Migration mit Partnern

Ericssons großer Cloud-Drang

01.09.2023
Von 
Karin Lindström schreibt unter anderem für unsere Schwesterpublikation CIO Sweden.
Ericsson setzte sich vor drei Jahren das ehrgeizige Ziel, 80 Prozent seiner Anwendungen in die Cloud zu überführen. Das hat der Konzern übertroffen - womit die Arbeit allerdings noch nicht getan ist.
Ericssons Cloud-Migration war ein komplexes Großprojekt - bei dem Geschwindigkeit ein entscheidender Erfolgsfaktor war - respektive ist.
Ericssons Cloud-Migration war ein komplexes Großprojekt - bei dem Geschwindigkeit ein entscheidender Erfolgsfaktor war - respektive ist.
Foto: JHVEPhoto - shutterstock.com

Kurz nachdem Mats Hultin - ehemals CIO bei Saab - im Jahr 2019 die Rolle des Group CIO bei Ericsson übernommen hatte, entschied sich der Konzern dazu, seine Outsourcing-Verträge genau unter die Lupe zu nehmen. Parallel drängte das Cloud-Team unter der Leitung von Johan Sporre Lennberg, VP Cloud Service, auf Modernisierung und eine klare Cloud-Strategie für die Zukunft.

"Wir haben uns dazu entschieden, die Auswahl neuer Partner mit dem Übergang zur Cloud zu kombinieren und uns intensiv mit der Frage auseinanderzusetzen, wie eine moderne Kooperationsstruktur aussehen kann", erklärt Hultin und führt aus: "Dabei war uns klar, dass wir einen Cloud-Partner brauchen, der sich um Systemintegration und Infrastruktur kümmert, während unsere Rolle darin bestehen sollte, das Ökosystem zusammenzuhalten."

In der Konsequenz initiierte Ericsson einen langen und gründlichen Sourcing-Prozess, um zu ermitteln, wie das Modell aussehen sollte, welche Anforderungen die verschiedenen Partner erfüllen müssen - und dabei alle wichtigen Systemintegratoren miteinzubeziehen: "Auf diese Weise konnten wir uns inspirieren lassen und gleichzeitig unser endgültiges Modell mitgestalten - es war also eine Co-Kreation", berichtet der IT-Entscheider.

Mehr als zehn potenzielle Partner waren an diesem Prozess beteiligt, letztlich fiel die Wahl von Ericsson jedoch auf den globalen IT-Dienstleister HCL Technologies. Als es dann an der Zeit war, die Kooperation in die Wege zu leiten und den großangelegten Move in die Cloud anzustoßen, brach die Corona-Pandemie aus. Das hatte Folgen für die Planung, wie sich Lennberg erinnert: "Aus 'wie machen wir das' wurde so schnell 'wie schnell können wir das machen'."

Schnelligkeit entpuppte sich für Ericsson jedoch nicht nur als entscheidender Faktor für die Cloud-Migration. Der Konzern hat zügig erkannt, dass Speed auch entscheidend ist, um Zugang zu neuen Technologien sicherzustellen, Einnahmen zu generieren und wenn es darum geht, Infrastruktur zu implementieren.

Cloud-Vorarbeit und Migrationsfrüchte

Parallel zum Beschaffungsprozess musste weitere Vorarbeit geleistet werden, um Ericssons Weg in die Cloud zu ebnen. Dabei ging es vor allem um Risiken, ein solides Informationsmanagement und Compliance. Deswegen wurde der gesamte Prozess auch kontinuierlich von einem Review-Team überprüft, das sich eingehend mit den kommerziellen und rechtlichen Aspekten des Vorhabens befasste.

Auf kultureller Seite legte Ericsson jedoch schon früh den Grundstein, um den Change zu bewältigen, wie Lennberg preisgibt: "Wir hatten agile Arbeitsmethoden und eine agile Produktion schon eingeführt, bevor wir die Zusammenarbeit mit unseren Dienstleistern aufgenommen haben. Hätten wir das nicht getan, wäre die Organisation nicht für neue Arbeitsweisen, Richtlinien und Prozesse bereit gewesen."

