Erste Eindrücke vom Multiuser-NT

Windows Terminal Server soll PC-Administration vereinfachen

07.08.1998

Der Unterschied zwischen einem gewöhnlichen NT-Server und dem WTS besteht darin, daß bei letzterem alle Anwendungen vollständig auf dem Server ablaufen. Der Arbeitsplatzrechner fungiert nur noch als Terminal, stellt also die Bildschirmausgaben des Servers dar und überträgt die Tastatureingaben und Mausbewegungen des Benutzers. Für die Kommunikation zwischen Terminal und Server nutzt Microsoft das Remote Desktop Protocol (RDP). Dieses basiert auf dem T.120-Standard der International Telecommunication Union (ITU) und kommt bereits bei Microsofts Konferenz-Tool "Netmeeting" zum Einsatz. Im Gegensatz zu ICA von Citrix läßt sich das RDP nur über TCP/IP nutzen. Beim Zugriff über das Internet auf den Firmen-Server soll eine RC4-Verschlüsselung für die nötige Sicherheit sorgen. Wegen der amerikanischen Exportbestimmungen wird außerhalb der USA und Kanada nur eine Schlüssellänge von 40 Bit eingesetzt.

Winframe-Konfiguration kann übernommen werden

Anwendern von "Citrix Win- frame" bietet Microsoft eine Upgrade-Option an. Die Benutzerdatenbank und installierte Anwendungen lassen sich so in die WTS-Umgebung übernehmen. Diese Möglichkeit besteht jedoch nicht für normale NT-4.0-Server. Eine komplette Neuinstallation, die übrigens weitgehend einer normalen NT-Einrichtung gleicht, ist in diesem Fall unvermeidlich.

Aus der Sicht des Administrators unterscheidet sich der WTS durch zusätzliche Verwaltungswerkzeuge von einem gewöhnlichen NT-Server. Sie sind für das Management WTS-spezifischer Features gedacht. Dazu zählen "Terminal Server Administration" und die "Terminal Server Connection Configuration". Erstere gewährt einen Einblick in die Liste der angemeldeten Benutzer und die von ihnen gestarteten Prozesse. Der Systemverwalter hat hier die Möglichkeit, Nachrichten an die Anwender zu senden und einzelne Sitzungen zu beenden.

Die meisten Funktionen der Connection Configuration bietet auch der Benutzer-Manager an. So läßt sich damit beispielsweise der Netzzugang zum WTS sperren, verschiedene Timeouts können festlegt werden oder der Start einer bestimmten Applikation wird verbindlich gemacht. Hier stellt der Verwalter auch ein, wie der WTS reagiert, wenn Benutzer die Verbindung zu ihm unterbrechen. Die Session kann entweder beendet oder aber beibehalten werden. Im zweiten Fall setzen vom Anwender gestartete Anwendungen auch während der Offline-Zeit ihre Tätigkeit fort.

Anwendungsprogramme dürfen unter dem WTS nicht einfach über ihr Setup-Programm installiert werden. Statt dessen soll der Administrator dafür den eigens mitgelieferten Assistenten nutzen. Er bietet die Möglichkeit, Applikationen für den Mulituser-Betrieb vorzubereiten. Eine Garantie für ein problemloses Funktionieren der Software bekommt man allerdings auch so nicht. Grundsätzlich kann auf dem WTS zwar jede Anwendung gestartet werden, die auch unter Windows NT 4.0 läuft, ob sie dann auch Multiuser-fähig ist, muß im einzelnen geprüft werden. Problematisch sind vor allem jene Anwendungen, die benutzerspezifische Einstellungen nicht im dafür vorgesehenen Bereich der Windows-Registrierung speichern oder Konfigurationsdateien nicht im Benutzerverzeichnis ablegen. Alle Anwender müssen dann mit denselben Einstellungen arbeiten. Außerdem sind einige weitere Besonderheiten für die WTS-Tauglichkeit von Programmen zu berücksichtigen. CPU- oder RAM-hungrige Anwendungen wie Compiler oder CAD-Anwendungen können ein Multiuser-System ausbremsen. Der Einsatz von Back-end-Anwendungen wie Back Office ist nicht empfehlenswert, da der WTS Front-end-Anwendungen wie MS Office bei der Zuteilung von Prozessorzeit bevorzugt. Bitmap-Grafiken sind weniger für den Server als für die Bandbreite des Netzes ein Problem. Ansonsten halten Kompression und Caching die Netzlast relativ gering. Selbst mit einem Modem läßt sich der WTS noch steuern, wenngleich es hier zu Verzögerungen beim Bildschirmaufbau kommt. Im LAN reagieren Anwendungen am Client ähnlich gut wie an der Konsole.

