Studenten ohne Unternehmergeist

Deutschland fehlen die Gründer

23.09.2012
Von 
Alexandra Mesmer war bis Juli 2021 Redakteurin der Computerwoche, danach wechselte sie zu dem IT-Dienstleister MaibornWolff, wo sie derzeit als Head of Communications arbeitet.
Studium und dann Festanstellung, das wünschen sich die meisten deutschen Studenten. Die Lust, eine Firma zu gründen, hält sich hierzulande in engen Grenzen. Im internationalen Vergleich ist Deutschland damit auf den vorletzten Platz, so eine aktuelle Studie.

Deutschlands Studenten scheuen das Unternehmertum: Lediglich sieben Prozent können sich vorstellen, nach dem Studium ein Unternehmen zu gründen, ein bestehendes Unternehmen zu übernehmen oder freiberuflich zu arbeiten. Stattdessen zieht es die Studenten in den sicheren Hafen einer abhängigen Beschäftigung: 78 Prozent der angehenden Akademiker wollen als Angestellte oder Beamte arbeiten. Zu dem Ergebnis kommt eine Studie, für die das Center for Family Business der Universität St.Gallen mit der Beratung Ernst & Young 93.000 Studenten - davon 12.500 in Deutschland - nach ihren Karriereabsichten und ihrer Haltung zu Selbständigkeit befragte.

Selbständig aus Mangel an Alternativen

Damit ist Deutschland im internationalen Vergleich Schlusslicht. Nur in Pakistan und Belgien planen noch weniger Studenten (drei beziehungsweise fünf Prozent) eine Unternehmensgründung. Den vorletzten Platz teilt sich Deutschland mit Japan und der Schweiz. "Für die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands ist das ein deutliches Warnsignal", kommentiert Peter Englisch, Partner bei Ernst & Young. "Ohne die Impulse der Jungunternehmer leidet die Innovationskraft - und damit der hart erarbeitete Standortvorteil Deutschlands."

Ein eigenes Unternehmen wollen nur die wenigsten deutschen Studenten gründen, in Großbritannien ist das ganz anders.
Ein eigenes Unternehmen wollen nur die wenigsten deutschen Studenten gründen, in Großbritannien ist das ganz anders.
Foto: Butch - Fotolia.com

Die geringe Neigung zur Selbständigkeit scheint ein Problem aller deutschsprachigen Länder zu sein: In Österreich wollen nur acht Prozent der befragten Studenten an ihr Studium eine unternehmerische oder freiberufliche Tätigkeit anschließen. Ganz anders die Lage in Großbritannien: Hier planen 15 Prozent der Studenten, nach ihrem Abschluss unternehmerisch tätig zu werden, in Irland liegt der Anteil sogar bei 16 Prozent. "In den angelsächsischen Ländern genießt das Unternehmertum traditionell ein höheres Ansehen als in Deutschland", erklärt Thomas Zellweger, Professor an der Universität St. Gallen. Sehr gründungsfreudig sind außerdem Studenten aus Südafrika (13 Prozent), Mexiko (16 Prozent) und Argentinien (23 Prozent). Durchschnittlich wollen weltweit elf Prozent der Studenten direkt nach Studienabschluss ein Unternehmen gründen, 68 Prozent planen einen Berufseinstieg als Angestellte oder Beamte.

Deutliche Unterschiede gibt es bei Studenten unterschiedlicher Fachrichtungen. In Deutschland sind Sozial- und Geisteswissenschaftler noch am ehesten zum Sprung in die Selbständigkeit bereit (sieben Prozent). Von den Wirtschaftswissenschaftlern kann sich hingegen nur jeder Zwanzigste vorstellen, diesen Schritt zu wagen: "Das liegt nicht zuletzt daran, dass Sozial- und Geisteswissenschaftler oft schlechtere Chancen auf eine Festanstellung haben als ihre Kommilitonen aus den Natur- und Wirtschaftswissenschaften", so Zellweger. "Dabei müssten sich doch gerade angehende Ökonomen für unternehmerisches Handeln interessieren. Hier gibt es noch erhebliches Potenzial".

Die meisten Studenten zieht es in große Unternehmen

Direkt nach dem Studium streben 29 Prozent der deutschen Studenten in kleine und mittlere Unternehmen (KMU, bis 250 Mitarbeiter). Große Unternehmen liegen in der Beliebtheitsskala fast gleichauf (27 Prozent). Mittelfristig halten die Studenten diese Firmen aber für die bessere Wahl. Sie wurden danach befragt, was sie fünf Jahre nach ihrem Abschluss beruflich anstreben. Das Ergebnis: 24 Prozent wollen in einem Großunternehmen Fuß fassen, die KMU sind dann nur noch für 12 Prozent attraktiv: "Der Mittelstand muss aufpassen, dass er nicht ins Hintertreffen gerät", gibt Ernst&Young-Manager Englisch daher zu bedenken. "In mittelständischen Unternehmen können Mitarbeiter oft früh viel Verantwortung übernehmen und Gestaltungsspielräume nutzen. Zudem bieten sich guten Mitarbeitern teilweise raschere Aufstiegschancen. Wenn es den Mittelständlern nicht gelingt, den Studenten dies zu vermitteln, werden die großen Unternehmen zunehmend die besten Arbeitskräfte abschöpfen."