Die Zielsetzung, 80 Prozent der Systeme in die Cloud zu verlagern, wurde dabei ganz bewusst gewählt: "Wir haben uns dieses Ziel gesetzt, damit jeder die richtige Einstellung hat und wir die etablierten Prozesse und die Kultur in Frage stellen. Dabei wussten wir ziemlich genau, wie das Potenzial aussieht, weil wir Testläufe mit verschiedenen Anbietern durchgeführt haben. In diesem Rahmen haben wir festgestellt, dass 80 Prozent realistisch sind."

Inzwischen befinden sich über 90 Prozent aller Applikationen von Ericsson in der Public Cloud. Dabei entstanden rund 30 Prozent der Anwendungen neu, circa 20 Prozent wurden eingestellt. Die übrigen zehn Prozent, die On-Premises verbleiben, sind laut Lennberg auf rechtliche Bestimmungen oder technische Schulden zurückzuführen.

In Sachen Cloud setzt Ericsson auf alle drei Hyperscaler (Microsoft, AWS und Google Cloud). Die interne IT-Abteilung konsumiert etwa die Hälfte der Anwendungen, die andere Hälfte wird außerhalb des Unternehmens genutzt. Ein wichtiges Thema ist Kostenkontrolle, weil Ressourcen und Tools einfach zugänglich sind. "In der Vergangenheit lag die Verantwortung für die Kostenkontrolle bei den Infrastrukturteams, jetzt liegt sie bei den operativen Abteilungen - das erfordert viel Management", erklärt CIO Hultin.

Ein wesentlicher Teil der Cloud-Migration bestand darin, Ericssons SAP-Umgebung in die Cloud zu verlagern - ein Vorhaben das alleine etwa sechs Monate in Anspruch nahm. Lennberg erklärt, warum: "Unsere SAP-Umgebung ist eine der größten und komplexesten der Welt, daher war das ein gewaltiger Schritt." Hultin fügt hinzu: "Die aktive Zusammenarbeit mit Spezialisten war an dieser Stelle ein Erfolgsfaktor. Und wir wussten, dass SAP in der AWS-Cloud gut funktioniert."

Speed-haltiges Erfolgsmodell

CIO Hultin ist davon überzeugt, dass die schnelle Migration nach dem Vorbild Ericsson ein Erfolgsmodell ist: "Wir haben nicht zugelassen, dass mit alternativen Infrastrukturstrategien herumgebastelt wird. Alles kann viel schneller erledigt werden, als man denkt. Wir haben einen strengen Zeitplan aufgestellt und energisch gearbeitet. Wenn allerdings mehr als 50 Prozent in die Cloud verlagert werden, verändert sich die gesamte IT-Organisation. Ich bin davon überzeugt, dass der Prozess nur schmerzhafter wird, je länger man ihn hinauszögert."

Eine weitere Lesson Learned für den IT-Entscheider: Kostensenkungen sollten nicht alleiniger Treiber großer Migrationsinitiativen sein: "Es gab natürlich auch das Bestreben, Kosten zu senken, aber wir haben unseren Blick mehr auf das große Ganze gerichtet. Das Geschäft in der Cloud ist wesentlich kohärenter, weil IT und Business auf neue Art und Weise synchronisiert sind.

Mit Blick auf die Kosten sei der einfache Zugang zu Infrastruktur und Tools ein wesentlicher Vorteil: "Wenn neue Technologien auftauchen, wie etwa Generative AI, können wir diese sofort nutzen und profitieren dabei von den Investitionen unserer Cloud-Anbieter. Das spart Millionen für eigene Entwicklungen - dem ist schwerlich etwas entgegenzusetzen."

Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation CIO.com.