Legacy/Linux als Server-Plattform

Die großen Eisen kehren zurück

12.04.2002
Klassische Integrationslösungen reduzieren Verfügbarkeit und Bandbreite. Hingegen stellt Linux, beispielsweise auf eine IBM S/390 portiert, eine leistungsfähige Integrationsplattform dar, die auch künftigen Web-basierenden Anwendungen gerecht wird. Von Eva Schulz*

Unternehmenskritische Applikationen vertrauen IT-Manager nach wie vor S/390-Großrechnern an. Hohe Verfügbarkeit, Transaktionsleistung und zentrales Management sprechen für den Einsatz der IT-Dinosaurier, denen bereits seit zehn Jahren das Aussterben vorhergesagt wird. Lediglich die Benutzer-Interfaces der alten, soliden Cobol-Applikationen möchte im Zeitalter der grafischen Oberflächen und Web-Browser keiner mehr sehen.

Unternehmen setzen heute auf Web-to-Host-Plattformen, welche die schmucklosen 3270-Seiten in freundliche Web-Dialoge verwandeln. Die relativ simplen Terminalemulationen und Host-Connection-Server werden zunehmend durch flexibel programmierbare Web-Publishing-Systeme abgelöst. Diese erfassen einzelne Elemente wie Funktionstasten und Eingabefelder der Applikationen und wandeln diese dynamisch in HTML-, Java- oder Active-X-Elemente um.

Bislang übernahm diese Konvertierung ein PC- oder Unix-gestütztes System. Doch die Nachteile dieses Ansatzes liegen auf der Hand. Während der Host Verfügbarkeiten von 99,999 Prozent garantiert, schaffen Windows-basierende Systeme nur 99,9 Prozent oder weniger. Da die Anwender die Host-Applikation letzten Endes nur noch über die Integrationsplattform ansprechen, sinkt damit praktisch die Verfügbarkeit der Host-Anwendung auf dieses Niveau. Zudem sehen sich Systemverwalter mit einem erhöhten Management-Bedarf konfrontiert. Neben dem Host müssen sie auch noch die Integrationsplattform pflegen, sichern und warten. In Umgebungen mit hohem Transaktionsvolumen kämpfen sie überdies mit einem Flaschenhals. Liefert der Host selbst über seine Escon-Anbindungen noch Bandbreiten im Gigabit/s-Bereich, schrumpft der Durchsatz über den Integrations-Server auf 100 Mbit/s und darunter.

An dieser Stelle kommt Linux auf dem Mainframe ins Spiel. Erst vor zwei Jahren hatte eine Hand voll IBM-Programmierer in Deutschland das offene Betriebssystem auf IBM S/390 portiert und damit eine leistungsfähige Integrationsplattform geschaffen. Zweistellige Wachstumsraten für den Z-Series-Mainframe konnte IBM in den vergangenen vier Quartalen verbuchen, und "dafür machen wir zum großen Teil Linux verantwortlich", sagtt Joann Duguid, Director z-Series Linux bei IBM.

Als Partition innerhalb des Mainframes nutzt Linux die gleiche Hardware wie die unter OS/390 operierende Host-Anwendung. Der IT-Manager muss nur eine Plattform managen und sichern. Die Linux-Umgebung im Großrechner profitiert von der hohen Verfügbarkeit der Host-Hardware. Zudem fallen mögliche Flaschenhälse weg. Anstelle regulärer, langsamer Netzwerkverbindungen kommuniziert Linux mit OS/390 über Hyper-Sockets. Diese Technik virtualisiert ein Netzwerk-Interface, das über den systeminternen Bus des Großrechners mit Bandbreiten im Gigabit/s-Bereich arbeitet.

Linux auch im EAI-UmfeldNeben der reinen Web-to-Host-Integration, die in erster Linie Endanwender versorgt, rücken zunehmend EAI-Systeme (Enterprise Application Integration) in den Vordergrund. Diese Tools konvertieren Host-Daten in genormte, portable Formate, die von anderen DV-Einrichtungen mit unterschiedlicher Hard- und Software verarbeitet werden können.

Die technischen Grundlagen zu EAI-Systemen und den darauf aufsetzenden Web-Services liefern die Web-Publisher. Führende Web-to-Host-Anbieter erweitern ihre bestehenden Produkte um die Web-Service-Fähigkeit. Auch hier stellt Linux auf dem Mainframe die bevorzugte Plattform für eine stabile und verfügbare Lösung dar.

Unter dem Strich ist für den Anwender eine Host-Publishing-basierende Web-to-Host- oder EAI-Lösung der simpelste und praktikabelste Ansatz. Ohne Modifikationen der bestehenden Großrechneranwendung lassen sich die Daten in portable Formate umkonvertieren und weiterverwenden. Linux auf S/390 als Integrationsplattform liefert dazu die nötige Betriebssicherheit bei geringem Management-Aufwand.

Linux kann nicht nur als Integrationsplattform für bestehende Host-Applicationen auf VM oder S/390 dienen. IBM propagiert das System auch als alleinige Betriebssystem-Plattform für Mainframes. Mit dem z800 L kündigte IBM kurz vor der CeBIT erstmals einen 64-Bit-Mainframe an, der nur für den Betrieb mit Linux geeignet ist.

KonsolidierungsplattformIBM positioniert dieses System als Konsolidierungsplattform, welche die Dienste von zehn bis 200 NT- oder Unix-Servern auf einem System vereinigt. Ein aggressives Preismodell mit wesentlich günstigeren Tarifen soll IT-Managern die "alte" Plattform für neue Anwendungen schmackhaft machen. Auch hier profitieren Administratoren von der Verfügbarkeit der Mainframe-Architektur, dem simplen Management einer einzelnen Maschine und der hohen I/O-Leistung.

Dass IBM mit seiner Linux-Strategie Neukunden gewinnen wird, sieht Achim Heidebrecht, Manager Consultant bei der Metagroup, eher skeptisch: "Wer seit Jahren Unix fährt, wird sich keinen Linux-Mainframe hinstellen, sondern eher eine Intel-Maschine. Für Bestandskunden kann das Konzept jedoch eine interessante Perspektive sein."

Aus Sicht von IBM stellt Linux jedoch die Zukunft der Mainframe-Architektur dar. Dazu holt sich Big Blue klingende Namen wie SAP oder Oracle ins Boot, die ihre Enterprise-Applikationen auf die Mainframe-Variante des Open-Source-Systems portieren. IBM selbst fügt dem Portfolio die eigenen Enterprise-Anwendungen wie DB/2 und Websphere und die dazu nötige Middleware sowie Management-Tools hinzu. In den vergangenen Jahren war der Verkauf der großen Eisen mit OS/390 oder dem neuen z/OS rückläufig. Das kostenfreie Betriebssystem soll nun den Absatz der teuren Server wieder in die Höhe treiben. (bi)

*Eva Schulz ist freie Journalistin in München.

AngeklicktEAI-Konzepte auf Basis von Web-Applications-Servern greifen im Regelfall auf die Datenbank der Host-Plattform direkt zu. Hier hat der Anwender jedoch den Nachteil, nicht die Anwendungslogik der laufenden S/390-Anwendung nutzen zu können. Ein Großteil der Applikationen muß also für den Web-Application-Server neu geschrieben werden.

Abb.: Web-to-Host klassisch

Klassische Integrationslösungen reduzieren Verfügbarkeit und Bandbreite. Quelle: Schulz