Big Blue aeussert sich zur Betriebssystem-Strategie Mit drei neuen Varianten will IBM das OS/2-Geschaeft beleben

13.05.1994

SAN FRANZISKO (IDG) - Die Verbreitung von IBMs Betriebssystem OS/2 laesst weiterhin zu wuenschen uebrig. Als Grund vermuten Branchenkenner anhaltende Defizite bei der Kooperation zwischen Big Blues Personal Software Products Group (PSP) und Hardwareherstellern beziehungsweise Applikationsentwicklern. Big Blue startet in diesem Jahr mit mehreren Varianten seines 32-Bit- Betriebssystems einen weiteren Anlauf.

OS/2 soll "persoenlicher" werden, hiess es kuerzlich auf einem von IBM in San Franzisko veanstalteten Technologieforum. Dies gilt zumindest fuer "OS/2 for Windows", einen auf Windows abgestimmten Betriebssystem-Aufsatz fuer OS/2-Applikationen. Erleichterungen im Umgang mit dem Produkt werden vor allem bei den Installationsroutinen und den komplexen Programmfunktionen erwartet. Auch die Bedienung soll mit Hilfe eines Dashboards und dreidimensionalen Icons vereinfacht werden.

Bisher habe man ueberwiegend bei erfahrenen Anwendern und Programmierern einige Erfolge mit OS/2 verbuchen koennen, so der PSP-Manager Lois Dimpfel. Nun gelte es, auch Einsteiger von dieser Plattform zu ueberzeugen. Als weitere Zielgruppe fuer das Windows- Release von OS/2 fixierte IBM-President Lee Reiswig deshalb die mobilen Anwender. Die Auslieferung einer abgespeckten, schnelleren und mit entsprechenden Features ausgestatteten Variante des Betriebssystems versprach Reiswig noch fuer diesen Sommer.

Kuenftig wird SMP unterstuetzt

Welchen Namen der Windows-Aufsatz erhalten soll, ob "Personal OS/2" oder "OS/2 for Portables", ist derzeit noch nicht geklaert.

Parallel dazu, mit aehnlichem Zeitplan, will der Microsoft- Konkurrent eine OS/2-Version fuer symmetrisches Multiprocessing (SMP) entwickeln. "OS/2 for SMP", so der vorlaeufige Arbeitstitel, verspricht Desktops zwar keine professionelle Multiprocessing- Umgebung, ausser einfachen Betriebssystem-Routinen werden laut Reiswig aber auch komplexere Anwendungen wie Textverarbeitung und Spreadsheets durch diese Funktionalitaet unterstuetzt.

Von der OS/2-Erweiterung in High-end- und Low-end-Bereiche verspricht sich die PSP neuen Aufschwung bei den Verkaufszahlen. Die Versionen 2.0, 2.1 und OS/2 fuer Windows wurden bislang in etwa fuenf Millionen Kopien ausgeliefert. Analysten meinen, damit das Betriebssystem gegenueber Microsofts Windows nicht zum Nischenprodukt degradiert werde, muessten mehr Hardwarehersteller fuer exklusive OEM-Vertraege gewonnen werden. Ebenso seien aus dem Lager der Anbieter von Schluesselapplikationen neue Impulse erforderlich. Die auf der Entwicklerkonferenz vorgestellten Anwendungen beschraenkten sich ueberwiegend auf Zusatz-Tools fuer die Dateiverwaltung oder das Programm-Management.

Neues verkuendete IBM auch bezueglich der laengerfristigen Betriebssystem-Plaene:

Das auf dem Mach Microkernel der Pittsburgher Carnegie Mellon University basierende "Workplace OS" fuer den Power PC wird in "OS/2 for the Power-PC" umbenannt und soll im dritten Quartal, spaetestens aber gegen Ende des Jahres, ausgeliefert werden.

In einem aehnlichen Zeitrahmen bewegt sich die Veroeffentlichung der ersten Opendoc-Frameworks, der von IBM und anderen Herstellern unterstuetzten Objekttechnologie. Auch von Taligent, dem Joint- venture zwischen IBM und Apple bezueglich der Entwicklung eines objektorientierten Betriebssystems, werden die ersten Spezifikationen gegen Jahresende erwartet. Die Interoperabilitaet der Objektbibliotheken beider Produktwelten werde gewaehrleistet, versprach Reiswig. Mehr noch: Mit einem Seitenhieb auf die begrenzten Moeglichkeiten von Microsofts Konkurrenzprodukt OLE betonte der IBM-Chef die Offenheit des auf Corba-Standards aufbauenden Opendoc. Die Architektur erlaube, Objekte jeder Script-Sprache einzubinden.

Auch bezueglich des DOS-Bereichs gab die PSP Einblick in ihre Plaene. Kuenftige DOS-Features sollen die Unterstuetzung von stiftbasierten Applikationen und PCMCIA-Karten sein. Auch das Backup-Modul von Central Point, eine optimierte Speicherverwaltung sowie ein Terminkalender sind vorgesehen. Viele dieser Funktionen werden gegen Jahresende mit Version 7.0 verfuegbar sein - ebenso die Workplace-Shell von PC-DOS, die urspruenglich noch in diesem Fruehjahr integriert werden sollte.