Corel spricht kleinere und mittlere Firmen an

Wordperfect - eine Alternative zu MS-Office?

21.05.2004
MÜNCHEN (ws) - Nachdem die finanziell angeschlagene Corel Corp. mit ihrem Office-Paket laufend an Boden verloren hat, soll die Version 12 das Vertrauen der Kunden zurückgewinnen. Der wirtschaftliche Rückhalt durch den neuen Eigentümer Vector Capital spielt dabei eine wichtige Rolle.

Die desolate wirtschaftliche Lage von Corel wirkte sich unübersehbar auf die Qualität des Office-Pakets aus. Mangels ausreichender Entwicklerressourcen litt die Stabilität der Software, die Version 2002 wurde aus Kostengründen nicht mehr ins Deutsche übersetzt. Nach der Übernahme durch die amerikanische Investmentfirma Vector Capital vor einem Jahr verfügt das kanadische Softwarehaus nun wieder über die nötigen Mittel, um in die Weiterentwicklung der Office-Anwendungen zu investieren.

Die aktuelle Version 12 soll allerdings nicht in allen Bereichen gegen Microsoft Office konkurrieren, sondern bevorzugt in Nischenmärkten gegen den Monopolisten aus Redmond (rund 95 Prozent Marktanteil) antreten. Dazu zählen kleine und mittlere Firmen, öffentliche und akademische Einrichtungen sowie der juristische Sektor. Die Software ist insgesamt auf Anwender zugeschnitten, die sich auf die traditionellen Features der persönlichen Produktivität beschränken wollen und eine eher zurückhaltende Update-Politik verfolgen. So enthält Wordperfect Office 12 nur mehr die Hauptkomponenten Textverarbeitung, Tabellenkalkulation und Präsentationsgrafik. Der E-Mail-Client "Corel Central" wurde schon in der Vorgängerversion ausgemustert, die Datenbank "Paradox" wurde schon länger nicht mehr erneuert und blieb nun ebenfalls auf der Strecke.

Fokus auf persönliche Produktivität

Die verbliebenen Kernanwendungen verzichten auf jene Funktionen, die Microsoft mit der Version 2003 einführte und die sich vor allem an größere Firmen richten. Dazu zählt etwa die Unterstützung für Web-Services, ein natives XML-Speicherformat für jede Applikation oder die Formularverarbeitung à la "Infopath". Es fehlt zudem eine eigene Unterstützung für WebDAV, das vor allem beim Web-Publishing von Bedeutung ist. Dafür bemüht sich Corel um all jene, die noch mit älterer Software arbeiten und Microsofts Update-Geschwindigkeit nicht folgen können oder möchten.

Um diese Gruppe zum Umstieg zu bewegen, legte das kanadische Unternehmen großen Wert auf Kompatibilität mit Microsoft Office. Die Importfilter reichen zurück bis zu Formaten aus der PC-Steinzeit, bei Word für Windows etwa unterscheidet Wordperfect sogar noch zwischen den Versionen 2.0a und 2.0b. Die Dateiformate aus Redmond können nicht nur gelesen werden, sondern lassen sich als Standard definieren, in dem alle Anwendungen ihre Daten speichern.

Die Kompatibilität mit dem übermächtigen Konkurrenten beschränkt sich nicht nur auf Speicherformate. Vielmehr können sich das Aussehen und die Bedienung der Corel-Anwendungen den Microsoft-Pendants weitgehend annähern. Diese Mimikry funktioniert übrigens nicht nur für die Konkurrenzprodukte aus Redmond, sondern auch für Veteranen aus dem eigenen Haus. So legt sich auf Wunsch die spartanische Benutzeroberfläche von Wordperfect 5.1 für DOS über das Windows-Programm. Eine erhebliche Hürde für Umsteiger von MS Office stellen hingegen bestehende Scriptanwendungen dar. Zwar hat Corel "Visual Basic for Applications" (VBA) von Microsoft in Lizenz genommen, die Anwendungen von Wordperfect Office implementieren aber ein anderes Objektmodell. Daher sind VBA-Programme aus Word oder Excel nicht auf ihre Corel-Pendants übertragbar.

Die Konzentration auf die wesentlichen Aspekte der persönlichen Produktivität (ansprechend formatierte Dokumente für die Ausgabe auf dem Drucker, kaufmännische Kalkulationen, Erstellen von Vortragsfolien) bedeutet aber nicht, dass Corel aktuelle technische Trends ignoriert. Die Textverarbeitung enthält bereits seit Wordperfect 2000 einen XML-Editor, in der Version 11 kam eine direkte Unterstützung für den Docbook-Standard (http://www.docbook.org/) hinzu. Wordperfect Office 12 enthält zudem einige Funktionen, die in den traditionellen Anwendungen nützlich sind und bei Microsoft fehlen. Dazu zählt der überarbeitete PDF-Export in der Textverarbeitung und in Präsentationssoftware. Letztere sieht seit der Version 2002 auch die Speicherung von Folien im Flash-Format vor.

Zahlreiche Anreize für Microsoft-Umsteiger

Die Kompatibilität mit dem übermächtigen Konkurrenten aus Redmond ist in vielen Fällen die erforderliche Voraussetzung, um Wechselwillige überhaupt ansprechen zu können. Anreize zum Umstieg bietet Corel überall dort, wo Microsoft die Loyalität seiner Kunden auf die Probe stellt. Dazu zählen der Preis, Lizenzbedingungen und Systemanforderungen. Die Kanadier verkaufen das Update für 99 Euro, wobei sogar Microsoft Works als Voraussetzung anerkannt wird. Corel bietet zudem konkurrierende Lizenzen an, so dass nicht pro Arbeitsplatz bezahlt werden muss, sondern nur für die maximale Zahl gleichzeitig genutzter Kopien. Darüber hinaus entfällt die bei Microsoft notwendige Aktivierung der Software. Schließlich kommt Wordperfect mit älteren Windows-Versionen zurecht. Im Gegensatz zu Microsoft Office 2003 läuft es auch auf NT 4 oder Windows 98 SE.

Corel und Linux-Lager ringen um zweiten Platz

Insgesamt setzt sich Corel das realistische Ziel, den vom Branchenprimus übrig gelassenen Restmarkt anzuführen. Zusätzlich sollen Kunden bei den wechselwilligen und unzufriedenen MS-Office-Nutzern gewonnen werden. Mit diesem Vorhaben knabbert das Unternehmen nur an den Rändern des Microsoft-Kuchens, indem es aus der natürlichen Fluktuation Nutzen ziehen will. Als Hauptkonkurrent von Wordperfect kommt daher in erster Linie Open/Star Office von Sun Microsystems in Frage. Gerade die freie Version erfreut sich zunehmender Beliebtheit und kann einen ähnlichen Funktionsumfang vorweisen wie die kommerziellen Konkurrenten. Open Office hat sich besonders im entstehenden Markt für Desktop-Linux quasi als Standard etabliert. Corel hingegen stellte mit der Version 12 die Unterstützung für Linux ein. Das Rennen um Platz zwei hinter Microsoft hängt daher möglicherweise davon ab, wie schnell sich Linux am Desktop verbreitet.

Neue Features

- Workspace Manager zur Auswahl der gewünschten Bedienerführung;

- "Wireless Office" zur Synchronisierung mit mobilen Geräten;

- erweiterter PDF-Export;

- zusätzliche Dokumentvorlagen unter der Bezeichnung "Office Ready";

- verbesserte Kompatibilität mit Microsoft Office.