WTS unterstützt nur Windows-Clients

Die Client-Software für den PC, der "Client Connection Manager", der übrigens problemlos auf einer Diskette Platz hat, erhält man mit dem Kauf des WTS. Sie liegt in Versionen für Windows 3.11, Windows 95, NT und Windows CE vor. Installation und Konfiguration sind schnell geschehen. Lediglich die IP-Adresse des WTS, Benutzername und Kennwort muß man wissen. Zusätzlich einstellen läßt sich die Auflösung des Terminalfensters und ob eine schnelle oder langsame Verbindung zum Server vorliegt. Anwender können auf ihrem Desktop Icons anlegen, die mit Applikationen auf dem WTS verknüpft sind. Mit einem Mausklick kann man sich so am Server anmelden und das jeweilige Programm starten.

Bemerkbar wird der Unterschied zwischen Server-gestützten und lokalen Anwendungen, wenn auf Ressourcen des Desktop-Rechners zugegriffen werden soll. Dies ist nämlich nur auf Umwegen möglich. Laufwerke sowie Drucker gibt der Anwender zunächst am Arbeitsplatzrechner frei und spricht sie anschließend auf dem WTS als Netzwerkressourcen an. So muß der Drucker des Arbeitsplatzrechners auf dem WTS als Netzwerkdrucker installiert werden. Für den Datenaustausch zwischen lokalen Programmen und WTS-Anwendungen steht Cut and paste leider nicht zur Verfügung. Die Soundkarte und das lokal installierte Modem sind ebenfalls aus dem Terminalfenster nicht ansprechbar.

Umständlicher Zugriff auf lokale Ressourcen

Diese mangelnde Integration von lokalen Ressourcen legen den Einsatz des Arbeitsplatzrechners als reines Terminal nahe. Der Client Connection Manager kann für diesen Fall so konfiguriert werden, daß der WTS-Desktop den gesamten Bildschirm ausfüllt. Für den Anwender gestaltet sich die Arbeit dann exakt wie an der Konsole. Selbst ein 386er kann so noch als Arbeitsplatz für ein 32-Bit-Windows dienen. Die Rechenleistung stellt ja der Server zur Verfügung, der dafür, je nach Zahl der Anwender, davon um so mehr benötigt.

Ein Pentium II oder Pentium Pro (200 Megahertz) kann laut Microsoft 15 bis 25 Benutzer gleichzeitig bedienen. Für jeden User muß man mindestens mit 4 bis 8 MB Arbeitsspeicher rechnen, und für das Betriebssystem sind noch mal 32 MB zu veranschlagen. Allerdings gelten diese Angaben nur für den Idealfall. Wieviel tatsächlich benötigt wird, hängt von der Art der Anwendungen und vom Nutzerverhalten ab.

Das Hauptversprechen des WTS liegt in der Reduktion des Verwaltungsaufwands, weil die Software zentral auf dem Server installiert und administriert wird. Die viel gescholtene Total Cost of Ownership von Windows könnte dadurch gesenkt werden. Lizenzkosten für Software lassen sich allerdings keine einsparen. Für jeden Client ist nämlich eine NT-Workstation-Lizenz fällig, und auch die Anwendersoftware muß für jeden Client extra erworben werden.

Der WTS mit zehn Client-Lizenzen geht in den USA für 1129 Dollar über den Ladentisch, was exakt dem Preis des Windows NT 4.0 Servers entspricht. Rechnet man noch die zehn Workstation-Lizenzen hinzu, dann ist man aber schon bei 3819 Dollar. Die deutschsprachige Version wird voraussichtlich im Oktober auf den Markt kommen und folgt auf Basis der hierzulande gültigen Lizenzkosten dem gleichen Preisschema.

Michael Pietroforte (M.Pietroforteqeuro-mail.com) arbeitet als freier Autor in München.