Studenten ohne Unternehmergeist

Deutschland fehlen die Gründer

23.09.2012
Von 
Alexandra Mesmer war bis Juli 2021 Redakteurin der Computerwoche, danach wechselte sie zu dem IT-Dienstleister MaibornWolff, wo sie derzeit als Head of Communications arbeitet.

Starke Konzerne als Gründungshemnis

Mittelfristig gilt die Selbständigkeit als das attraktivste Berufsmodell: 43 Prozent der Studenten weltweit wollen fünf Jahre nach ihrem Abschluss ihr eigener Chef sein. Stark unternehmerisch orientiert sind Studenten aus Mexiko (60 Prozent) und Argentinien (54 Prozent). Ganz anders die Situation in Deutschland, Österreich und der Schweiz: Hier kann sich nur etwa jeder Vierte vorstellen, nach fünf Jahren selbständig zu sein. "Die hohe Neigung der deutschen Studenten zur abhängigen Beschäftigung liegt nicht zuletzt in der Qualität und Attraktivität der deutschen Unternehmen begründet", erklärt Englisch. "In Deutschland gibt es zahlreiche weltbekannte Konzerne mit starken Marken, die eine hohe Anziehungskraft auf Uniabsolventen ausüben und diese auch massiv umwerben. Die Stärke der deutschen Konzerne erweist sich somit zugleich als Herausforderung für Deutschland: Eine Karriere bei einem der großen Autobauer ist für viele Ingenieure ungemein verlockend - da stellt man die eigene Geschäftsidee schnell hintan", beobachtet Englisch. In vielen anderen Ländern machen sich junge Menschen hingegen vor allem aus Mangel an Alternativen selbständig. "Deutsche Studenten stehen weniger unter Druck - sie haben auch als Angestellte gute Karten", so Englisch.

Eine wichtige Grundlage für das Unternehmertum ist der Impuls zur Eigenverantwortung. Weltweit ist es den Studenten, die ein Unternehmen gründen wollen, überdurchschnittlich wichtig, ihr eigener Chef zu sein. Deutsche Studenten ziehen ihre berufliche Motivation stärker aus anderen Zielen: Sie möchten ihre Träume verwirklichen, Herausforderungen meistern und sich ein höheres Einkommen sichern. Gesellschaftliche Ziele, die Orientierung an persönlichen Vorbildern oder gar an Familientraditionen sind hingegen weniger entscheidend.

Hochschulen als Gründungshelfer

Damit in Deutschland mehr Studenten zu Gründern werden, sieht Berater Englisch die Hochschulen in der Pflicht: "Sie können sehr viel dazu beitragen, Studenten in ihren Gründungsplänen zu unterstützen oder den Gründergeist erst zu wecken". Da besteht aber offenbar noch Nachholbedarf: So fordern jeder zweite Student Seminare zur konkreten Unternehmensplanung, doch nur 39 Prozent der Befragten geben an, dass ihre Hochschulen solche Seminare im Angebot hätten. Mentoring- und Coaching-Programme sind für 52 Prozent der Studenten interessant, doch nur in 29 Prozent der Fälle werden sie fündig.

Dieses Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage betrifft auch die wichtigste Hürde zur Selbständigkeit - den mangelnden Zugang zu Finanzmitteln und das finanzielle Risiko. Kontakte zu Investoren glauben allerdings nur 18 Prozent der Befragten an ihren Hochschulen zu erhalten, finanzielle Unterstützung sogar nur sieben Prozent - obwohl 52 Prozent der deutschen Studenten sich entsprechende Möglichkeiten wünschen. "Helfen könnten spezielle Informationsveranstaltungen, aber auch Stipendien oder Preise für überzeugende Starter-Konzepte", schlägt Zellweger vor. "Dass Universitäten aber großflächig Gründer finanziell unterstützten, ist kaum realisierbar."