Escrow-Verträge: Sourcecode im Safe

20.08.2002
Von 
Alexander Freimark wechselte 2009 von der Redaktion der Computerwoche in die Freiberuflichkeit. Er schreibt für Medien und Unternehmen, sein Auftragsschwerpunkt liegt im Corporate Publishing. Dabei stehen technologische Innovationen im Fokus, aber auch der Wandel von Organisationen, Märkten und Menschen.

Ab 80.000 Euro Lizenzgebühren lohne es sich, über die Hinterlegung des Quellcodes bei einer Agentur nachzudenken, sagt Deposix-Geschäftsführer Peters. Wenn die Software dann noch kritische Prozesse des Unternehmens steuert und mehr als 50 Nutzer auf das Tool zugreifen, sollte spätestens die Entscheidung für ein Escrow-Abkommen gefallen sein. Die Preise selbst halten sich in Grenzen und sind auf einschlägigen Websites nachzulesen: Die Jahresgebühr beginnt bei einigen hundert Euro, für Sonderwünsche im Vertrag werden je nach Agentur Extrakosten berechnet.

Der Markt für derartige Dienste war schon immer vorhanden, sagt Volker Siegel von NCC Escrow International. Auch der Rechtsanwalt der Münchner  Agentur hat eine steigende Nachfrage in Deutschland bemerkt, will dies jedoch nicht allein auf die Pleitewelle schieben. Generell nehme das Sicherheitsbedürfnis auf Seiten der Anwender zu. Angeheizt wird der Trend durch den Umstand, dass inzwischen auch viele Softwarelieferanten das Thema für sich entdeckt haben: „Wir spüren einen zunehmenden Bedarf von beiden Seiten“, berichtet Siegel.

Neue Verkaufsargumente

In der Tat sind nicht nur die Anwender vermehrt auf den Escrow-Zug aufgesprungen, auch die Softwarehersteller haben die „Sicherheit“ des Quellcodes als Verkaufsargument entdeckt. So ließ die Münchner Ixos AG ihre „Econ-Solution-Suite“ von einer Agentur komplett auf der höchsten Escrow-Stufe zertifizieren, wofür der Dienstleister sogar ins Haus kam, um alles zu inspizieren: „Früher war Escrow höchstens nice to have, inzwischen ist es für einige Kunden ein ausschlaggebendes Kriterium geworden“, sagt Ioannis Blume, Produkt-Manager von Ixos. Für Hersteller hat Escrow zudem einen positiven Nebeneffekt: Programmierer schützen sich damit auch gegen die häufig vorgetragene Forderung einflussreicher Abnehmer, bei Abschluss eines Lizenzvertrags den Quellcode gleich zusammen mit dem Objektcode zu übergeben - ein Ansinnen, das nicht nur von Blume entschieden abgelehnt wird.

Auch Reinhold Wegmann, Geschäftsführer des Münchner Softwareanbieters CPG, würde niemals „ohne Druck“ den Sourcecode aus dem Haus geben; daher hat sich die Company ebenfalls für die Hinterlegung entschieden. Der Schritt sei als „vertrauensbildende Maßnahme“ zu verstehen. Der Spezialist für Bankensoftware war im letzten Jahr verkauft worden, was „Nervosität“ bei einigen Kunden hervorgerufen hat. Nun soll auch mittels Escrow die alte Vertrauensbasis wiederhergestellt werden: „Ich halte das für eine Selbstverständlichkeit“, argumentiert Wegmann, der für eine Partnerschaft zwischen Lieferanten und Abnehmer plädiert, „damit die Kunden nicht im Regen stehen bleiben.“

Der reine Quellcode reicht nicht