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Einsatz für Innovation

13.02.2003
Von Hans-Jörg Bullinger

Von der Behörde zum Unternehmen Bullingers Vorgänger als Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft und sein Doktorvater war Hans-Jürgen Warnecke, der neun Jahre am Münchner Leonrodplatz die Geschäfte der Gesellschaft führte. Rückblickend nennt Warnecke drei Tätigkeitsfelder, um seine Arbeit an der Spitze zu beschreiben: „die Einführung des Corporate Design, die Bildung von Verbünden und die Steigerung der Wirtschaftserträge.“ Bereits kurz nachdem er am 1. Oktober 1993 das Präsidentenamt antrat, verordnete er allen Instituten ein einheitliches Erscheinungsbild, was das Zugehörigkeitsgefühl der Mitarbeiter mit der Gesamt-organisation steigern sollte. Mit der Bildung von Verbünden meinte er, die wissenschaftliche Kompetenz für disziplinübergreifende Forschungen zu nutzen und der Wirtschaft Systemlösungen aus einer Hand zu liefern. Grundidee war es, seine Institute zu vernetzen. Einer der größten Verbünde ist die Informations- und Kommunikationstechnik. Als die Fraunhofer-Gesellschaft 2001 mit der Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung (GMD), Sankt Augustin, fusionierte, mussten acht GMD-Institute mit der Fraunhofer-IT verknüpft werden, so dass das Gesamtsystem nun 15 Forschungshäuser umfasst. Drittes Ziel war, aus der Behörde ein Unternehmen zu machen und die finanzielle Abhängigkeit vom Bund durch Projekte mit Unternehmen zu verkleinern.

Als Praktikant auf der Werft Warnecke studierte Maschinenbau an der TH Braunschweig. 1963 promovierte er und ging danach in die Industrie. 1971 zog es ihn wieder in die Wissenschaft und er wurde Professor und Inhaber des Lehrstuhls für industrielle Fertigung und Fabrikbetrieb der Universität Stuttgart sowie Leiter des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA).

Die Schifffahrt ist Warneckes Leidenschaft, sie war schon sein Kindheitstraum. Während seines Studiums arbeitete er auf zwei Werften als Praktikant. Sein erstes großes Seefahrer-Abenteuer erlebte er auf einem „Bananendampfer“ nach Ecuador. Später hat er das Handelsschiff in mühevoller Kleinarbeit in seiner Werkstatt in Weil der Stadt nachgebaut und es wie rund 50 andere Schiffe in einem Glaskasten ausgestellt.

Einer der FhG-Institutsleiter ist José Luis En-carnaçao. Er arbeitet seit 1975 als Professor für In-formatik an der TU Darmstadt, leitet dort das Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverar-beitung und steht der INI-Graphicsnet-Stiftung vor, ausführlich dem International Network of In-stitutions for Advanced Education, Training and R&D in Computer Graphics Technology, Systems and Applications. Die Forscher dieser Einrichtung konzentrieren sich auf die neuen Medien und Kommunikationsformen.

Encarnaçao ist Chef über 900 Mitarbeiter an den Standorten Darmstadt, Frankfurt am Main, Rostock, Guimares (Portugal), Providence (USA), Singapur, San Sebastian, Seoul und Trento, die Forschungen von über 40 Millionen Euro Auftragswert leisten. Der promovierte Elektroingeni-eur begann seine wissenschaftliche Laufbahn in Berlin und spezialisierte sich früh auf das Gebiet der Computergrafik, auf dem er weltweit zu den angesehensten Wissenschaftlern zählt. Mittlerweile kommt er auf über 500 Veröffentlichungen und Fachaufsätze zu seinem Thema. Sein wichtigstes berufliches Ziel ist es, die Durchsetzung der grafischen Datenverarbeitung als „zukunftsweisende Ermöglichungs-Technologie und Disziplin“. Er wünscht sich von den deutschen Wissenschaftlern mehr Selbstbewusstsein, damit sie nicht ständig den US-Entwicklungen folgen. „Wir sollten uns auf die Stärken unserer Industrie und unserer Forschung besinnen sowie auf die Besonderheiten unseres Marktes und proaktiv Zeichen setzen.“

Zu entspannen versucht sich der vielbeschäftigte Forschungs-Manager mit Lesen und Schrei-ben. Er mag Sportsendungen im Fernsehen, und vor allem spielt er gern mit seinen Enkeln und seinem Hund. Als Lektüre zum Jahresende empfiehlt der Professor Jeremy Rifkins Buch „Access - Das Verschwinden des Eigentums“ und Steven Spielbergs „Schindlers Liste“ als Film.

Foto: Fraunhofer Institut

Entspannung beim Wandern Vierter in der Fraunhofer-Runde ist Dennis Tsichritzis. Der Pro-fessor leitete zehn Jahre lang, von 1991 bis 2001, Deutschlands größte wissenschaftliche Informatikeinrichtung, die GMD, die nun in die Fraunhofer-Gesellschaft integriert ist und sich damit als Europas größte IT-Forschungseinrichtung sieht. Beim Zusammenschluss prallte die Welt der GMD-Grundlagenforscher teilweise mit der der anwendungsorientierten Wissenschaftler aufeinander. Auf die Frage: „Welche Erfahrung würden Sie nicht mehr machen wollen?“, antwortet Tsichritzis ehrlich: „Fusionen“. Heute ist er im Fraunhofer-Vorstand zuständig für das Thema Wissens-Management sowie Startups und Beteiligungen.

