Die Ansprüche von Anwendern und Software an Chips steigen ständig

Der 486 - ein teurer Spaß, doch die Zukunft gehört ihm

20.04.1990

MÜNCHEN (CW) - Der Prozessor 80486 führt den PC in einen Leistungsbereich, der bis vor kurzem Workstations und Minicomputern vorbehalten war. Man könnte fast annehmen, hier werde zuviel des Guten geboten. Angesichts der absehbaren Entwicklung im PC-Markt haben die 486er doch gute Karten als zukunftssichere Investition.

Im Oktober 1989 kostete ein 486er-PC rund 40 000 Mark. Im Februar 1990 kündigten die ersten Hersteller 486er für 20 000 Mark an. Im März hörte man von den ersten Geräten dieses Typs für rund 14 000 Mark. Bei Redaktionsschluß für diesen Artikel tauchen die ersten Gerüchte um 486er für 10 000 Mark auf. Alle Einwände, ein 486er-PC sei viel zu teuer, nur als Statussymbol tauglich oder nur für den echten "Power-User" von Nutzen, scheinen damit vom Tisch. Außerdem wird klar, daß mit diesen PCs langsam aber sicher eine neue Ära für die Desktop-Anwendung beginnt.

Natürlich sind auch, all jene Argumente berechtigt, die davon ausgehen, daß für normale Büroarbeiten, also Textverarbeitung und Buchhaltung, eigentlich ein guter alter XT völlig ausreiche. Nur: Personal Computer werden schon heute an Arbeitsplätzen eingesetzt, wo mehr verlangt wird. Man denke nur einmal an die Bürokommunikation in Großunternehmen. Hier sollte der PC auch Daten übertragen, faxen, Datenbankabfragen auf dem Host und Schreibarbeiten managen können - am besten alles gleichzeitig. Davon wird zwar seit mindestens zehn Jahren gesprochen, es scheiterte bisher aber an der fehlenden Rechenpower der PCs. Und genau das könnte mit den neuen Top-end-Geräten der 386/486-Klasse anders werden.

Vor rund einem Jahr stellte Intel den Prozessor 80486 vor. Und wie immer bei solchen Präsentationen hieß es, er sei besser, leistungsfähiger und vor allem schneller als alle seine Vorgänger. Ein Jahr nach der Einführung bieten bereits 44 Hersteller PCs auf Basis des 486 an.

Den Anfang machte noch im Sommer '89 die IBM mit einer Prozessorkarte, die man im PS/2 Modell 70 gegen die 386er-Karte austauschen konnte. Im Herbst folgten dann Hewlett-Packard, Olivetti und Compaq. Mittlerweile hat jeder Hersteller, der etwas auf sich hält, mindestens einen PC mit dem Topend-Prozessor im Programm. Nur noch wenige PC-Anbieter konzentrieren sich auf die althergebrachten Modelle. Selbst das Haus Commodore, das zur CEBIT noch erklärte, nicht zur "Speerspitze des technischen Fortschritts" zählen zu wollen und auf 486er im Systemangebot zu verzichten, will demnächst doch seinen ersten 80486er präsentieren.

Viele Hersteller haben 486er nur im Prospekt

Auf breiter Front hat sich der 486er allerdings noch nicht durchgesetzt. Noch tauchen Fehler in der Hardware auf (siehe Seite 38) und es gibt Verzögerungen bei der Auslieferung. Möglicherweise - wir wollen hier keinem Anbieter zu nahe treten - hat der eine oder andere seinen Rechner nur im Prospekt, um den Kunden zu beweisen, daß er vorne mit dabei ist. Wenn man aber zur Bestellung schreitet, dann heißt es erst einmal, daß das System ohnehin erst in einigen Monaten verfügbar sei und dann noch eine gewisse Lieferzeit hinzukomme.

Allen Unkenrufen zum Trotz wird dieser Prozessor, hat er die Anlaufschwierigkeiten einmal überwunden, die PC-Technik stärker verändern, als seinerzeit der 80286 oder der 80386. Es sieht tatsächlich so aus, als ob wir heute am Anfang einer Entwicklung stehen, an deren Ende sämtliche PCs der Standards XT oder AT auf das Niveau von Homecomputern absinken - was aber nicht heißen soll, daß sie nicht auch ihre kommerziellen Anwendungen finden werden, beispielsweise als reines Schreibsystem.

Die Fraktion derer, die in die Zukunft investieren wollen, entscheidet sich zweifellos für den 486er. Dagegen werden andere einwenden, es lohne sich doch nicht, einen solchen PC zu kaufen - erstens seien sie für einen "aufgebohrten" 386er zu teuer, und zweitens für den PC-Anwender ohnehin "zu schnell". Aber eines weiß jeder PC-ANwender: Die Einschränkung "zu schnell" gibt es nicht. Man muß nur einmal einen Blick auf die neuesten PC-Softwarepakete werfen. Diese sind so umfangreich, erfordern so

hohe Rechenleistungen und Speicheraufwand, daß nur leistungsfähigste Prozessoren - also 386er und 486er - hier befriedigende Ergebnisse bieten können. Das heißt: Die Programme laufen mit der nötigen Geschwindigkeit ab. Und diese Entwicklung ist noch lange nicht zu Ende. Zukünftige Programme werden noch umfangreicher und - was wichtiger ist - sie werden erst die Möglichkeiten dieser Prozessoren voll ausnutzen.

