Sebastian Krause, IBMs Cloud-Chef Europa

IBM muss im Cloud-Markt den Vergleich nicht scheuen

08.12.2016
Von 
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.
IBM hat sein Cloud-Computing-Geschäft unter der Marke Bluemix zusammengeführt. Sebastian Krause, für das europäische Cloud-Geschäft verantwortlicher General Manager, erklärt die Strategie.

Wenn Anwender über Cloud Computing sprechen, dann meistens über Amazon Web Services und Microsoft, weniger über IBM. Woran liegt das?

Krause: Das empfinde ich nicht so.

Nein?

Krause: Nein, und das liegt wohl daran, dass ich den Markt anders differenziere. Das, worauf Sie abheben, ist eher der Public-Cloud-Markt. Da ist AWS sicherlich der Marktführer, wenn Sie nach entsprechenden Volumina gehen. Wir verfolgen aber eine Hybrid-Cloud-Strategie, und zwar seit Jahren. Wir haben vor zirka zwei Jahren als Einziger im Markt gesagt, dass es keinen Sinn macht, sich entweder nur zur Public- oder nur zur Private-Cloud zu bekennen.

Sebastian Krause, General Manager bei der IBM für Cloud Computing in Europa, sieht die Kernkompetenz seines Unternehmens darin, Private-, Hybrid- und Public-Cloud-Angebote nach Kundenwunsch bereitstellen zu können.
Sebastian Krause, General Manager bei der IBM für Cloud Computing in Europa, sieht die Kernkompetenz seines Unternehmens darin, Private-, Hybrid- und Public-Cloud-Angebote nach Kundenwunsch bereitstellen zu können.
Foto: IBM

Uns war klar, dass man nicht eine Cloud für alle Workloads und Applikationen haben wird. Deswegen haben wir gesagt, wir müssen Verbindungen zwischen den unterschiedlichen Clouds und auch zwischen Clouds und On-Premise-Systemen herstellen. Public Cloud ist nur ein Aspekt, wenn man sich das ganze Thema Hybrid Cloud anschaut, dann gibt es kein anderes Unternehmen, das das Portfolio und die Fähigkeiten so abdecken kann wie wir.

Das sehen Anbieter wie HP Enterprise oder DellEMC aber anders.

Krause: Dann fragen Sie doch mal HP nach ihren Public-Cloud-Erfahrungen.

Damit haben die kein Problem, sie öffnen sich an der Stelle Drittanbietern wie AWS.

Krause: Das mag sein, aber ihre Strategie bezüglich Hybrid Brokerage ändert sich ständig und ist damit vom Kunden nur schwer einzuschätzen. Wir bieten unsere Public Cloud mit offener Architektur und offenen Schnittstellen an.

Ende der 90er Jahre, als Service-orientierte Architekturen aufkamen, haben uns alle gesagt, das kann nicht gut gehen. Heute sind wir dadurch der größte Middleware-Hersteller der Welt geworden. Genauso verhält es sich nun mit der Cloud: Man muss verschiedene Cloud-Systeme und On-Premise-Landschaften zusammenfügen können.

IBM will auch den lokalen Openstack managen

Aber das machen doch die anderen auch: Auf der Basis von OpenStack private Clouds aufsetzen und diese in Hybrid-Szenarien mit On-Premise- und Public-Cloud-Lösungen integrieren.

Krause: Ja, aber wir haben meiner Ansicht nach das breitere Portfolio und das größere Know-how. So können wir für Kunden auch ihren lokalen Openstack - neben Hybrid, Public, Dedicated - managen. Das macht sonst niemand. Ich glaube, dass die Außenwahrnehmung der IBM, die Sie gerade dargestellt haben, nicht der Realität entspricht. Vielleicht haben wir ein Darstellungsproblem - denn basierend auf unserer Strategie, unseren Lösungen, Umsätzen, Investitionen, Partnerschaften, Akquisitionen etc. sind wir mehr als konkurrenzfähig (siehe auch Interview mit dem T-Systems-Cloud-Chef Frank Strecker: Wir setzen auf das OpenStack-Ökosystem").

