Auf zu neuen Linux-Ufern

10.03.2004
Von 
Alexander Freimark wechselte 2009 von der Redaktion der Computerwoche in die Freiberuflichkeit. Er schreibt für Medien und Unternehmen, sein Auftragsschwerpunkt liegt im Corporate Publishing. Dabei stehen technologische Innovationen im Fokus, aber auch der Wandel von Organisationen, Märkten und Menschen.

Soft-M-Vorstand Gärtner sieht durch das freie Betriebssystem vor allem die Beziehung der ERP-Anbieter zu ihren Kunden gestärkt. Zwar sei die Company dank ihrer Wurzeln in die AS/400-Welt nie komplett von Microsoft abhängig gewesen. Nun bilde sich aber ein starkes Gegengewicht, das den Griff des Softwareriesen lockere - zum Nutzen beider Seiten. "Das ist wie eine Symbiose", sagt Gärtner. Noch etwas sprach für die Portierung: "Die Anwender fragen immer häufiger in ihren Pflichtenheften, ob zumindest eine Option für Linux besteht."

Allerdings sind die über Jahre gepflegten Vorbehalte der IT-Verantwortlichen gegenüber Open Source nicht zu unterschätzen. Anwender haben vielfach Angst vor dem Umstieg, weil sie denken, das neue System sei kompliziert: "Linux ist Unix, und Unix ist schwierig", beschreibt IT-Berater Mensinck ein Klischee. Microsoft habe es zudem geschickt verstanden, den Kunden klar zu machen, dass es für seine Betriebssysteme bereits ausreicht, eine CD einzulegen und zu starten - auch wenn die Realität gelegentlich anders aussieht. Statt technischer Probleme führt Soft-M-Vorstand Gärtner folglich auch die konzentrierte Marketing-Macht als ein Hindernis an: "Microsoft ist ein einzelnes Unternehmen, Linux sind viele Distributoren, Entwickler und Gemeinden." ERP unter Linux bietet zwar den mittelständischen Softwarehäusern neue Chancen für Wachstum, eine automatische Erfolgsgarantie ist jedoch nicht enthalten. Die Anbieter liefen unter anderem Gefahr, sich zu verzetteln und

schlechte Portierungen auf den Markt zu werfen, warnt Andreas Zilch von Techconsult, der den Open-Source-Hype etwas relativiert. Zudem "ist die Wettbewerbsintensität im Linux-Bereich bereits auf einem hohen Niveau". Das alles könne die Softwarehäuser in die Bredouille bringen, und "zurückrudern ist so gut wie ausgeschlossen".

Das ist auch nicht immer nötig: Nach neun Jahren Linux-Erfahrung ist für Abas-Chef Strub klar - Migrationen finden nur in eine Richtung statt. "Nicht ein einziger Linux-Anwender ist zurückgewechselt, dieser Schritt stand nie zur Debatte." Das lässt auf eine treue Kundschaft schließen, denn rund 90 Prozent der Abas-Neuinstallationen werden gegenwärtig für das offene System ausgeliefert. "Sie kriegen", bilanziert Strub, "die Leute nicht mehr von Linux weg." Kundenbindung kann auch in der IT-Branche auf freiwilliger Basis funktionieren.