SIM-Systeme erleichtern Zusammenarbeit

Fünf Praxistipps für modernes Lieferantenmanagement

21.11.2016
Von 
Andreas Thonig ist Country Manager DACH bei Tradeshift und verfügt über mehr als zehn Jahre Erfahrung in den Bereichen E-Invoicing, Business Collaboration und E-Procurement. Vorher war der studierte Bankfachwirt bei SAP / Ariba als Senior Product Sales Executive sowie als Associate Director bei Lufthansa AirPlus tätig und führte als CEO die Siacon GmbH, eine Tochter der Bayern LB. Darüber hinaus ist Thonig Mitbegründer des Verbands elektronische Rechnung (VeR).
Anhand vorhandener Stammdaten liefert Supplier Information Management (SIM) Fachabteilungen und Führungskräften einen umfassenden Überblick zu sämtlichen Informationen des Lieferantenstammes.

Nutzer klassischer ERP-Systeme sind bisher vor allem Mitarbeiter im Einkauf und in der Kreditorenbuchhaltung. Doch eine effiziente Aktualisierung von Stammdaten und ein strategischer Einkauf sind für viele Unternehmen noch Zukunftsmusik. Das noch junge Konzept des Supplier Information Management (SIM) kann mit innovativen Technologien das Lieferantenmanagement modernisieren: Es setzt auf zentrale Stammdaten und bietet allen involvierten Fachabteilungen und Führungskräften einen zentralen und einheitlichen Blick auf sämtliche Informationen ihres Lieferantenstammes.

Parallel zum Stammdatenmanagement wird der Prozess des Lieferanten-Onboarding weiterentwickelt, so dass sich die Zusammenarbeit intensivieren kann. Doch SIM geht weit über den Einsatz bestimmter Technologien hinaus, denn neue Onboarding-Prozesse können den Aufbau sinnvoller Kontrollmechanismen verbessern und so die Unternehmensstrategie wirkungsvoll unterstützen. In der Praxis gibt es viele Bereiche, die sich mit einem netzwerkbasierten SIM-Ansatz sinnvoll optimieren lassen. Die wichtigsten werden im Folgenden hinsichtlich ihres Nutzens und ihrer Umsetzbarkeit in Unternehmen beleuchtet.

Informationen von Fachabteilungen zentralisieren

Die Stammdaten sämtlicher Lieferanten sind bisher meist direkt mit Anwendungen für Einkauf und Buchhaltung verbunden. Um dabei auch Compliance- und Unternehmensrichtlinien damit in Einklang zu bringen, müssen Informationen des Risk- und Compliance-Management ebenfalls berücksichtigt werden. Außerdem lassen sich Forschungs- und Entwicklungsabteilungen mit involvieren, die wiederum den Einkauf bei der Auswahl passender Partner unterstützen können. Auch Wareneingang sowie Vertrags- und Qualitätsmanagement können wertvolle Informationen zu Leistungsfähigkeit beauftragter Lieferanten beisteuern.

Beschaffung und Finanzabteilungen sollten vor dem Onboarding neuer Lieferanten gemeinsam die erforderlichen Informationen, Datenfelder und Dokumentations-anforderungen für ein Setup neuer Lieferanten definieren. Eine Checkliste hilft sicherzustellen, dass alle Bedürfnisse gleichermaßen berücksichtigt werden. Ist dies geschehen, genehmigt die Beschaffung neue Zulieferer zunächst auf Basis einer Kategorie-Strategie - die Kreditorenbuchhaltung oder ein spezielles Datenmanagement-Team fügt dann die Stammdaten hinzu. Ein automatisierter Workflow für das eigentliche Lieferanten-Onboarding versetzt Unternehmen in die Lage, Zulieferer-Anfragen über traditionelle Abteilungsgrenzen hinweg zu managen.

