Umfrage unter CIOs

CEOs haben keine Ahnung von IT

14.06.2013
Von 


Joachim Hackmann ist Principal Consultant bei PAC – a teknowlogy Group company in München. Vorher war er viele Jahre lang als leitender Redakteur und Chefreporter bei der COMPUTERWOCHE tätig.

CEOs wissen nicht, was sie nicht wissen

Die Zeit, um einen Wandel anzuschieben, ist günstig. Obwohl die CIOs den Status quo bemängeln, wächst unter den Unternehmenslenkern anscheinend die Erkenntnis, dass IT eine besondere Rolle in der künftige Geschäftsentwicklung spielen wird. 60 Prozent der von PricewaterhouseCoopers (PwC) befragten Geschäftsführer versprachen, dass sie sich 2013 häufiger mit dem Thema beschäftigen werden. In der letztjährigen Erhebung waren es nur 36 Prozent. Auffallend ist dabei, dass die CEOs klare Präferenzen haben, womit sie sich konkret beschäftigen wollen. Ganz oben auf der Liste stehen laut Erhebung die Themen Cloud Computing, Social Media und Mobility. Für die CIOs ergibt damit eine günstige Ausgangslage, sich zu profilieren, denn oft sind die Geschäftsführer noch orientierungslos. Die CIOs "sollten ihnen daher das Gerüst für die Diskussion über IT-Themen liefern", rät PwC-Partner Don Keller.

Evelyn Follit: Wählen Sie ein spitzes Thema, wenn sie mitz Vorständen sprechen.
Evelyn Follit: Wählen Sie ein spitzes Thema, wenn sie mitz Vorständen sprechen.
Foto: Computerworld

Viel Zeit haben sie dafür nicht. Durchschnittlich einmal pro Quartal werden sie zu Vorstands-Meetings eingeladen und haben dann rund 30 Minuten, um ihr Anliegen zu präsentieren. Es kommt also darauf an, das Vorhaben kurz und prägnant darzustellen. Ratsam, so Ex-Radio-Shack-CIO Follit, ist es, ein spitzes und aktuelles Thema zu wählen. Hilfreich sind ergänzende Treffen abseits der formalen Meetings, um für die IT-Pläne zu werben. In den offiziellen Sitzungen unter ihresgleichen haben Vorstandsmitglieder bisweilen Hemmungen, Verständnisprobleme zuzugeben.

Als Lincoln-Trust-CIO Cousins kürzlich im Board-Meeting über "Predictive Analytics" diskutierte, konzentrierte sie sich nur auf einen Aspekt: Sie schilderte den anwesenden Managern, wie die Technik besonders umsatzstarke Kunden identifizieren kann, um sie von den eigenen Mitarbeitern besser betreuen zu lassen. Der Vorstand biss an und wirbt nun für eine genauere Analyse der Kundendaten. Cousins hat es geschafft, breiten Konsens dafür zu schaffen, dass eine detaillierte Durchleuchtung der Kundenanforderungen unabdingbar für eine erfolgreiche Zukunft des Unternehmens ist.

IT-Consultants als Antwort auf unbeantwortete Fragen

Gelingt es dem CIO indes nicht, in der ihm zur Verfügung stehenden Zeit die Manager für die eigenen Themen zu gewinnen, macht er sich möglicherweise selbst überflüssig. Üblicherweise reagieren die Vorstände auf unbeantwortete Frage damit, dass sie externe Berater ins Haus holen. Spätestens dann gibt der IT-Lenker das Heft des Handelns aus der Hand. 2011 haben laut PwC 26 Prozent der Vorstände externe IT-Consultants damit beauftragt, lohnende, innovative IT-Projekte aufzuspüren oder die Leistung der IT zu verbessern. Im Jahr zuvor waren es 15 Prozent.

Allerdings rät Joseph Grundfest, Professor für Recht und Unternehmensführung an der Stanford University, zur Gelassenheit: "Es ist üblich, dass Vorstände das Fachwissen externer Juristen oder Investment Banker nutzen. Es gibt keinen Grund, warum sie nicht auch IT-Consultants von außen holen sollten."

Foto: Fotolia/shoot4u

Die CIOs aus der Praxis haben dazu eine etwas andere Meinung: Vorstände dokumentieren mit dem Verpflichten von externen Beratern ihre Unzufriedenheit damit, wie eigene IT-Manager den Einfluss der IT auf das Kerngeschäft und Unternehmens-Strategie erläutern, bewerten und ausschöpfen, findet Follit, die mittlerweile ein Beratungshaus für das Coaching von Führungskräften betreibt und Vorstandsmitglied bei Teco Energy ist. Keinen Zweifel sollten die CIOs hegen, dass derartige Defizite früher oder später auffliegen. In der konzentrierten Atmosphäre einer Vorstandssitzung, in dem sich alle Aufmerksamkeit auf den vortragenden CIO richtet, lässt sich eine unsichere Einschätzung darüber, wie sich IT und Business in Einklang bringen lassen, kaum hinter einer Mauer von Fachbegriffen verbergen. "Manchen CIOs fällt es schwer, sich in dieser neue Welt zu bewegen, wo sie unglaublich viel Geschäftswissen benötigen", beobachtet Follit.

Langsam diffundiert IT-Wissen in die Management-Etagen

Foto: Michele Piacquadio; mkabakov /Shutterstock

Obwohl in den Vorstandsetagen die Erkenntnis reift, dass Geschäft- und IT-Strategie häufiger ineinander greifen, ist keine deutliche Veränderung in der Stellenbeschreibung zu erkennen, wenn Posten im obersten Gremium neu besetzt werden. Lediglich 30 Prozent der von PwC befragten Geschäftsführer erachten IT-Fachwissen als "sehr bedeutsam" für aufstrebende Manager. 31 Prozent interessiert das IT-Wissen bei der Suche nach neuen Vorstandsmitglieder gar nicht. Wichtiger erscheinen ihnen andere Merkmale, etwa Branchen- und Auslandserfahrung.

Bisweilen sind neue Vorstandsmitglieder der IT gegenüber auch voreingenommen, weiß Jim Noble, der als Senior Vice-President die IT bei Talisman Energy verantwortet, ein Unternehmen mit über acht Milliarden Dollar Jahreseinnahmen. Das gilt etwa für Manager, die schlechte Erfahrungen mit SAP- und Oracle-Projekten gemacht haben. "Sie werden sagen: ´Das haben wir in unserer Firma bereits gemacht, und es war ein Desaster´", schildert Noble seine Erfahrung. "Nicht nur einmal musst ich mir so etwas anhören."

Eine sehr gute Zeit verlebte Noble als CIO des früheren AOL-Time-Warner-Konzerns. Die CEOs waren damals Steve Case und Gerald Levin, beide förderten den intensiven Erfahrungsaustausch zwischen Managern auf allen Hierarchieebenen. Zu dem Team stieß später noch Netscape-Gründer Marc Andreessen als CTO, der eine interne technologische Beratergruppe mit IT- und Medienexperten aufbaute. "Vorstand und Manager ahnten bereits, dass alte Geschäftsmodelle nicht dauerhaft bestehen können und waren offen für neue Ideen", erinnert sich Noble. "Dort habe ich die beste Atmosphäre auf Vorstandsebene erlebt."