PC-Unix-Verbindung unter einer grafischen Oberfläche ist die Integration bestehender Systeme in eine heterogene Umwelt besonders gefragt.

Die einfachste Möglichkeit ist die Point-to-Point-Verbindung, die sich zwar via SLIP- oder PPP-Protokoll auch für grafische Anwendungen verwenden ließe, was sich jedoch aufgrund der geringen Übertragungsrate der RS-232-Schnittstelle nicht empfiehlt.

Das Spektrum der Verkoppelung reicht allerdings bis zu X.25- oder SDLC-WAN-Verbindungen. Sie ermöglichen die volle Ausschöpfung der Netzwerkfunktionen für die in Client-Server-Umgebungen aufgeteilten Ressourcen. Die Synergien, die aus dem gemeinsamen Nutzen entstehen, reichen vom Vermeiden von Duplikaten bis zur gruppenorientierten Zusammenarbeit und zur transparenten LAN/WAN-Integration.

Für den Zugriff von DOS-Clients auf Unix-Server zum Zweck der Integration von X.11- basierten Grafikanwendungen wie OSF/Motif stellt das TCP/IP-Kommunikationsprotokoll den Standard dar.

Es gibt eine lange Liste von TCP/IP-Implementierungen. NCR hat hier gute Erfahrung gemacht mit den Microsoft-Windows-Versionen von Pathway von Wollongong und PC/TCP von FTP.

Die Integration von Unix und DOS

Außerhalb der wohlgeordneten Welt mit Unix-Systemen an jedem Leitungsende ist die Integration von technisch inkompatiblen Systemen und Netzwerken nicht. Hier spielt die einheitliche Benutzeroberfläche eine zentrale Rolle. Sie bewahrt den Anwender vor der Komplexität der darunterliegenden Systeme. Darüber hinaus muß auch die Kommunikationsumgebung für den Endbenützer transparent bleiben.

Die Technologie der Objektorientierung hilft bei dieser "Verhüllung der Tatsachen". Das gilt sowohl für die Bildschirmoberfläche, auf der grafische Objekte Ressourcen darstellen, als auch im System selbst, wo Objektklassen die einheitliche Gruppierung und Behandlung von ansonsten inkompatiblen Formaten erlauben. Die Objektorientierung ermöglicht hier die Einbindung von bestehenden Programmen, Daten und Funktionen in eine Benutzerumgebung der neuen Generation.

Es reicht jedoch nicht aus, den Zugriff auf die Ressourcen hinter der Benutzeroberfläche zur Verfügung zu stellen. Sinnvoll ist dieser nämlich erst dann, wenn er den bisherigen Arbeitsgewohnheiten der Anwender entspricht. Die Zugriffsmöglichkeiten müssen also mit der neuen, sprich: grafikorientierten, Benutzerkultur konform gehen und die bestehenden Funktionen verbessern.

Die verschiedenen Formate in der typischen DV-Umgebung, in der PCs im Einsatz sind, reicht vorn DOS-lokalen .XLS-Format für die Tabellenkalkulation über das .WRI-Format für die Textverarbeitung bis zur 3270-Applikation auf dem IBM-Host, der 5250-Anwendung auf der AS/400 oder der Oracle-Datenbank auf einem VAX-System, das über X.25-WAN angeschlossen ist.

Als Integrationsumgebung muß der PC-Client mit seiner objektorientierten Benutzeroberfläche diese Formate und die Applikationen nahtlos miteinander verbinden. Dies wird durch grafische Manipulation, Automatisierung, Verkapselung und dynamischen Datenaustausch möglich. Die Produktivitätssteigerung von Clients rührt von der dadurch erreichbar gewordenen Integration von bisher nicht eingesetzten Funktionen her. Dazu gehört vor allem auch die Öffnung der Informatikwerkzeuge für den gruppenorientierten Gebrauch.

DV-gestützte Kommunikation

Im Bereich der Kommunikation läßt sich zwischen dem Informationsaustausch der Mitarbeiter mit Hilfe der DV-Technik und der rein netztechnischen Variante unterscheiden. Dabei kommt den Netzen die Aufgabe zu, die zwischenmenschliche Kommunikation möglichst transparent zu gestalten und zu erweitern. Der traditionelle Nutzen der Vernetzung beschränkt sich dagegen auf die Zentralisierung von teuren Ressourcen, wie Drucker, und das Ablegen von Dateien.

Bei der Kommunikation von Gruppen - vor allem im Bürobereich - erlaubt die Verkoppelung von Clients untereinander sowie mit Servern den synchronisierten Zugriff auf Dokumente und andere Datenobjekte zum Zweck der Gruppenzusammenarbeit. Diese logische Verbindung von Arbeitsplätzen erschließt neuen Nutzen für die Informatikwerkzeuge, weil gruppendynamische Arbeitsprozesse mit eingebunden werden können. Mit zusätzlichen Automatisierungsmaßnahmen läßt sich darüber hinaus die Büroumgebung grundlegend reformieren.

Technische Voraussetzung für derartige Nutzenmaximierung ist der gezielte Einsatz von Kommunikationstechnologien. Schon bei der Point-to-Point-Verbindung für einfache Emulation und Filetransfer lassen sich mehrere gleichzeitige Fensterprozesse unterstützen. In einigen Fällen bietet sich auch die Verwendung von drahtlosen Medien für mobile DV (LAN-Protokoll) an. In heteregonen LAN- und WAN-Umgebungen empfiehlt sich der Einsatz der offenen OSI-Standards.

Der Hauptvorteil einer Informationsumgebung im Unternehmen mit DOS-Clients und Unix-Servern ist die Herstellerunabhängigkeit. Der Kunde kann unter einer großen Anzahl an qualitativ hochstehenden Produkten wählen, die zudem preisgünstiger als proprietäre Lösungen angeboten werden.

Die möglichen Nachteile der Heterogenität wie Mangel an Kompatibilität, Komplexität, hohe Trainingskosten und Instabilität können durch eine integrative Umgebung beseitigt werden. Direkter Zugriff aus einer DOS/Windows-Umgebung auf Applikationen

und Daten verschiedener Formate ist in der Integration gewährleistet. Dazu gehört spezifisch auch der Zugriff auf X-Windows-Applikationen auf angeschlossenen Unix-Systemen.