Effiziente Supply-Base-Strategien etablieren

Großunternehmen zentralisieren das Management von Lieferantendaten in der Praxis meist stärker als kleinere Firmen. Bei der Datenverwaltung strebt man möglichst geringe Kosten pro Aktualisierung an. Dabei gilt: Je weniger Lieferanten, desto größer sind die Chancen für die Senkung von Ausgaben und P2P-Prozesskosten durch einen SIM-Ansatz. Gleichzeitig sind Verbesserungen, wie etwa die Automatisierung von Prozessen, deutlich einfacher zu implementieren. Sämtliche Entscheidungen dazu sollten von der Beschaffung getroffen, Informationen anderer Abteilungen jedoch unbedingt einbezogen werden.

Jeder Antrag auf neue Lieferanten ist auf die entsprechende Notwendigkeit zu prüfen, insbesondere ob ein bevorzugter Partner den Bedarf nicht bereits sinnvoll abdecken kann. Für einmalige Lieferungen sollte ein Prozess definiert werden, der wenig Bürokratie erfordert, jedoch die Erfüllung grundlegender Compliance-Anforderungen sicherstellt. Wird ein Zulieferer erneut beauftragt, kann er einen regulären Onboarding-Prozess durchlaufen. Professionelles Lieferantenmanagement sollte Genehmigungsprozesse beschleunigen und eine Überwachung einmaliger Lieferanten erlauben - und bei Bedarf automatisch zusätzliche Onboarding-Aktivitäten auslösen.

Teure Störungen der Lieferkette vermeiden

Effektives Risikomanagement hilft dabei, eine Unterbrechung der Lieferkette durch unerwartete Ereignisse zu verhindern beziehungsweise Reputationsrisiken durch unethisches Verhalten Dritter zu erkennen. Unternehmen sollten deshalb anhand definierter Risikoprofile systematische Screenings ihrer Lieferanten durchführen. Darüber hinaus müssen sie sicherstellen, dass neue Lieferanten auch alle notwendigen Compliance-Anforderungen erfüllen. Dazu gehört beispielsweise ein Check, ob sie auf Sanktions- oder Verbotslisten geführt werden, gesetzliche Dokumentationsanforderungen erfüllen oder weitere branchenspezifischen Zertifizierungen erhalten haben.

Die Herausforderung dabei: Da die meisten Unternehmen mittlerweile global agieren, wird auch die Lieferantenbasis internationaler und damit das Risikomanagement stetig komplexer. Vor allem bei Unternehmen, deren Lieferanten-Onboarding bisher eher inkonsistent organisiert ist, kann nur konsequente Automatisierung zu einem verbesserten Risiko- und Compliance-Management führen. Moderne SIM-Plattformen bieten unter anderem eine Echtzeit-Validierung von Informationen über Datenbanken von Drittanbietern, sodass stets die Einhaltung von Vorschriften - wie beispielsweise des Foreign Corrupt Practices Act (FCPA) - gewährleistet ist. Dies reduziert den manuellen Aufwand für das Datenmanagement-Team erheblich. Zudem können wichtige Screenings im laufenden Alltagsgeschäft stattfinden. Tauchen Lieferanten oder ihre Subunternehmen plötzlich auf einer Sanktions- oder Verbotsliste auf, lassen sich schnell Risiko senkende Maßnahmen ergreifen.

Eine wirksame SIM-Strategie beginnt mit einer klaren Definition welche Risikofaktoren zentral zu verwalten sind. Gleichzeitig sollte festgelegt werden, wie detailliert die Zulieferer zu bewerten sind. Da die Risikoprofile jedoch nicht immer rein ausgabenbasiert sind, sollten Unternehmen dringend über eine Automatisierung des Onboarding-Prozesses nachdenken. Dazu ist eine Lösung in Betracht zu ziehen, die auch kleinere Partner abdeckt - und eine eigenständige Aktualisierung von Stammdaten möglich macht.

