CW-Gespräch mit Kasper Rorsted, Managing Director Europe, Middle East & Africa (Emea) von Hewlett-Packard

"Wir müssen nicht in Sack und Asche gehen"

30.01.2004
Die Umstrukturierung des Enterprise- und Servicegeschäfts, der Kampf um die "PC-Krone"mit Dell, die noch stärkere Fokussierung auf Consumer-Elektronik: Für Hewlett-Packards Europa-Chef Kasper Rorsted ist dies alles kein Problem. Im Gespräch mit CW-Redakteur Gerhard Holzwart skizzierte der HP-Manager die strategische Positionierung des Konzerns.

CW: Im vergangenen November hat HP für das vierte Fiskalquartal erstmals seit der Übernahme von Compaq in allen Konzernsparten schwarze Zahlen ausgewiesen. Für viele Analysten war dies der Beweis für den Erfolg des Mergers. Um so überraschender kam kurz danach die Ankündigung, dass die Unternehmensbereiche Enterprise Systems und Services zur neuen Technology Solutions Group (TSG) zusammengelegt werden sollen. Welche Gründe gab es für diese doch sehr einschneidende Maßnahme?

Rorsted: Man sollte diese Entscheidung nicht überbewerten. Ich denke, dass es rund zwei Jahre nach der Fusion mit Compaq einfach notwendig war, nochmals über Strukturen nachzudenken. Wir haben uns in der zurückliegenden Zeit konsolidiert, die Produkt- und Servicepalette bereinigt und natürlich intern auch zusammenfinden müssen. Jetzt geht es darum, wie man sich künftig bestmöglichst für weiteres Wachstum aufstellt.

CW: Vielen Beobachtern ging die Umstrukturierung der Company nicht schnell genug - vor allem auch, weil die Profitabilität einiger Sparten wie etwa Enterprise Systems lange auf sich warten ließ. Liegt nicht darin der wahre Grund für die erneute Umstrukturierung?

Rorsted: Nein. Die Geschäftseinheit Enterprise Systems war ja, wie man den von Ihnen erwähnten Ergebnissen des vierten Quartals entnehmen konnte, auf einem guten Weg. Ich teile auch nicht unbedingt die Kritik einzelner Analysten. In Europa jedenfalls hat HP in den beiden vergangenen Jahren seinen Marktanteil insgesamt halten können und auch ordentliche Ergebnisse erwirtschaftet.

Jetzt stehen aber Wachstum und die neue Herausforderungen im Markt im Vordergrund. Die Nachfrage zieht wieder leicht an. Nur die Bedürfnisse der Anwender haben sich geändert! Sie wollen nicht mehr nur Hardware oder Software, sondern auf ihre Belange zugeschnittene IT-Lösungen. Insofern war es wichtig, über die Schnittstelle zum Kunden nachzudenken.

CW: Der Trend, den Sie hier beschreiben, ist ja nicht neu. Läuft HP hier nicht mit der Umorganisation dem großen Wettbewerber IBM hinterher?

Rorsted: Natürlich kann man fragen, warum habt ihr das nicht schon vor zwei Jahren gemacht? Meine Antwort ist: Damals waren HP und Compaq eben noch sehr produktorientiert aufgestellt - wie die meisten anderen IT-Anbieter auch. Wir sehen da im Übrigen auch keinen Anlass, jetzt in Sack und Asche zu gehen. Und wir erkennen kein Defizit gegenüber dem von Ihnen genannten Wettbewerber. HP war und bleibt Technologieführer in vielen wichtigen Segmenten des IT-Marktes.

CW: Bei allem Verständnis für Synergieeffekte: Könnte es bei der Zusammenlegung der Sparten Enterprise Systems und Services in Sachen Herstelleroffenheit nicht zu Problemen kommen? Zumindest ließe sich IBM Global Services noch unterstellen, dass dieser Anbieter bei der Hardwareauswahl zunächst neutraler berät, weil der reine Produktvertrieb bei Big Blue noch in einer separaten organisatorischen Einheit angesiedelt ist.

