Escrow-Verträge: Sourcecode im Safe

20.08.2002
Von 
Alexander Freimark wechselte 2009 von der Redaktion der Computerwoche in die Freiberuflichkeit. Er schreibt für Medien und Unternehmen, sein Auftragsschwerpunkt liegt im Corporate Publishing. Dabei stehen technologische Innovationen im Fokus, aber auch der Wandel von Organisationen, Märkten und Menschen.

Allerdings ist es mit der Übergabe des reinen Quellcodes im Fall der Insolvenz des Lieferanten nicht getan. Neben dem passenden Compiler und der Dokumentation kann es im Idealfall nicht schaden, auch noch einige Entwickler vom Softwarehaus abzuwerben, denn: „Es dauert Monate, bis sich jemand in den Sourcecode eingearbeitet hat“, berichtet CPG-Chef Wegmann.

Albert Hemmerle kennt die Escrow-Materie von beiden Seiten, als Anbieter und als Anwender. Schließlich müssten auch seine Kunden als Wiederverkäufer ihre Wartungsverpflichtungen erfüllen, schildert der Contract-Manager des Münchner IT-Unternehmens Softlab. Hemmerle schätzt das Niveau des deutschen Escrow-Marktes gegenwärtig als „niedrig“ ein, verlangt derartige Klauseln aber auch von seinen Lieferanten. Die IT-Tochter von BMW nutzt Escrow seit mehr als fünf Jahren - als „letzter Rettungsanker“, um sich im Fall eines Bankrotts selbst helfen zu können. Es gibt Fälle, so Hemmerle, in denen man nicht mehr ohne Escrow auskommt, weil das Risiko letztlich zu groß sei.

Die Unwissenheit vieler Anwender ist für Norbert Ritz von Escrow Europe, Düsseldorf, einer der Hauptgründe, wieso sich der Service hierzulande nur schleppend entwickelt hat: „Das Produkt ist ähnlich erklärungsbedürftig wie ein schwieriger Versicherungsvertrag.“ Angesichts der Sparwelle fragen sich seiner Meinung nach überdies viele Kunden, ob sie den Dienst überhaupt benötigen oder lieber das Risiko tragen wollen. Wer jedoch ein gültiges Abkommen getroffen hat, kann sich zumeist glücklich schätzen. Nach der Pleite des Softwareanbieters Brokat „standen die Anwender sofort auf der Matte“, erinnert sich Ritz.

Allerdings gibt es auch Situationen, in denen Escrow nicht greift. Im vergangenen Jahr ging das britische Softwarehaus QSP Pleite, das für seine Programme ein Escrow-Abkommen offerierte. Rund ein Viertel der Kunden hatten englischen Presseberichten zufolge jedoch schlicht vergessen, einen entsprechenden Vertrag aufzusetzen. Sie waren davon ausgegangen, dass die Klausel im Lizenzvertrag bereits ausreicht, um den Sourcecode zu erhalten.