Programme laufen endlich in Echtzeit

Welches Tempo bereits ein mit nur 20 Megahertz getakteter 486er vorlegt, beeindruckt beim Arbeiten mit Standardprogrammen. Wordperfect 5.0 oder Windows erscheinen sofort scheinbar ohne jede Ladezeit, Datenbankabfragen werden ruckzuck ausgeführt,

Pagemaker und Ventura-Publisher laufen endlich in "Echtzeit", und sogar Autocad-Screens, die dem Anwender selbst bei 386ern noch Zeit für eine Tasse Kaffee ließen, erscheinen jetzt im erträglichem Tempo.

Wie der 80486er für dieses Tempo sorgt, das war das eigentlich Neue an diesem Chip. Bei den Vorläufer-Generationen 80286er und 80386er wurdle neben Hardwareverbesserungen auch der Befehlssatz des Prozessors erweitert. Folge: Bei vielen Programmen gab es "nach unten" Inkompatibilitäten. Beim 486er blieb man beim 386er-Befehlssatz und fügte dafür weitere Schaltkreise für Fließkommaberechnungen und Daten-Caches hinzu.

Die zweite nicht unwesentliche Neuerung, die den 486ern zu besseren Leistungen verhilft sind die schnelleren Datenbusse, die ein Weiterschaufeln externer Daten in 32-Bit-Paketen ermöglichen. Damit kann auch der Rest des Computers mit der internen 32-Bit-

Transferrate des 486ers mithalten. Während die IBM hier auf die proprietäre Mikrokanal-

Architektur setz, geben die meisten anderen Hersteller der "Erweiterten Industriestandard-Architektur" (EISA) den Vorzug, der auch ältere 8-Bit- und 16-Bit-Boards aufnimmt. Die breitere Herstellerplattform und Abwärtskompatibilität hat sich für die EISA-Anbieter ausgezahlt. Hier gibt es wesentlich mehr Peripherie als für den Mikrokanal.

Soviel zu den Möglichkeiten die ein 486er heute bietet. Ein der Schwerpunkte im Leistungspektrum dieses Prozessors liegt aber in den Anwendungsmöglichkeiten, die die PC-Zukunft bringen wird. Die drei wichtigsten sind Multitasking, Drive-Arrays und Memory-Caches.

Der 386er ist zwar bereits zum Multitasking in der Lage, aber zu langsam, wenn es

wirklich "ernst" wird. Erst die hohe Transferrate des 486er ermöglicht ein Multitasking, das sich für den professionellen PC-Anwender auch lohnt: Datenbankabfragen, Datenübertragung und Serienbriefausdruck im Hintergrund, während im Vordergrund mit Lotus 1-2-3 oder Wordperfect in angemessener Geschwindigkeit gearbeitet wird.

Die sogenannten "Drive-Arrays" kommen aus der Welt der Mainframes und Minis. Einige 486er-PCs nutzen diese Technik zur Beschleunigung der Festplatten. Dabei teilt der Bus-Interface-Controller auf dem Chip die zu übertragenden Daten in zwei Hälften und schreibt diese jeweils gleichzeitig auf zwei Laufwerke. Dadurch wird die Zeit für den Datentransfer halbiert. Bei einer anderen Möglichkeit, Drive-Arrays zu nutzen, werden die vollen Dattenpakete simultan auf zwei Laufwerke geschrieben - sollte

ein Laufwerk ausfallen, geht nichts verloren.

Standardsoftware in 32-Bit-Code umschreiben

Einige Hersteller von 486er-PCs haben bereits ihre eigenen "Memory Caches" implementiert. Sie verkürzen die Wartezeit des Prozessoren zusätzlich zu den Caches auf dem Chip.

Der Umstand, der den 486er aber zum PC-Standard der Zukunft machen wird, ist die Software. Zwar bestand bereits seit Einführung des 386er die Möglichkeit, 32-Bit-Software für PCs zu schreiben. Damals dominierten aber noch die 286er PCs den Markt

- für die Softwarehäuser ergab sich daraus ein zu großes Risiko, teure Programme für eine Randgruppe unter den PC-Usern zu entwickeln.

Mit der Verbreitung von 486ern und dem zunehmenden Preisverfall sieht das ganz ders aus. Es ist absehbar, daß nächster Zeit viele Standardprogramme in 32-Bit-Code

umgeschrieben werden, so daß 386/486er-Systeme diese Software optimal ausnutzen werden - insbesondere im Hinblick Multitasking. +