Vernetzte Purchase-to-Pay-Kanäle schaffen

Großunternehmen haben in aller Regel sehr klare Vorstellungen darüber, wie sie einkaufen, Rechnungen erhalten und ihre Lieferanten bezahlen wollen. Sie definieren ihre P2P-Kanäle nach Ausgabenkategorien und leiten anfordernde Mitarbeiter durch einen gut definierten Prozess. Um dieses Maß an Disziplin zu erhalten, muss das Setup neuer Anbieter konsequent innerhalb der definierten Kanäle erfolgen. Dies erfordert oftmals zusätzliche Aktivitäten wie die Einrichtung von E-Katalogen, das Aufsetzen von Purchasing-Cards sowie das schnelle und rechtssichere Onboarding in ein bestehendes E-Invoicing-System.

Die größte Effizienz wird in diesen Bereichen von Technologien erreicht, die Buy-Pay-Kanäle über den gesamten Procure-to-Pay-Prozess effizient miteinander vernetzen. Ein Beispiel dafür ist das gleichzeitige Onboarding von Lieferanten in Systeme für E-Procurement und E-Invoicing. Unternehmen ohne fest definierte Buy-Pay-Kanäle sollten neue Lieferanten mit einem möglichst schlanken Prozess an Bord holen und sie gleichzeitig motivieren, E-Kataloge und elektronische Rechnungen anstelle manueller Verfahren zu nutzen.

Working-Capital-Strategie unterstützen

Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, wie Einkaufsprozesse zu einem besseren Cash-Flow beitragen können - viele davon lassen sich bereits beim Onboarding von Lieferanten anstoßen. Beispielsweise können Zahlungsbedingungen ausgehandelt und so eingerichtet werden, dass sie zur Strategie des Unternehmens passen. Großunternehmen sind sich ihrer Finanzziele meist genau bewusst und entwickeln eine darauf abgestimmte Zahlungsstrategie. Diese sollte in den Onboarding-Prozess integriert werden. Moderne SIM-Plattformen geben Entscheidern die notwendige Flexibilität, um Lieferantenbeziehungen im Hinblick auf die eigene Zahlungsstrategie aktiv zu gestalten. Das bedeutet im Klartext: Unternehmen erhalten mehr Kontrolle darüber, wann und wie sie ihre Zulieferer bezahlen.

Durch eine Übersicht bestehender Konditionen nebst Bezahl- und Performance-Historie sind Einkäufer in der Lage, bessere Zahlungsvereinbarungen mit ihren Partnern auszuhandeln. Dabei gilt es zu beachten, dass Cash-Management-Taktiken, wie beispielsweise das Dynamic Discounting, zwingend einen automatisierten Rechnungsprozess erfordern und mit klassischen Papierrechnungen kaum wirtschaftlich sinnvoll realisierbar wären. Einkauf und Kreditorenbuchhaltung müssen im Vorfeld des eigentlichen Lieferanten-Onboarding eng zusammenarbeiten, sodass die Zahlungsanforderungen an neue Partner klar vorbereitet werden und vertragsreif vorliegen.

Fazit

Die immer weiter fortschreitende Technik der SIM-Lösungen macht es für Unternehmen leichter, Lieferantenmanagement über das reine Onboarding hinaus für ein kontinuierliches Performance-, Compliance- und Risk-Management zu nutzen. Da jedoch die Komplexität der zu verwaltenden Informationen stetig weiter steigt, sind Unternehmen auf effektive Entscheidungshilfen angewiesen. Die dazu notwendige Technologie ist inzwischen reif genug, um einen durchgängigen Informationsfluss und echte Kollaboration zwischen Unternehmen und Zulieferern zu unterstützen. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, ist es jedoch notwendig, den Onboarding-Prozess und die für das Lieferantenmanagement verwendeten Technologien kontinuierlich im Auge zu behalten und bei Bedarf zeitnah anzupassen.