ERP als digitale Verhandlungsmasse

24.02.2003
Von Norbert Hilger

Häufig stellen sich die wirklichen Kosten zu spät heraus

Bei einem Verkauf wird um die Übergabe der ERP-Daten und des Systems verhandelt. Es gibt mehrere Möglichkeiten, damit umzugehen: Sind die Verhandlungspartner direkte Konkurrenten, müssen nicht nur die Daten der übrigen Unternehmensbereiche entfernt, sondern auch die Prozesse des Verkäufers unkenntlich gemacht werden. Ein Projekt, das bis zu einem dreiviertel Jahr dauern kann und Abteilungen in allen Unternehmensbereichen einschließt. Will der Käufer das System wiederum an sein eigenes anbinden, ist der Aufwand noch wesentlich höher. Die reine Entflechtung der Inhalte hingegen dauert nur zirka zwei bis sechs Monate. Allerdings lassen sich die Geschäftsprozesse dann immer noch anhand des ERP-Systems ablesen. Dieser Weg ist also nur zu empfehlen, wenn sich der Verkäufer aus einem Markt zurückzieht.

Prioritäten der Verkäuferseite Der Anbieter muss seine Daten schützen. Wird ein SAP-System einfach „abgeklemmt“, enthält es alle sensiblen Daten zum Beispiel zu Betriebsergebnis, Kosten oder Einkauf. Ist der Bereich verkauft, verliert das Unternehmen die Kontrolle über diese Informationen. Das gilt nicht allein für die Inhalte der ERP-Datenbanken, sondern auch für Struktur und Aufbau des Systems. Selbst mit einem „leeren“ System kann der Wettbewerb viel anfangen. Kennt er zum Beispiel den genauen Produktionsprozess, kann er den Marktgegner in diesem Bereich gezielt unterbieten. Achtung Auskunftspflicht: Der Verkäufer muss alle Daten über den verkauften Unternehmensteil bis zur Übergabe an den Käufer für zukünftige Kontrollen durch Wirtschaftsprüfer bereithalten. Dies bedeutet einen exakten und genauen Abschluss des Systems bis zur Übergabe und eine Sicherung dieses Standes in einem Umfeld, das dem Wirtschaftsprüfer die Möglichkeit

einer späteren Prüfung gibt.

Häufig sind die Kosten und Zeiträume für eine Umrüstung zur Zeit der Vertragsverhandlungen noch nicht bekannt. Es wird also über Werte verhandelt, die sich im Nachhinein als Kostenbumerang entpuppen können. Frühzeitige Analyse und Planung sind erforderlich: Wichtige Eckpunkte sind hier die saubere und umfassende Identifizierung aller Kostenstrukturen. Dann gilt es, die Konsequenzen des Verkaufs beziehungsweise Kaufs für die internen Unternehmensstrukturen abzuleiten. Im Idealfall beginnt man mit der Entflechtung der unterschiedlichen IT-Systeme sofort nach dem Entschluss, einen Unternehmensteil auszugrenzen. Das erhöht die finanzielle Sicherheit bei der Verhandlung. Außerdem steigt die Attraktivität für den Käufer. Ein Faktor, der einen wichtigen Zeitvorteil bedeuten kann.

Verkaufsverhandlung positiv beeinflussen