Rorsted: Ich halte das Argument der Herstellerneutralität für einen Etikettenschwindel. Wenn Kunden mit einem unserer Key-Account-Manager verhandeln, erwarten die doch nicht ein flammendes Bekenntnis zu IBM-Produkten, sondern Know-how und Flexibilität, was das HP-Portfolio angeht. Was die Anwender allerdings zu Recht von einem Anbieter wie HP einfordern, ist eine plattformübergreifende und nach Möglichkeit auch auf Branchen fokussierte Lösungskompetenz. Wenn also beispielsweise unsere Service-Division ein SAP-Projekt auf bereits vorhandenen Sun- oder IBM-Rechnern realisieren kann, wird sie das tun. Unser Vertrieb wird sich aber auch in Zukunft erlauben, darauf hinzuweisen, dass HP im Zweifel die besseren Maschinen und die effektiveren Realisierungskonzepte hat.

CW: Wann soll die Umstrukturierung abgeschlossen sein - und ist mit diesen Maßnahmen auch ein signifikanter Verlust von Arbeitplätzen verbunden?

Rorsted: Unser Zeitplan sieht vor, das wir Ende April, also mit Abschluss unseres zweiten Quartals, so weit sind, in den neuen Strukturen zu arbeiten. Nennenswerte Auswirkungen auf die Mitarbeiterzahl insgesamt sehe ich in meinem Verantwortungsbereich nicht. Wir werden immer - je nach Marktlage - in einzelnen Business Units Leute einstellen oder auch Mitarbeiter abbauen. Ich möchte bei dieser Gelegenheit aber auch darauf hinweisen, dass HP in letzter Zeit gerade in Europa im Zuge von Outsourcing-Projekten die Belegschaft um mehrere tausend Mitarbeiter erhöht hat.

CW: Outsourcing ist ein gutes Stichwort, wenn es um den "Dienstleister" HP geht. Ihr Unternehmen konnte zuletzt eine Reihe großer Outsourcing-Deals melden - viele andere namhafte Wettbewerber allerdings auch. Nach wie vor monieren Kritiker deshalb die mangelnde Größe und Bedeutung von HP in diesem Markt.

Rorsted: Erstens ist HP in drei Segmenten des IT-Servicemarktes tätig. Unsere Support- und Maintenance-Umsätze wachsen analog zum Produktgeschäft. Dort sehe ich wenig Handlungsbedarf. Zweitens wissen wir alle, dass es im Bereich der Systemintegration momentan sehr schwierig ist. Die Kunden sind nach wie vor zurückhaltend bei der Vergabe größerer IT-Projekte, außerdem gibt es Überkapazitäten im Markt. Ich denke, dass einige Wettbewerber ein Lied davon singen können. Drittens sehen wir derzeit - wie im Übrigen auch die Marktforscher - die größten Wachstumsmöglichkeiten bei großen Outsourcing-Verträgen.

Wichtig ist auch das zusätzliche Know-how, das wir beispielsweise bei jüngsten Projekten mit Procter & Gamble oder der Bank of Ireland in Form besonders qualifizierter Mitarbeiter gewinnen konnten - etwa im AS/400- oder SNA-Umfeld der IBM. Damit sind wir in der Lage, unsere Kundenbasis in Zukunft deutlich zu erweitern. Insofern kann ich auch mit dem Vorwurf, dass wir uns mit der Größe von IBM Global Services oder EDS noch nicht messen können, gut leben. Wir werden hier sicher in den nächsten Jahren überdurchschnittlich wachsen, wollen dabei jedoch die Qualität unserer Dienstleistungen nicht verwässern.

CW: Ist diese Aussage so zu interpretieren, dass HP den Kauf eines größeren IT-Dienstleisters oder IT-Beratungshauses definitiv ausschließt?

Rorsted: Ausschließen sollte man nie etwas. Aber eine vergleichsweise große Übernahme muss in die Konzernstrategie passen und uns weiter bringen. Natürlich reden momentan alle der bevorstehenden Konsolidierung im Servicemarkt das Wort. Wir werden uns aber nicht um einige der von mir angesprochenen Überkapazitäten im Markt bemühen, nur um ein vermeintliches Umsatzwachstum zu erzielen. Ich möchte zudem noch auf einen anderen Aspekt hinweisen: Wenn Sie ein großes Outsourcing-Projekt gewinnen und dabei zum Teil 1000 oder mehr IT-Professionals samt Rechenzentrum übernehmen, ist dies im Prinzip doch nichts anders als eine große Akquisition.

CW: Wachstum im Servicegeschäft weitgehend nur durch große Outsourcing-Deals anzustreben ist aber in vielerlei Hinsicht eine gefährliche Strategie. Auch davon könnten einige Ihrer Wettbewerber inzwischen berichten?

