GUUG-Jahrestagung: Die Öffnung der Unix-Gemeinde

Die Kommerzialisierung von Unix läuft jetzt auf vollen Touren

09.10.1992

WEISBADEN (gfh) - Nicht mehr der Erfahrungsaustausch von Unix-Insidern, sondern das aktuelle Produktangebot der Hersteller stand auf der Jahrestagung der German Unix User Group (GUUG) in Wiesbaden im Vordergrund. Diese Entwicklung wird sowohl von den Veranstaltern als auch von den Ausstellern und Besuchern als Bestätigung der kommerziellen Bedeutung von Unix gesehen.

Selbst die Veranstalter räumten gegenüber der Presse ein, daß nicht, wie im Programm ausgedruckt, Multimedia, Objektorientierung und Benutzeroberflächen das Hauptthema der GUUG waren. Diskutiert wurden vielmehr die Versuche, mit Unix in die Domäne der kommerziellen Großrechner sowie in den PC-Markt einzudringen.

Als Schlüsselprodukte für den Erfolg im kommerziellen Einsau gelten Systeme für die Online-Transaktionsverarbeitung. Daß hier der Durchbruch im wesentlichen geschafft ist, bestätigt die Ankündigung der IBM, die bereits im kommenden Jahr einen Unix-Transaktionsmonitor mit der Bezeichnung "AIX CICS16000" auf den Markt bringen will, der auf Transarcs Encina-Produkt basiert (siehe auch CW Nr. 40, vom 2. Oktober 1992, Seite 1).

Für IBMs Mitbewerber bedeutet die Marktreife von Transaktionsprodukten. unter Unix die Aufforderung, Big Blue bei Mainframe-Lösungen das Wasser abzugraben. So positioniert die, Sequent Computer Systems GmbH ihr in Wiesbaden vorgeführtes Cluster-System "Symmetry" als kommerzielles Produkt gegen die IBM-Mainframes. Die Parallelrechner sind mit 4 CPUs ausgestattet, arbeiten mit dem Transaktionsmonitor Tuxedo von Unix Software Laboratories (USL) und erreichen mit dem Datenbankprodukt Oracle 7 eine Leistung von 618 Transaktionen je Sekunde.

OLTP-Systeme für Unix-Anwender

In einen ähnlichen Leistungsbereich ist inzwischen auch Unisys mit den Unix-Rechnern des Typs 6000185 vorgestoßen. Mit 26 parallel arbeitenden 486er Intel-Prozessoren erreicht das System 607,27 Transaktionen. Auch hier kommen Oracle 7 und Tuxedo zum Einsatz.

Ohne Transaktionsmonitor, aber ebenfalls mit der Oracle. Datenbank soll der von Encore angekündigte OLTP-Rechner mit 16 Prozessoren und 2048 KB Cache-Speicher . auf den Markt kommen.

Als mögliche TP-Monitore für das System sind Encina von Transarc und Tuxedo von USL im Gespräch. Als Neuling auf dem deutschen Markt versucht nun auch der US-Hersteller Sequoia, dessen Parallelrechner bisher von HP unter der Bezeichnung HP 90011220 und 1245 vermerktet wurden, mit einer Heidelberger GmbH Fuß zu fassen.

Die Sequioa-Systeme arbeiten ebenfalls mit dem Tuxedo-Monitor und der Oracle-Datenbank in der Version 6.2.

Obwohl Oracle 7 noch nicht verfügbar ist, will sich der Datenbankhersteller eigenen Angaben zufolge mit dem Parallel-Server den Markt der Multiprozessor-Rechner sichern. Inzwischen hat jedoch Sybase angekündigt, daß man dem Mitbewerber dieses Marktsegment nicht widerstandslos überlassen wolle.

Ohne konkret zu werden, deutete Group Product Manager Steve Knowles von Sybase an, sein Unternehmen werde am 6. November 1992 eine wichtige Ankündigung machen, in die auch NCR als Anbieter von Parallelrechnern involviert sei.

Diese OLTP-Ankündigungen sowie die Akzeptanz der DCE- und DME-Technologien von OSF als Standard für das Management verteilter heterogener Systemumgebungen obwohl beide als Produkt noch nicht existieren, deuten darauf hin, daß Unix den Durchbruch als kommerzielles System geschafft hat. Unterstützt -wird diese Entwicklung zudem dadurch, daß das Unix-OLTP in einer Zeit der leeren Kassen den Downsizing-Wünschen der Anwender entgegenkommt.

Fördert der Kostendruck den Umstieg der kommerziellen Großanwender auf Unix, so gilt im PC-Bereich eher das Gegenteil. Zwar konnten die PC-Anwender auf der GUUG sowohl die Intel-Version des Sunsoft-Unix "Solaris 2" als auch das von Novell und USL gemeinsam entwickelte netzfähige PC-Unix "Unixware" in einem Pre-Release bewundern. Das weit größere Interesse - nimmt man die Zahl der Neugierigen am Stand als Maßstab - galt jedoch Microsoft, wo Windows NT ebenfalls in einem Pre-Release - vorgeführt wurde.

Nico M. Klauke, Marketingleiter von Uniware, nennt den Grund für das mangelnde Interesse am Unix-Upsizing: Die PC-verwöhnten Kunden wollen Unix-Lösungen zu DOS-Preisen." Das sei jedoch von den Anbietern nicht zu realisieren. Als Ausweg sieht er weniger den Einstieg von Unix in den PC-Markt als die Unterstützung der Windows-Systeme als Unix-Front-end.

Abkehr von "Unix only"

Eine solche Lösung setzt allerdings eine Abkehr von der beiden Freaks immer noch vor. herrschenden Einstellung "Unix only" voraus. Doch die Trendwende hin zur Einbindung anderer Systemwelten war auf der GUUG bereits zu sehen. Im Bereich der Büroadministration - mit 34 Ausstellern einer der GUUG-Schwerpunkte - wollen neben Uniware auch Marktführer Unixplex, Olivetti sowie Garmhausen & Partner Produkte anbieten, bei denen Unix als Server-Betriebssystem ein PC-Netz bedient, in dem die Anwender die ihnen vertrauten DOS- oder Windows-Anwendungen benutzen können. Aufsehen erregt hat darüber hinaus bei den auf die Programmiersprache C eingeschworenen Unix-Anwendern die Ankündigung der Cobol-Workbench von Micro-Focus für das Multiuser-Betriebssystem.