Disruption der Individual-Mobilitätsbranche

Das Auto ist keine Kamera

Kommentar  17.02.2017
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Hendrik Schubert ist Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der EWERK Gruppe. 1995 erkannte er die Chancen, die sich durch das Internet und verbundene Technologien ergaben. Sein Credo: Digitalisierer sind die Architekten der nächsten industriellen Revolution. Wer nachhaltige Veränderungen erreichen möchte, muss sich entlang seines Business-Kontexts verändern und immer wieder aufs Neue querdenken.

3. Sharing Economy: Bessere Auslastung statt ewiger Parkplatzsuche

Womit wir direkt schon beim dritten Thema sind: dem möglichen Rückgang von Vehikeln durch die sogenannte Sharing Economy. Idee ist, Gebrauchsgegenstände mit ungünstigem Kosten-Nutzungs-Verhältnis – wie etwa dem Auto – auf die Allgemeinheit zu verteilen und gemeinsam zu nutzen. Die ökonomischen, ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Effekte wären enorm: Stellfläche verringert sich; individuelle Mobilität würde erschwinglicher; Materialkosten sänken; manch einer würde erkennen, dass der öffentliche Kollektiv-Verkehr für ihn günstiger in vielerlei Hinsicht wäre.

Der Sinn ist hier viel sichtbarer: Staus würden reduziert ­– alleine durch die gesunkene Gesamtfläche der Fortbewegungsmittel – und die Parkplatzsuche vor dem Haus wird in verdichteten Großstädten nicht mehr zur Geduldsprobe. Dies könnte zum Angriffspunkt für künftige Veränderungen hin zu einer stärkeren Sharing Economy werden – sogar in Deutschland. Wenn denn das Angebot stimmt.

Die Kooperation zwischen Uber und Daimler ist clever

Die Kooperation zwischen Daimler und Uber ist in dieser Hinsicht clever – eine Verbindung zweier starker Marken. Und sie ist ein perfektes Beispiel agitalen Denkens. Agitalität – wie in einem früheren Text erläutert – beschreibt die Fähigkeit, agile Denkstrukturen mit der Fähigkeit zur Disruption und gleichzeitig zur Optimierung bestehender Systeme zu entwickeln, um in Zeiten der Digitalen Transformation zu überleben.

Bei Uber und Daimler kommt zusammen, was auf den ersten Blick nicht zusammengehört. Jedoch nur auf den ersten Blick: Der Disruptor nimmt einen monolithischen Marktführer an die Hand und holt sich gleichzeitig Wissen und Tüftlersinn ins Boot. Denn: "Making cars is really hard." Daimler hingegen bewegt sich aus der Komfortzone seiner klassischen Entwicklungen und nimmt zwei der wesentlichen Veränderungen auf einmal in Angriff: autonomes Fahren – und die Access Economy. Das ist ein cleverer Schachzug und zeigt, wie agital Daimler bereits denkt.

Das Auto wird sich verändern, nicht aber der Kunde

Wenn wir heute von Disruption reden, nehmen wir natürlich stets von gelungenen Beispielen wie etwa dem iPhone oder der Digitalfotografie. Doch es gibt auch andere, weniger tiefgreifende Versuche der Disruption durch Digitalisierung, die auf halbem Wege stecken blieben oder sich nie ganz erfüllten.

Apple, Google und Amazon wollten den Fernseher disruptieren – heute hängen ihre Geräte an weiterhin klassischen Fernsehgeräten. Und Netflix, Spotify und auch schon vorher iTunes haben unsere Gewohnheiten des Medienkonsums sicherlich verändert: Das lineare Fernsehen und Radio haben sie jedoch nicht verdrängt.

Es kommt noch dicker: Kodak hat sich nach der Insolvenz 2012 erholt und erlebt eine Renaissance sondernorm. Wir erreichen einen Punkt in der Digitalisierung, an dem die Menschheit merkt: Nicht alles, was auch technisch möglich ist, ist wünschenswert. Lieber bannt man den Farbfilm vom vergangenen Urlaub lieber wieder auf Papier.

Zurück in die Zukunft: Das Besondere des Kamera-Smartphones Kodak EKTRA 169 ist die Möglichkeit, Foto-Abzüge zu bestellen.
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Foto: Kodak

Meine Prognose: Ähnlich wird es mit dem Auto laufen. Zu emotional ist die Bindung der Kunden an die bestehenden Marken; zu clever sind insbesondere die deutschen Autobauer in der Analyse der bevorstehenden Veränderungen. Das digitale Zeitalter verändert das Auto grundlegend – doch viele der heutigen Platzhirsche werden bestehen, sollten sie ihre Denkstrukturen genügend anpassen. (mb)