Tsichritzis wird 1943 in Athen geboren und schließt 1965 in seiner Geburtsstadt das Elektrotechnik-Studium ab. Er wechselt dann nach Princeton, wo er seinen Doktorhut (PhD) erwirbt und wird 1968 Professor für Computer Science an der Universität Toronto. 1985 übernimmt er eine Professur für Wirtschaftsinformatik an der Universität in Genf, sechs Jahre später wird er GMD-Chef.

Am liebsten entspannt sich der Informatiker bei Wanderungen; zudem sammelt er gerne Anti-quitäten. Gut gefallen hat ihm in letzter Zeit die Biografie von Dschingis Khan.

20 000 Projekte weltweit Stark der anwenderorientierten Forschung hat sich auch die Steinbeis-Stiftung für Wirtschaftsförderung in Stuttgart verschrieben. Deren Vorstandsvorsitzender, Johann Löhn, verkörpert wie kaum ein Zweiter das Bild des Forschungs-Managers. Weltweit hält der Informatikprofessor Vorträge über den Innovationsstandort Deutschland, lobt dessen Vorzüge bezüglich Ausbildung und Infrastruktur und stellt das Modell seiner Stiftung als zukunftsweisend vor. Die Steinbeis-Stiftung wurde 1971 gegründet mit der Idee, eine zentrale Dienstleistungseinrichtung zur Vermittlung von Know-how an die mittelstän-dische Industrie zu schaffen.

1982 wurde die Funktion des Regierungsbeauftragten für Technologietransfer in Baden-Würt-temberg eingerichtet. Da die inhaltliche Arbeit dieses Regierungsbeauftragten mit der Intention der Stiftung übereinstimmte, bot sich eine Zusammenarbeit an, und Löhn übernahm beide Aufgaben. Heute existieren rund 450 Transferzentren, die 3500 Mitarbeiter (angestellt und projektbezogen) beschäftigen. Rund 7000 vor allem kleine und mittelständische Unternehmen haben die Stiftung für 20 000 Projekte bezahlt. Schwerpunkte der Arbeit sind Informationstechnik, Automatisierung, Elektronik sowie Management- und Qualitätsberatung.

Besonders stolz ist Löhn darauf, dass er jedes Jahr bis zu 30 Zentren schließt, aber mehr neue eröffnet. „Dies zeigt die rasche Reaktionsfähigkeit der Stiftung auf das Marktgeschehen.“ Löhn erzählt, dass die Idee dieser Stiftung auch außerhalb Deutschlands auf große Resonanz stoße, immerhin sei man in 42 Ländern präsent. Sein unbürokratisches Wirtschaftsfördersystem scheitere allerdings oft an „unflexiblen Verwaltungen in Konzern- und Staatshierarchien“.

Löhn studierte Physik an der Universität Hamburg und promovierte 1969 zum Dr. rer. nat. Bis 1972 arbeitete er als Assistent und war auch in der Industrie tätig. Im selben Jahr wurde er als Informatikprofessor an die FH Furtwangen berufen, vier Jahre später dann zum Rektor ernannt.

Eine kleinere Einrichtung zu führen, aber ebenso den Auftrag, wirtschaftsnah zu forschen, hat Wolfgang Wahlster. Er ist wissenschaftlicher Leiter und Vorsitzender der Geschäftsführung des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) mit Sitz in Kaiserslautern und Saarbrücken. Zudem unterrichtet er an der Universität Saarbrücken. Vor zwei Jahren erhielt er den renommierten Karl-Heinz-Beckurts-Preis für seine „herausragenden Leistungen auf dem Gebiet der Sprachtechnologie, die auf einer engen Verbindung von Informatik und Linguistik“ basieren. Und weiter heißt es: „Seine richtungsweisenden Arbeiten haben die Mensch-Technik-Interaktion für den Endanwender vereinfacht und verbessert.“ Als Bestätigung für seine Arbeit bekam er ein Jahr darauf den vom Bundespräsidenten mit 250 000 Euro dotierten Deutschen Zukunftspreis.

Wahlster ist verheiratet und hat zwei Kinder. In seiner Freizeit bewegt er sich gern, fährt Ski, spielt Tennis und Golf und und liebt das Tanzen. Seine Buchempfehlung lautet: „Informatics - 10 Years Back - 10 Years Ahead“, herausgegeben von Reinhard Wilhelm im Springer Verlag.

Foto: Max-Planck-Institut

Weniger anwendungsnah forscht Hans-Peter Seidel vom Max-Planck-Institut für Informatik. Er ist dort wissenschaftlicher Direktor und Leiter der Arbeitsgruppe Computergrafik sowie Informatikprofessor an der Universität des Saarlandes. Die Max-Planck-Gesellschaft hat sich mit ihren Wissenschaftlern der Grundlagenforschung in den Natur-, Bio- und Geisteswissenschaften verschrieben.

Internationale Spitzenforschung Vor seinem Wechsel an das Max-Planck-Institut leitete Seidel von 1992 bis 1999 den Lehrstuhl für grafische Datenverarbeitung an der Universität Erlangen-Nürnberg. Er ist Mitherausgeber einiger wissenschaftlicher Computerzeitschriften und sitzt im Programmkomitee verschiedener internationaler Fachtagungen. Seidels Ziel ist es, „internationale Spitzenforschung in der Informatik“ zu betreiben. Auch wenn er sich der Grundlagenforschung verschrieben hat, wünscht er sich trotzdem eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Industrie und Hochschule, die in Deutschland noch immer zu schwach ausgeprägt sei.

Seidel ist verheiratet und hat zwei Kinder. In der Freizeit entspannt er sich mit Lesen, Sport und Musik. Gut gefallen hat ihm in letzter Zeit das Buch von Michael Blumenthal „Die unsichtbare Mauer“. Mit seinen Kindern hat er sich den Film „Stuart Little 2“ angeschaut.