Rorsted: Ich bin durchaus Ihrer Meinung, wenn es um die bekannten Risiken großer Outsourcing-Projekte geht. Mein Punkt ist jedoch ein anderer: Schauen Sie sich zum Beispiel den PC-Markt, den Unix- oder Intel-Server-Markt an - drei Bereiche, wo HP der führende Anbieter ist. Die jeweiligen Top-Drei-Hersteller zusammen haben dort in Europa zwischen 60 (PCs) und 90 Prozent (Unix-Server) Marktanteil. Hohe Wachstumsraten wie in der Vergangenheit zu erzielen, dürfte also in diesen Märkten zukünftig schwieriger werden. Im Servicemarkt ist diese Konsolidierung bei weitem noch nicht so ausgeprägt. Darüber hinaus reden wir hier nach wie vor von größeren Margen.

Was uns nun bei HP besonders umtreibt, ist die Frage, wie wir als integrierter Technologiekonzern all unser Produkt-Know-how und das gesamte Portfolio so bündeln und mit entsprechenden Services anbieten können, dass wir nicht nur die Belange unserer Kunden besser adressieren, sondern auch mehr Wachstum generieren. Beispiele für dieses Bemühen können Sie überall im Markt entdecken, wenn Wettbewerber etwa mit Schlagworten wie "E-Business-on-Demand" operieren.

CW: Damit sind wir zwangsläufig beim "Adaptive Enterprise" von HP. Welche Erwartungen verknüpft Ihr Unternehmen mit dieser Strategie, die sich vielen Beobachtern letzten Endes doch nur als neue Facette des Outsourcings darstellt?

Rorsted: Natürlich ist das eine neue Spielart von Services - die aber genau auf die Bedürfnissse der Kunden zugeschnitten ist. Der Markt für solche Dienstleistungen wird in den kommenden Jahren vielleicht nicht explodieren, aber deutlich wachsen. Die meisten Outsourcing-Projekte, die wir zuletzt gewonnen haben, basieren auf diesem neuen Utility-Data-Konzept. Der Grund ist einfach: Die Kunden wollen Flexibilität und möglichst geringe feste Kosten. Und sie konnten sich davon überzeugen, dass wir nicht nur Powerpoint-Folien, sondern Produkte und Lösungen mit einem klar skizzierten Return on Investment anbieten können.

CW: Anderes Thema: Das Jahr 2003 brachte für den PC-Primus HP nach vorläufigen Zahlen von Gartner und IDC eine Schlappe. Erstmals konnte der Erzrivale Dell mehr Rechner ausliefern. Wie reagiert man bei HP darauf?

Rorsted: Die vorläufigen IDC-Zahlen für die Region Emea sehen HP sowohl im vierten Quartal als auch für das Kalenderjahr 2003 vorn, wenn Sie alle PC-Produkte und die PC -Server zusammen betrachten. Ich möchte mich hier meinem Kollegen Eric Cador anschließen, der für HP das PC-Geschäft in Europa verantwortet und der unlängst darauf hingewiesen hat, dass wir weiterhin auf unsere Erfolgsfaktoren zählen können - technische Innovationen zu einem günstigen Preis. Hier spielt auch unser Partnernetz eine wichtige Rolle. Weltweit wird es im PC-Business wahrscheinlich auch im kommenden Jahr beim Kopf-an-Kopf-Rennen mit Dell bleiben.

CW: Die künftige Rolle des PC wird ja durch die jüngsten Marktentwicklungen wieder einmal in Frage gestellt. HP und Dell beispielsweise haben angekündigt, LCD-Fernseher auf den Markt bringen zu wollen.

Rorsted: Zunächst einmal glaube ich nicht, dass der PC keine Zukunft mehr hat. Dieses Thema hatten wir ja schon öfter. Allerdings wird das Spektrum der Desktop-Anwendungen immer breiter - in Unternehmen und im privaten Sektor. Denken Sie nur an das Thema Mobility.

HP begreift sich heute schon als der größte IT- und Consumer-IT-Anbieter, weil wir die digitale Wertschöpfungskette vom PC und Fernseher über die Kamera bis hin zum Drucker im Markt am komplettesten abdecken können. Natürlich kommen wir hier in einen Bereich, wo wir eher mit Firmen wie Sony und Samsung konkurrieren als mit der IBM. Sie haben auch noch Dell angesprochen: Ohne unserem wichtigsten Wettbewerber im PC-Sektor zu nahe treten zu wollen, sehe ich die Rolle dieses Unternehmens auch in Zukunft eher in der eines Assemblers und nicht so sehr in der eines Technologieführers.