Arbeitsrechtliche Maßnahme des Chefs

Abmahnung aus Sicht des Arbeitgebers

01.12.2011
Von  und
Bettina Dobe war bis Dezember 2014 Autorin für cio.de.


Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

Voraussetzung für die Kündigung?

Vielfach wird in der Praxis die Frage gestellt, wie oft ein Arbeitnehmer abgemahnt werden muss, bevor eine Kündigung ausgesprochen werden kann. Es besteht in weiten Kreisen die Fehlvorstellung, dass erst nach drei Abmahnungen eine Kündigung wirksam wäre. Die Zahl der vor einer Kündigung auszusprechenden Abmahnungen hängt vielmehr von einer Interessenabwägung ab, bei der unter anderem die Schwere des Pflichtverstoßes, die Häufigkeit früherer, gleich gelagerter Pflichtverstöße, die Dauer der Betriebszugehörigkeit und etwaige Entschuldigungsgründe abgewogen werden müssen: Je schwerwiegender und nachhaltiger der Verstoß ist, desto weniger Abmahnungen sind erforderlich.

Zu beachten ist auf Arbeitgeberseite auch, dass bei mehreren einschlägigen Abmahnungen ohne darauf folgende tatsächliche arbeitsrechtliche Konsequenzen die Warnfunktion geschwächt und darüber hinaus die Glaubwürdigkeit gemindert wird. Von daher ist es erforderlich, dass die letzte Abmahnung in Wortwahl und Tonfall besonders eindringlich gestaltet wird. Es empfiehlt sich in solchen Fällen die Überschrift "Letztmalige Abmahnung", bei der es dann als solche auch bleiben muss.

Es gibt außerdem zahlreiche Sachverhalte, bei denen eine Abmahnung entbehrlich ist. Außerhalb der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes, insbesondere in der Probezeit, entfällt das Abmahnerfordernis deswegen, weil es auf eine Begründung der Kündigung nicht ankommt. Auch ist zum Beispiel im Falle einer betriebsbedingten Kündigung eine Abmahnung nicht erforderlich, da eine solche allein im Einflussbereich des Arbeitgebers liegt.

Personenbedingte Kündigung

Bei einer personenbedingten Kündigung ist eine Abmahnung ebenfalls in der Regel nicht erforderlich, weil die Krankheit eines Mitarbeiters zumeist nicht aus einem vorwerfbaren Fehlverhalten resultiert. Schließlich ist eine Abmahnung bei sehr schweren Pflichtverletzungen unnötig, bei denen der Arbeitnehmer die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens ohne weiteres selbst erkennen kann und bei denen die Hinnahme des Arbeitnehmerverhaltens offensichtlich ausgeschlossen ist. Dies sind insbesondere Fälle, in denen eine fristlose Kündigung gerechtfertigt ist, zum Beispiel bei Eigentumsdelikten, wenn der Arbeitnehmer seine Vertragsverletzung hartnäckig und uneinsichtig fortsetzt oder wenn nachhaltige Beleidigungen bzw. Tätlichkeiten seitens des Arbeitnehmers vorliegen.

Insgesamt ist festzuhalten, dass das Abmahnrecht aufgrund seiner vielschichtigen Voraussetzungen nur schwer zu durchschauen ist. Deshalb erweisen sich in gerichtlichen Verfahren Abmahnungen häufig als erhebliche Stolpersteine für wirksame Kündigungen. Von daher ist anzuraten, in Zweifelsfällen vor der Übergabe einer Abmahnung an den Arbeitnehmer einen fachlichen Ratschlag einzuholen. (oe)

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Der Autor Dr. Christian Salzbrunn ist Rechtsanwalt in Düsseldorf. Tel.: 0211 1752089-0, E-Mail: info@ra-salzbrunn.de, Internet: www.ra-salzbrunn.de