Blickt man auf die magischen Quadranten von Analysten wie Gartner & Co., ist meist ein deutlicher Abstand zwischen den Cloud-Marktführern AWS und Microsoft auf der einen und IBM auf der anderen Seite zu sehen…

Krause: IDC sieht uns als Nummer eins bei Hybrid Cloud und als Nummer zwei bei Infrastructure-as-a-Service. TBR sieht uns als Nummer eins bei Cloud, Forrester sieht uns als Nummer eins bei Hybrid Cloud. Gartner hat eine andere Sicht, was das Thema IaaS anbelangt. Sie zählen Bare-Metal-Services, die wir über SoftLayer und jetzt Bluemix anbieten, nicht zur Public Cloud.

Wenn man sich die Cloud-Umsätze ansieht, dann sind doch AWS und Microsoft größer als IBM…

Krause: Wir haben im dritten Quartal auf einer Zwölf-Monatsbasis 12,7 Milliarden Dollar Cloud-Umsatz ausgewiesen mit einem Wachstum von 44 Prozent.

Das kommt mir aber ziemlich hoch vor…

Krause: Da ist auch der Private- Cloud-Umsatz enthalten. Wenn Sie nur den As-a-Service-Anteil berechnen, liegt der Anteil auf einer Zwölf-Monatsbasis bei 7,5 Milliarden Dollar, ein Wachstum von 62 Prozent.

Wir haben Osram auf dem Weg in die Cloud geholfen

Wie gehen Sie in den Markt hinein? Holen Sie Ihre Kunden in der Legacy-Welt ab und bieten ihnen quasi im Full-Service den Übergang in eine flexiblere Cloud-Welt?

Krause: Die Ansätze, die Kunden wählen, um in die Cloud zu gehen, könnten unterschiedlicher nicht sein. Das kann mit einer kompletten Geschäftsprozess-Überarbeitung anfangen. Der Kunde sagt: Unser Geschäftsmodell trägt nicht mehr, wir müssen uns ganz neu orientieren. Nehmen Sie das Beispiel Osram. Sie haben sich von ihrer LED-Sparte getrennt und in ihrem neuen Geschäftsfeldern setzen sie nicht mehr auf On-Premise-Anwendungen, sondern gehen komplett in die Cloud, um ihre Geschäftsprozesse flexibel zu gestalten. Also haben wir ihnen bei diesem Schritt geholfen.

Dann gibt es aber auch Kunden die schnellstmöglich eine Applikation benötigen, um ein neues Angebot an den Markt zu bringen oder mit Kunden - etwa über mobile Endgeräte - besser in Kontakt zu treten. Dann implementieren wir für das ausgewählte Thema eine Cloud-Lösung.

Wieder andere Kunden sagen, wir haben große Systems of Records und darauf aufsetzend jede Menge mobile Lösungen, die wir jetzt aufpeppen wollen. Dann kommen sicherlich kognitive oder analytische Fähigkeiten zum Tragen, die wir anbieten. Wir kommen also sowohl von der Geschäftsprozess- als auch von der Infrastrukturseite, um die IT mit neuen Technologien zu beleben.

Der SaaS-Markt ist ein wichtiger Bestandteil des Cloud-Business. Anbieter wie Salesforce, Microsoft oder auch SAP sind da naturgemäß stark und erobern nach und nach auch entlegenere Marktsegmente wie Analytics, Datenbanken oder Middleware. Wie ist der Marktzugang von IBM?

Krause: Wir haben selbst über 140 SaaS-Lösungen im Portfolio, was wahrscheinlich weniger bekannt ist. Ein Großteil kommt durch Akquisitionen, aber auch Eigenentwicklungen im Unternehmen.

Aber eher Nischenlösungen…

Krause: Kenexa dürfte bekannter sein, außerdem haben wir viele industriespezifische Lösungen. Das hat sicher nicht die Größenordnung einer SAP oder Salesforce, aber es spielt eine Rolle, was unsere Geschäftsprozess-Seite anbelangt. Watson Health ist ein Beispiel, Watson Education ebenso. Da werden wir mehr machen, das erwarten die Kunden auch von uns.

Um auf die Softwarehäuser zu kommen: SAP ist schon 2014 eine Partnerschaft mit uns eingegangen, um das ganze Thema HANA Enterprise Cloud zu bewerkstelligen.