E-Government ist ein schwieriges Geschäft

09.10.2003
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Alexander Freimark wechselte 2009 von der Redaktion der Computerwoche in die Freiberuflichkeit. Er schreibt für Medien und Unternehmen, sein Auftragsschwerpunkt liegt im Corporate Publishing. Dabei stehen technologische Innovationen im Fokus, aber auch der Wandel von Organisationen, Märkten und Menschen.

Doch die Zeiten ändern sich, wenn auch häufig mit der den Ämtern nachgesagten Gelassenheit. Forciert wird die Öffnung durch eine schleichende Veränderung der Verwaltung von Behörden zu Dienstleistern, aber vor allem durch den Zwang der IT-Anbieter, neue Kunden aufzuspüren. Hier wurde zuerst der Mittelstand entdeckt, zunehmend aber auch die öffentliche Hand. Es sei bezeichend für die aktuelle Situation der IT-Branche, dass Projekte des Bundes, der Länder und Gemeinden von Anbietern inzwischen als "interessant" bezeichnet werden, spöttelte August-Wilhelm Scheer bereits Anfang des Jahres: "Dabei ist der Staat nicht gerade als besonders guter Auftraggeber bekannt."

Jedoch wird der so genannte Public Sector zunehmend als werbewirksames Betätigungsfeld angesehen, als eine Art neutraler Referenzkunde mit integrierter Publizitätsgarantie. Gerade Microsoft und die Open-Source-Fraktion unter Führung von IBM vermarkten jeden kommunalen Deal, den sie dem Wettbewerber vor der Nase wegschnappen konnten - Hauptsache, der Fuß steht in der Tür der Behörde.

Aber auch personell tut sich viel: Für Microsoft soll der ehemalige Berliner Wirtschafts- und Technologiesenator Wolfgang Branoner Bundesaufträge einsammeln, Cisco hat einen Regierungsdirektor a.D. in der Hauptstadt als Berater engagiert, die Meta Group rief im August in Deutschland einen neuen Advisory-Service für E-Government ins Leben. Die GFT AG hat ihren Finanzchef Markus Kerber aus dem Vorstand entlassen, damit er künftig in Berlin "politische Beratungstätigkeiten" wahrnehmen kann.

Im "Haifischbecken! Die Zeiten, in denen Geschäfte mit der öffentlichen Hand eine gemütliche Angelegenheit waren, sind Geschichte - mittlerweile gleiche auch dieser Markt häufig einem "Haifischbecken", berichtet Bernd Felder, Projekt-Manager bei Mummert Consulting. Als IT-Trends der öffentlichen Hand bezeichnet er Projekte für das Dokumenten-Management sowie Systeme für die Vorgangsbearbeitung. Gefragt seien auch E-Government-Anwendungen mit einer "hohen Kosten-Nutzen-Relation", etwa für den Datenaustausch mit der Privatwirtschaft oder der Verwaltung untereinander. Gerade in letzterem Fall steht eine Harmonisierung der verschiedensten IT-Landschaften an. "Die Rahmenbedingungen sind etwas schwieriger als in der Wirtschaft", bilanziert Felder, "aber wenn man sie kennt, ist E-Government ein interessanter Markt."

Lobby-Arbeit zahlt sich aus

Auch die Linux-Company Red Hat verstärkte unlängst ihr Engagement im öffentlichen Sektor und stellte Daniel Riek, seit Jahren im Vorstand des Linux-Verbands Live, als Vertriebler für den Bereich ein. Ein Grund: "Die großen, proprietären Hersteller betreiben gegenwärtig eine massive Lobby-Arbeit im Public Sector", hat Riek festgestellt. Die öffentliche Hand hält auch er für ein "hochinteressantes" Segment, da Linux sich dort sinnvoll nutzen lasse. Hilfreich kommt hinzu, dass die Ausgaben der öffentlichen Hand in der letzten Zeit zwar unter Druck geraten, aber nicht wie in der Industrie zusammengebrochen sind. Im Gegensatz zu einem rückläufigen Gesamtmarkt stiegen die IT-Aufwendungen der Behörden laut Julia Reichhart, Beraterin bei Pierre Audoin Consultants (PAC), zuletzt sogar um einige Prozent an.