Big Blue: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben OS/2-Marketing siegt ueber das Workplace-Konzept von Big Blue

17.03.1995

Fuer viel Verwirrung hat die IBM mit einer Neupositionierung ihres Workplace-Konzepts gesorgt. Auf einem Microkernel, so der urspruengliche Plan, sollten gleichzeitig mehrere Betriebssystem- Auspraegungen, sogenannte Personalities, laufen koennen. Anstatt dieser Personalities soll es jetzt nur noch OS/2 fuer Power-PC gegen. Laut Dan Lautenbach, General Manager Worldwide PSP- Marketing bei der IBM, hat sich jedoch technisch nichts geaendert. Mit ihm sprach CW-Redakteur Hermann Gfaller auf der CeBIT.

CW: Zwei Jahre lang hat die IBM das Workplace-Konzept und die darin vorgesehenen Betriebssystem-Personalities propagiert. Ploetzlich soll es nur noch OS/2 geben. Ist das Konzept gescheitert?

Lautenbach: Nein, an der Technik hat sich nichts geaendert, nur die Bezeichnungen wurden ausgewechselt.

CW: Stiften Sie mit solchen Umbenennungen nicht Verwirrung? Schliesslich suggeriert die Abschaffung des Personality-Begriffs, dass auch die dazugehoerige Technik am Ende ist.

Lautenbach: Das Gegenteil ist der Fall. Das Personality-Konzept hat zu Verunsicherungen gefuehrt. Es ist faelschlicherweise der Eindruck entstanden, wir wollten ein voellig neues Betriebssystem auf den Markt bringen. Tatsaechlich aendert sich sowohl fuer die Anwender als auch fuer die meisten Entwickler nichts. OS/2 hat lediglich einen Microkernel erhalten. Um diese Kontinuitaet zu betonen, nennen wir das Betriebssystem schlicht OS/2 fuer den Power-PC.

CW: Urspruenglich war geplant, auf ein und demselben Microkernel mehrere Betriebssystem-Auspraegungen wie OS/2, AIX, OS/400 und das Mac-OS laufen zu lassen. Inwischen haben Sie angekuendigt, dass AIX keinen Microkernel erhalten wird, und auch die OS/400-Personality soll ausschliesslich auf den AS/400-Rechnern laufen. Woran ist das urspruengliche Vorhaben gescheitert?

Lautenbach: Wir haben unsere Kunden gefragt und sind dort auf wenig Interesse gestossen.

CW: Das bedeutet, dass vom Workplace-Konzept nur noch die Microkernel-Einfuehrung uebriggeblieben ist und bei AIX nicht einmal das...

Lautenbach: Nein, schliesslich haben wir auch weiterhin technisch die Moeglichkeit, mehrere Personalities auf einem Microkernel ablaufen zu lassen. Wir haben uns nur nicht entschieden, das jetzt zu machen.

CW: Heisst das, das komplexe Workplace-Konzept wird vorerst zurueckgestellt, um OS/2 gegen die Microsoft-Betriebssysteme Windows NT und Windows 95 pushen zu koennen?

Lautenbach: So sollten Sie das nicht sehen. Natuerlich wollen wir den derzeitigen OS/2-Erfolg stuetzen. Aber das ist weniger eine Aktion gegen Microsoft als eine fuer unsere Kunden.