Kognitive Intelligenz

Wie Nvidia das Autonome Fahren revolutionieren will

05.10.2016
Von 


Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
Beim Thema Autonomes Fahren denkt man automatisch an Dinge wie Objekterkennung, Mapping und komplexe Algorithmen. Nvidia wählte bei seinem Testauto BB8 einen völlig anderen Ansatz; dieses „lernt“ wie ein Teenager selbst fahren, indem es das Verhalten von menschlichen Fahrern beobachtet.
Look mum no hands!: Auch Nvidia ist mit einem autonomen Fahrzeug unterwegs.
Look mum no hands!: Auch Nvidia ist mit einem autonomen Fahrzeug unterwegs.
Foto: Nvidia

Jeder Führerscheinbesitzer wird sich noch an seine Fahranfänge erinnern können: Zunächst bewegt man sich nur ruckelnd und überaus vorsichtig vorwärts, doch mit den zurückgelegten Kilometern wird es zunehmend besser: Man lernt, beim Fahren die Zusammenhänge zu erkennen, etwa wie die Elemente die Fahrtrichtung beeinflussen - und wie man erfolgreich darauf reagiert.

Ein Ingenieursteam von Nvidia hat es nun geschafft, diese Erkenntnis auf ein Autonomes Fahrzeug zu übertragen und ihm das Fahren via Deep Learning beizubringen. Sie nutzten dazu ein künstliches neurales Netz (CNN - Convolutional Neural Network), um die gesamte Prozesskette zur Steuerung eines Autos zu lernen (mehr dazu).

Ein wichtiges Ziel des Projekts DAVE2 (DARPA Autonomous Vehicle 2) war es dabei, das vorprogrammierte Erkennen bestimmter Features wie Fahrbahnmarkierungen, Leitplanken oder anderer Fahrzeuge zu umgehen und auf die unzähligen Algorithmen und Regeln zu verzichten. Diese, so die Ansicht des Teams, seien nicht in der Lage, sämtliche Zufälligkeiten im Straßenverkehr abzudecken.

Zu diesem Zweck wurde dem neuronalen Netz ein mit Zeitstempeln versehenes Fahrvideo vorgespielt. Der Film zeigte zum einen die Perspektive aus der Sicht des (menschlichen) Fahrers, gleichzeitig wurde aber auch die dazugehörige Lenkradstellung übermittelt. Die Mehrheit der Straßendaten sammelte das Nvidia-Team dabei in New Jersey, einschließlich solchen von zweispurigen Straßen mit und ohne Fahrbahnmarkierungen, Straßen in Wohnsiedlungen mit geparkten Autos, Tunneln und sogar unbefestigten Wegen. Außerdem wurden sie bei verschiedenen Sicht- und Wetterverhältnissen gesammelt, etwa Wolken, Nebel, Schnee und Regen, Tag oder Nacht. Straßenumrisse zu erkennen

Mit Hilfe dieser Daten trainierte das Team dann das System, bei einem bestimmten Blick auf die Straße genauso wie ein Mensch zu fahren und erstellte dazu eine Simulation. Nachdem das angelernte CNN im Simulator eine solide Leistung zeigte, wurde es auf Nvidias Entwicklungsplattform für autonome Fahrzeuge, Drive PX, geladen und durfte seine ersten Testfahrten auf der Straße machen.

Wie auf einem nun veröffentlichten Video zu sehen ist, scheint die Lernmethode tatsächlich zu funktionieren: Wenngleich sich das BB8 genannte Fahrzeug zunächst zurechtfinden muss, fährt es nach einiger Übung sicher durch die Pylonen. Und da es auch nicht auf das Erkennen von Fahrbahnmarkierungen angewiesen ist, umfährt das Auto problemlos eine Baustelle und bewegt sich sicher auf zugewachsenen Feldwegen. Laut Nvidia waren dazu lediglich 20 Beispielfahrten mit einem Menschen am Steuer zu verschiedenen Uhrzeiten notwendig, ein Aspekt, der die Entwicklung im Bereich Autonomes Fahren deutlich beschleunigen könnte.

Ein weiterer interessanter Punkt ist, dass das Fahrzeug außerdem lernt, sein Fahrverhalten zu generalisieren. So zeigt das Video, wie ein Auto, das ausschließlich auf kalifornischen Straßen geübt hat, problemlos in New Jersey zurechtkommt.

KI-Modul für selbstfahrende Autos

BB8 ist nicht Nvidias einzige Aktivität im Bereich Autonomes Fahren, aber die einzige eigenständige. Daneben sind mit Baidu Car, nuTonomy, Volvo, WEpods mit Nvidia AI unterstützte autonome Autos in der Entwicklung. Außerdem offeriert der GPU-Spezialist Automobilherstellern und deren Zulieferern mit Drive PX 2 ein KI-Modul das die Entwicklung von selbstfahrenden Autos beschleunigen soll. So ist Drive PX 2 in der Lage, das Geschehen in der Umgebung des Fahrzeugs in Echtzeit zu erkennen, den eigenen Standort auf einer HD-Karte präzise zu bestimmen und den Fahrweg sicher zu planen.

Das mit Nvidia-Technologie bestückte WEpod-Fahrzeug fährt mit 25 Km/h eher behäbig, aber immerhin autonom.
Das mit Nvidia-Technologie bestückte WEpod-Fahrzeug fährt mit 25 Km/h eher behäbig, aber immerhin autonom.
Foto: Nvidia

Drive PX 2 wird in den drei Varianten AutoCruise (Tempomat-Funktionen, Stauassistent), AutoChauffeur (autonomes Fahren mit festem Start- und Endpunkt) und Full Autonomy (vollständiges autonomes Fahren) angeboten.

Kooperation mit TomTom

Wie Nvidia-CEO Jen-Hsun Huang auf der erstmals stattfindenden europäischen Hausmesse GTC Europe bekannt gab, nutzt der Navigationsspezialist TomTom künftig die AutoCruise-Version von Drive PX 2 in seinen Kartierungsfahrzeugen, um genaueres HD-Kartenmaterial für autonome Fahrzeuge zu sammeln (HD-Mapping). Die Daten will TomTom dann in einen Cloud-Service einbinden und autonomen Fahrzeugen bereitstellen. Aktuell haben die Niederländer bereits mehr als 120.000 Kilometer Landstraßen und Autobahnen mit HD Mapping erfasst - von insgesamt mehr als 60 Millionen Kilometern.

Mit Nvidia Driveworks wird mithilfe verschiedener Komponenten eine virtuelle Karte erstellt, in der das autonome Fahrzeug seinen Weg erkennt.
Mit Nvidia Driveworks wird mithilfe verschiedener Komponenten eine virtuelle Karte erstellt, in der das autonome Fahrzeug seinen Weg erkennt.
Foto: Nvidia

Als weiteren Baustein stellt Nvidia Autoherstellern und –zulieferern mit Driveworks Alpha 1 ein Software-Entwicklungskit (SDK) für das autonome Fahren zur Verfügung. Dieses umfasst neben Referenzanwendungen, Tools und Bibliothekmodulen ein Laufzeit-Pipeline-Framework, in dem alle Aspekte des Autofahrens integriert sind: von der Erkennung über Kartografie und Lokalisierung bis hin zur Wegplanung und Visualisierung.