Change-Management verlangt kühlen Kopf

24.04.2002
Von 
Alexandra Mesmer war bis Juli 2021 Redakteurin der Computerwoche, danach wechselte sie zu dem IT-Dienstleister MaibornWolff, wo sie derzeit als Head of Communications arbeitet.

“Mit Entlassungen die Personalkosten zu senken ist die ´ultima ratio`” erklärt Dietmar Vahs, Professor für Betriebswirtschaft an der Fachhochschule Esslingen und Leiter eines Change-Management-Instituts. Aus seiner Perspektive gehören höchstens am Ende eines fehlgeschlagener Change-Management-Prozesses Entlassungen dazu. Schließen Unternehmen etwa in schwierigen Zeiten ganze Bereiche oder verhängen einen Einstellungsstopp, spiegelt sich in solchem Verhalten eine kurzfristige Denkweise, die aus strategischer Sicht den zukünftigen Erfolg gefährdet.

„Daimler stellte in der letzten Rezessionsphase Mitte der 90er Jahre eine Zeitlang keine Ingenieure mehr ein. In der Aufschwungphase merkte das Unternehmen dann plötzlich, dass der Nachwuchs fehlte," so der Professor. Mit den kurzfristigen Sparmaßnahmen hatte sich das Unternehmen selbst in eine ungünstige Ausgangsposition manövriert. “Firmen sehen oft Probleme isoliert und verlieren die anderen Handlungsfelder aus dem Auge. Meine Empfehlung lautet: Vorausdenken statt Hinterherlaufen”, so Vahs.

Allerdings fehlt nach Einschätzung des Professors bei vielen Unternehmen eine langfristige Strategie, die dann auch konsequent verfolgt wird. Eine entscheidende Rolle in Change-Management-Prozessen kommt den Führungskräften zu. “Stehen Veränderungsprozesse an, muss die obersten Führungsriege die Veränderungen vorleben, Strategien kommunizieren und Hintergründe erläutern”, erklärt der Esslinger Professor. „Dreh- und Angelpunkt von erfolgreichen Innovationsprojekten sind die Führungskräfte,“ erläutert Schnabel vom Fraunhofer IAO in Stuttgart.

Ihr verbales und nonverbales Verhalten wirkt sich direkt auf den Unternehmenserfolg aus. „Mitarbeiter fühlen sich häufig nicht verstanden, weil in der Kommunikation kein aktives Zuhören gepflegt wird.“ Beispielsweise fühlen sich die Beschäftigten nicht ernst genommen, wenn wichtige Gespräche zwischen Tür und Angel stattfinden. „Zirka 60 bis 70 Prozent des Erfolgs hängt von der Qualität des Führungsverhaltens, Beziehungen und der Kommunikation im Unternehmen ab“.

Den Mitarbeitern in Veränderungsprozessen schreiben die Berater des Fraunhofer-Instituts eine wichtige Rolle zu. „Ihre Aufgabe besteht vor allem darin, den Führungskräften professionelles Feedback zu geben.“ In Form von klassischen Mitarbeiterbefragungen oder der 360-Grad-Feedback-Methode können Verbesserungsvorschläge entstehen. Den Managern gibt Schnabel den Tipp, sich der Kritik und den Anregungen der Mitarbeiter auch auf der Beziehungs- und Verhaltensebene zu stellen. “Gerade in wirtschaftlich turbulenten Zeiten gehört eine ausgewogene Informationspolitik seitens der Führungskräfte dazu.”

Vahs empfiehlt Managern daher, sich erst über die eigene Strategie klar zu werden, bevor sie mit vagen Aussagen die Mitarbeiter zu verunsichern. “Zwar können Führungskräfte bei einer Betriebsversammlung den Mitarbeitern sagen, dass sie noch alternative Konzepte prüfen, wie sie das Unternehmen aus der Krise führen und zukünftig ausrichten möchten und gleichzeitig Kündigungen vermeiden können, doch darf es nicht bei vagen Versprechungen bleiben. Sie sollten Termine benennen, bis wann konkrete Pläne vorliegen, und diesen Zeitrahmen auf jeden Fall auch einhalten”.

Wählt ein Unternehmen dagegen eine Verschleierungstaktik und verunsichert die Mitarbeiter mit einem Schlingerkurs, schadet das der Firma nachhaltig. “Es ist besser, den Mitarbeitern zu sagen, wie die Dinge stehen, und auch nicht zu verhehlen, dass es möglichweise Opfer von den Mitarbeitern verlangt, um die Firma zu retten. Handeln Führungskräfte nicht nach diesen Maximen, tappen sie in eine Glaubwürdigkeitsfalle,” so Vahs. Gerade in dem sensiblen Verhältnis zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern gehört Vertrauen zu den Grundpfeilern des Erfolgs. ”Ein Vertrauensbruch wirkt sich katastrophal auf die Unternehmenskultur und das Betriebsklima aus.”