Daimler-Chrysler schafft Transparenz mit wenig Aufwand

Alle Zulieferer haben den Durchblick

08.03.2002
Von 
Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.

Zunächst gingen die Logistiker daran, alle am Zuliefernetz beteiligten Unternehmen zu identifizieren und für jeden Teilnehmer Durchlaufzeiten, Kapazitäten, Bestände, Randbedingungen und andere Prozessparameter zu ermitteln. Dabei machten sie erstaunliche Entdeckungen - beispielsweise die, dass fast alle Fertigungsstätten von einem bestimmten "Pfennigartikel", einem Mikroschalter, abhängen, der in den Teileverzeichnissen nicht einmal auftaucht.

Anforderungen an die Lösung Das vom Daimler-Chrysler-Werk Sindelfingen nachgefragte System sollte folgende Anforderungen erfüllen:

• Alle ERP- und PPS-Systeme der Lieferanten können automatisch die notwendigen Struktur- und Bewegungsdaten übergeben. Wo es keine solche Software gibt, reicht auch ein Excel-Sheet.

• Diese Daten werden zentral auf einem Server beim jeweiligen Systemlieferanten (1st Tier Supplier) gehalten.

• Das System lässt sich für weitere Lieferanten anpassen.

• Die Lieferanten selbst benötigen keine Rechnerkapazität, um das System zu nutzen.

• Die Datenübertragung erfolgt über E-Mail.

• Die Datenvisualisierung ist systemunabhängig über einen handelsüblichen Internet-Browser (Netscape oder Internet Explorer) möglich.

• Das Tool erfordert keinen großen Schulungsaufwand.

• Es handelt sich um ein Monitoring-Werkzeug ohne "anonyme", für den Lieferanten nicht durchschaubare Planungsfunktionen.

• Einführung und Betrieb sind ohne großen Aufwand möglich.

Mit Hilfe eines Daimler-Chrysler-eigenen Simulationswerkzeugs ließ sich das dynamische Verhalten des Lieferantennetzes "Türinnenverkleidung E-Klasse" darstellen und analysieren. Als besonders störanfälliger "Ast" erwies sich im Rahmen einer "Sensitivitätsanalyse" die schon angesprochene Beschaffungskette für lederne Türmittelfelder, deren Ausgangspunkt in der Nähe von Pretoria liegt. Deshalb war sie auch die Erste, die schließlich in dem "Information Control Tool" der Sindelfinger Daimler-Chrysler-Werke nachgebildet wurde.

Wie Kurt Mannchen, Geschäftsführer der Icon Industrie Consulting GmbH, erläutert, basiert das Monitoring-Werkzeug auf der Idee, eine "gläserne Pipeline" aus den ERP-Systemen aller Prozessbeteiligten zu schaffen und die abgezapften Informationen in einer zentralen Datenbank mit den Planungsdaten des Endfertigers abzugleichen. Jedes Unternehmen in der Lieferkette stellt auf diese Weise automatisch seine Strukturdaten, also Stücklisten und Lieferverflechtungen, sowie seine tagesaktuellen Bestände und Bewegungsdaten, sprich: Informationen über Lieferungen und Wareneingänge, zur Verfügung.

Sofern der Betrieb keine betriebswirtschaftliche Standardsoftware nutzt, was offenbar bei einem großen Teil der Zulieferer der Fall ist, gibt sich das System auch mit Excel-Tabellen zufrieden. "Das ist eine Konzession, die Daimler-Chrysler den Zulieferern einräumt", erläutert der Icon-Geschäftsführer. Dieses Zugeständnis ist nicht das Einzige. Weil eine Implementierung des Handelsdatenstandards Electronic Data Interchange (EDI) für viele der beteiligten Unternehmen zu aufwändig wäre, akzeptiert Daimler-Chrysler die Datenübermittlung in Form von E-Mails. Dazu werden die ERP-Extrakte verschlüsselt, in einen E-Mail-Umschlag gepackt und an den zentralen Server verschickt, der sie dann entpackt und in die Datenbank einstellt.

Der Installations- und Anpassungsaufwand beim Lieferanten ist relativ gering: Das Unternehmen benötigt lediglich einen Browser und, so Mannchen, "ein kleines Stück Kommunikationssoftware", das die ERP- oder Spreadsheet-Daten entgegennimmt und sie automatisch an den zentralen Server übermittelt. Wie Graf erläutert, kostet es in der Regel etwa zwei Stunden, diese Schnittstelle zu implementieren. "Die Kette ist komplex, die Daten sind einfach", erläutert der Logistikfachmann.