Anwender sollten CPU-Entscheidung von Applikationen abhaengig machen Nur mit 32-Bit-Software laeuft P6-Prozessor zur Hochform auf

20.10.1995

MUENCHEN (CW) - Unternehmen, die in PCs mit Intels neuester Prozessortechnologie "Pentium Pro" investieren moechten, sollten sich genau ueberlegen, wofuer sie diese Rechner einsetzen wollen. Unter Umstaenden sind mit Pentium-Prozessoren ausgestattete Maschinen fuer ihre Beduerfnisse besser geeignet. Mit Sicherheit werden sie preisguenstiger sein.

Vor einigen Wochen wurden in der Fachpresse Testergebnisse publiziert, nach denen Systeme, die mit der vormals als "P6" bezeichneten Pentium-Pro-CPU arbeiten, in bestimmten Umfeldern nicht viel schneller rechnen als die leistungsstaerksten Pentium- Maschinen.

Unter WfW ist der P6 20 Prozent langsamer

Die CW-Schwesterpublikation "Infoworld" ging dieser Aussage nach und stellte IBMs "PC 300" - ein PC-Server mit dem Pentium-Pro- Prozessor (133 Megahertz) - und ein System der Digital Equipment Corp. (DEC) mit einem Pentium-Chip (133 Megahertz) auf den Pruefstand. Fazit: Fuer Unternehmen, die bereits 32-Bit- Betriebssysteme und -Applikationen nutzen, macht der Einsatz von Pentium-Pro-Maschinen viel Sinn. Hier kann der neue Prozessor im Vergleich zu Pentium-Modellen mit gleicher Taktrate seine groessere Leistungsfaehigkeit voll ausspielen. Wer sich aber noch in der 16- Bit-Welt bewegt, kann sich getrost mit Pentium-Maschinen zufriedengeben.

Intel selbst hat darauf hingewiesen, dass die Pentium-Pro-CPU auf 32-Bit-Umgebungen zugeschnitten ist und fuer 16-Bit-Anwendungen nicht empfohlen wird. "Wir positionieren den Pentium-Pro-Chip fuer Aufgaben, die bislang Workstations vorbehalten waren. Ausserdem eignet sich die neue CPU fuer den Einsatz als Server-System", wirbt Intel-Sprecherin Marlo Thompson. In diesen Bereichen arbeite man mit den 32-Bit-Systemen Unix und Windows NT. Fuer beide gebe es auch genuegend Applikationen, so etwa fuer das CAD/CAM-Segment.

Ins gleiche Horn stoesst Carl Everett, Vice-President bei der Intel Corp.: "Fuer heute existierende Software ist der Pentium Pro nicht gedacht." Der neue Prozessor, rechnet das Unternehmen, werde sich in dem Masse am Markt durchsetzen, in dem sich 32-Bit- Betriebssysteme und -Applikationen verbreiten.

Eine Moeglichkeit, mit dem Pentium-Pro-Chip auch den Mainstream- Anwender zu erreichen, waere, die Taktrate des Prozessors erheblich hochzudrehen. Intel erklaerte bisher offiziell, die erste Version der CPU werde mit 133 Megahertz getaktet sein. Mittlerweile ist jedoch klar, dass die erste Variante des Chip-Neulings bereits mit 150 Megahertz Taktrate arbeiten wird.

Martin Reynolds, Analyst bei Dataquest, glaubt, dass Intel Ende 1996 eine Pentium-Pro-CPU auf den Markt bringen wird, die sogar mit mindestens 266 Megahertz laeuft. Diese Aussage wurde vom Chip- Hersteller jedoch nicht bestaetigt.

Der Testlauf zwischen dem IBM- und dem DEC-System bestaetigte denn auch, dass IBMs mit 133 Megahertz getakteter Pentium-Pro-Rechner 32-Bit-Applikationen je nach Anwendungstyp zwischen 71 und 107 Prozent schneller bearbeitete als DECs Pentium-Maschine mit gleicher Taktfrequenz.

Der IBM-Rechner bewaeltigte auch 16-Bit-Applikationen um 30 bis 40 Prozent schneller als das DEC-System, sofern die Rechner unter Windows NT liefen.

Erst beim Einsatz von 16-Bit-Anwendungen unter Windows for Workgroups - einem 16-Bit-Betriebssystem - brach Big Blues Rechner gegenueber der DEC-Maschine ein: Das Pentium-Pro-Modell absolvierte diese Aufgaben um rund 20 Prozent langsamer als der Pentium-PC.

Unter Windows 95 mit angezogener Handbremse

Insofern wird der Pentium-Pro-Chip seine Leistungsfaehigkeit auch in Windows-95-Umgebungen nicht voll ausspielen koennen. Wie bereits berichtet (vgl. CW Nr. 30 vom 28. Juli 1995, Seite 1: "Tuningprobleme zwischen Win 95 und Intel-Technik"), musste Microsoft aus Gruenden der Abwaertskompatibilitaet sehr viel 16-Bit- Code in Windows 95 einbauen. Analysten argwoehnten, dass durch diesen Hemmschuh die moegliche Leistung des Pentium-Pro um bis zu 20 Prozent reduziert werden koennte.

Linley Gwennap, Prozessorspezialist beim US-Fachblatt "Microprocessor Report", raet Anwendern von Windows 95: "Auch wenn man 32-Bit-Applikationen unter dem neuen Microsoft-Betriebssystem nutzt, macht es keinen Sinn, hierfuer Rechner mit Intels P6- Prozessor einzusetzen." Die Rechenleistung eines genauso hoch getakteten Pentium-Systems sei, so Gwennap, ungefaehr gleich.

Intel wird den Pentium-Pro-Prozessor am 2. November 1995 offiziell in Deutschland vorstellen. Ausser der IBM duerften zu diesem Zeitpunkt unter anderem auch Compaq, Dell, Hewlett-Packard, DEC und Advanced Logic Research (ALR) erste P6-Rechner praesentieren.