Hausmitteilung geriet in die Hände der Anleger

Bill Gates: Indiskretion läßt den Aktienkurs von Microsoft purzeln

28.06.1991

LONDON (CW) - Mit düsteren Prognosen über den DV-Markt sorgte Bill Gates für einen Kurseinbruch der Microsoft-Aktie.

In einer hausinternen Mitteilung hatte der Geschäftsführer sein Senior-Management vor "Attacken" der Wettbewerber IBM und Novell warnen wollen - unbeabsichtigt geriet die Meldung in die Hände der Anleger und sorgte für Aufruhr an der Börse. Folgende Äußerung des Microsoft-Gründers ließ die Finanzwelt aufhorchen: "Unser Alptraum - IBM attackiert uns bei der Systemsoftware, Novell bezwingt uns im Netzwerkbereich, und beweglichere kundenorientiertere Softwarehäuser als wir nehmen das Windows-Geschäft in ihre Hände - ist eine Realität!"

Die Meldung, so berichtet die Nachrichtenagentur United Press International (UPI) wurde in den Mercury News, San José/ Kalifornien, im Original veröffentlicht.

Die Folge: Innerhalb eines Tages stürzte der Aktienkurs um mehr als sieben Prozent beziehungsweise um 8,125 Dollar auf einen Stand von 103,375 Dollar. Am nächsten Tag waren die im freien Handel verkauften Microsoft-Aktien sogar nur noch 100,75 Dollar wert.

Steve Ballmer, Microsofts Vice-President für Systemsoftware, bemühte sich auf einer Investment-Konferenz sogleich um eine Beruhigung der Anleger. Düstere Szenarios über den Markt zu malen sei eine durchaus gängige Geschäftspraxis. Allerdings wolle er nicht bestreiten, daß eine gewisse Spannung in der Partnerschaft zwischen IBM und Microsoft entstanden sei.

Uneinig über die Bedeutung des Memos sind sich die Marktbeobachter. Glauben die einen, die stets mit dem Nimbus der Unbesiegbarkeit behaftete Microsoft Corp. gerate ins Straucheln, so gehen die anderen davon aus, daß Gates seine Mitarbeiter anspornen und - nach dem überzeugenden Geschäft mit Windows 3.0 - vor überzogener Selbstzufriedenheit warnen wollte.