Moderne Standortvernetzung

Das Netz als Rückgrat der Unternehmenskommunikation

05.08.2008
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
LANs und WANs sind heute die Lebensadern moderner Unternehmen. Von der Interaktion zwischen Arbeitsplatz und Rechenzentrum bis hin zur IP-Telefonie läuft alles über eine Infrastruktur.

Vor etwas über 20 Jahren wurde in Deutschland 1984 die erste Internet-Mail empfangen. Seitdem haben sich die Anforderungen an die Netze drastisch gewandelt, denn sie müssen den Verkehr von immer mehr geschäftskritischen Applikationen bewältigen und zusätzlich noch neue Kommunikationsanwendungen wie Telefonie, Audio- sowie Videokonferenzen und Collaboration-Tools in Echtzeit verkraften. Allerdings hat sich auch die Technik rasant weiterentwickelt: Wir leben heute im Gigabit-Ethernet-Zeitalter, während zu Zeiten der ersten Internet-Mail die Daten noch mit 2,5 Mbit/s durch das Arcnet oder mit 10 Mbit/s durch das Thin Ethernet tröpfelten. Und selbst per Funk sind mit der neuesten WLAN-Technik 802.11n mittlerweile Bandbreiten möglich, von denen vor rund 25 Jahren die User sogar im verkabelten LAN nur träumen konnten.

Spaghetti-Challenge: Nur auf den ersten Blick herrscht im Netz ein Chaos, wenn Kupfer- und Glasfaserverkabelung parallel zueinander existieren.
Spaghetti-Challenge: Nur auf den ersten Blick herrscht im Netz ein Chaos, wenn Kupfer- und Glasfaserverkabelung parallel zueinander existieren.

Dass aber Geschwindigkeit alleine noch nichts über die Qualität eines Netzes aussagt, führte vor allem die IP-Telefonie manchem IT-Verantwortlichen drastisch vor Augen. Mit Voice over IP (VoIP) hielt oder hält nämlich eine Echtzeitapplikation in den Netzen Einzug, die auch dem Laien zeigt, ob eine Netzinfrastruktur gut oder schlecht ist: Er hört es beim Telefonieren schlicht in Form von Störungen - und gerade im ISDN-verwöhnten Deutschland sind die Ohren diesbezüglich besonders sensibel. Um eine echtzeitfähige Infrastruktur zu bieten, darf das Netz gerade mal Latenzzeiten von maximal 150 Millisekunden aufweisen - alles darüber ist hörbar. Ist die Einführung eines hochwertigen IP-Videokonferenzsystems geplant, sind die Anforderungen in Sachen Latency noch härter: Hier sollte die Verzögerung um die 80 Millisekunden liegen. Zudem ist zu beachten, welche Bandbreite im Netz für die Telefonie benötigt wird. Der bei VoIP häufig verwendete Codec G.711 benötigt etwa 80 Kbit/s in beide Richtungen - also symmetrisch - für ein einziges Telefonat. Hinzu kommt dann noch die Bandbreite, die von anderen Applikationen wie E-Mail, Web-Anwendungen, SAP und Backup-Jobs benötigt wird. Im Zusammenhang mit VoIP und anderen Kommunikationsdiensten ist zu beachten, dass das Netz nicht auf die durchschnittliche Auslastung ausgelegt ist, sondern auf die Spitzenwerte, also wenn mehrere oder alle ressourcenfressenden Anwendungen gleichzeitig benutzt werden.

Ethernet auf dem Vormarsch

Im Backbone gilt Glasfaser heute als Standard.
Im Backbone gilt Glasfaser heute als Standard.
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Und dann sollten noch Reserven einkalkuliert werden, damit man mit der Netzinfrastruktur auf neue Trends reagieren kann. Oder die Topologie sollte zumindest so angelegt sein, dass sie die Option eröffnet, dynamisch mit steigenden Ansprüchen zu wachsen. Grundsätzlich hat sich Ethernet als De-facto-Standard auf breiter Front durchgesetzt. Selbst außerhalb des Unternehmensnetzes ist es im WAN in Form von Metro Ethernet vertreten. Und innerhalb der Standorte setzt Ethernet zum Sprung auf die Rechenzentren an. Als Data Center Ethernet (DCE) soll es dort eine effizientere Vernetzung von Servern und Peripherie wie Speichersystemen ermöglichen. Dabei, so die Versprechen der Hersteller, reduziere DCE nicht nur die Kosten, sondern erlaube eine größere Flexibilität und werde damit den Leistungsanforderungen einer Web-basierenden Anwendungswelt besser gerecht.

Schwerer fällt dagegen die Entscheidung in Sachen Verkabelung. Hier scheiden sich noch immer die Geister an der Frage Glasfaser oder Kupfer. In der Praxis hat sich heute folgendes Vorgehen bewährt: Im Backbone, dem vertikalen Steigbereich, kommt Glasfaser zum Einsatz, während die Rechner in den einzelnen Arbeitsgruppen per Kupferverkabelung mit dem Netz verbunden werden. Vom Workgroup Switch zum Backbone - also der horizontalen Ebene - sind heute entweder Kupferkabel oder Glasfasern zu finden.