Wie IT-Unternehmen ihre Personalkosten senken

22.05.2009
Übereilt Mitarbeiter zu entlassen ist kein Ruhmesblatt. Einige IT-Firmen haben aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt.

Dell streicht Stellen in der Produktion, Novell macht mehrere Büros dicht, und Nokia wirft gleich 1700 Leute raus. Viele Jobs sind bedroht. Selbst Google, IBM und Microsoft müssen auf die Bremse treten. Bei aller Angst, die solche Nachrichten hervorrufen, heißt es in diesen Tagen, Ruhe zu bewahren. Zwar steckt laut einer Umfrage von Towers Perrin bereits jedes vierte Unternehmen in der Restrukturierung. "Die IT-Branche ist aber noch nicht so betroffen wie die Automobilindustrie, Finanzdienstleistung und der Maschinenbau", beschwichtigt Towers-Perrin-Berater Martin Hofferberth. Noch beruhigender klingt, was Bitkom-Sprecher Stephan Pfisterer über den IT-Arbeitsmarkt vermelden kann: "In deutschen Betrieben herrscht ein stabiles Beschäftigungsniveau. Alle rund 15.000 Informatikabsolventen werden 2009 einen Job finden."

Viele Personalleiter können sich laut Hofferberth weder erklären, warum die Probleme entstanden sind, noch ahnen sie, was ihnen noch ins Haus steht. "Einigen fällt es schwer, verlässliche Pläne aufzustellen. Andere verschieben die Auszahlung von Boni für 2008 um ein halbes Jahr." Auch Karl-Heinz Stroh, Personalvorstand der Heimwerker-Marktkette Praktiker, tut sich schwer: "Dauert die konjunkturelle Schwäche noch länger, müssen wir Neuland betreten." Alles was der Beschäftigungssicherung diene, habe "unbedingt Vorrang".

Kurzarbeit und Einstellungsstopp

Als erstes Handelsunternehmen meldete Praktiker Kurzarbeit an und verhängte einen Einstellungsstopp in allen nicht kundennahen Bereichen. Um weitere Personalkosten zu sparen, möchte Stroh zusätzlich dem Beispiel der Metallindustrie folgen, wo viele Betriebe die zuvor vereinbarte tarifliche Gehaltserhöhung verschieben. Ebenfalls geplant ist, die Arbeitszeit bei entsprechendem Gehaltsverzicht abzusenken. Stroh hofft, dass die Sozialpartner mitziehen, um Entlassungen abzuwenden.

Auf die eigene IT legt Stroh ein besonderes Augenmerk. Nicht antasten in der Krise will er den "Nukleus an sehr gut qualifizierten Fachkräften, unser Investment in die Zukunft". Damit meint er etwa diejenigen, die an der Schnittstelle zu Service-Providern "das Prozess-Know-how haben und die Qualität bei der Einhaltung der Service-Level-Agreements (SLA) sichern". Wie andere Anwender will auch Praktiker Outsourcing-Verträge neu verhandeln, Laufzeiten verkürzen oder ausgelagerte Services ins Unternehmen zurückholen.

Wenn Anwender wie Praktiker Kosten einsparen, schlägt dies auf die Lieferanten durch. Lizenzumsätze rauschen in den Keller, und margenträchtige Services stehen auf den Prüfstand. Sofort rückt der Personalaufwand als größter Kostenblock ins Visier. Bereits im Herbst kündigte SAP Einsparungen an. Nach dem Motto "Kleinvieh macht auch Mist" wurde das Reise- und Verköstigungsbudget gekürzt. "Allein für Kunden-Meetings darf der Caterer gerufen werden", erläutert SAP-Sprecher Günther Gaugler.

Nullrunde bei SAP

Als im ersten Quartal die Softwareerlöse um ein Drittel sanken, wurde die zweite Restrukturierungsrunde eingeläutet: Medienberichten zufolge gibt es erstmals in der SAP-Geschichte eine Nullrunde beim Gehalt, rund 45 Millionen Euro spart SAP damit ein. Bis Ende 2009 soll die Mitarbeiterzahl von weltweit 51.500 auf 48.500 sinken, nach Angaben der Gewerkschaft Verdi entfallen allein in Deutschland 640 Stellen. Um Mitarbeitern den Abgang zu versüßen, würden hohe Abfindungssummen in Aussicht gestellt. Mit dem Betriebsrat vereinbart seien für die ersten 15 Jahre Betriebszugehörigkeit zwei Monatsgehälter pro Jahr. Ab dem 16. Jahr ist es noch ein volles Monatsgehalt mehr, heißt es bei Verdi.

Die Maßnahme kommt so gut an, dass mehr Mitarbeiter ausscheiden wollen als vorgesehen. Gaugler zufolge wird jeder Fall geprüft, das Management kann sein Veto einlegen: "Schließlich wollen wir nicht unsere Schlüsselkräfte verlieren." Weniger zimperlich gegenüber Beschäftigten ist Hewlett-Packard. Tausende Arbeitsplätze vor allem bei der HP-Tochter EDS sollen wegfallen. In betroffenen Regionen schalteten sich Ministerpräsidenten ein.

Personalabbau trotz hoher Gewinne

Dass internationale IT-Konzerne trotz hoher Gewinne Personal abbauen wollen, ist für Helga Schwitzer, im Vorstand der IG Metall für die IT-Branche zuständig, nicht nachzuvollziehen. "Viele Firmen interessiert nicht die Bohne, dass Tausende Mitarbeiter in anderen Ländern wegen der Shareholder-Value-Politik ihre Arbeitsplätze verlieren." Wenn Beschäftigte eines von Schwitzer nicht namentlich genannten amerikanischen Konzerns freiwillig auf drei bis fünf Prozent Gehalt verzichten sollten und Vorgesetzte gleichzeitig Abbaugespräche führten, "ist das pure Erpressung". Schwitzer meint, viele Manager würden auf der Krisenstimmung "mitsurfen". Ohne wirklich betroffen zu sein, werde mit Gehaltssenkung und Kündigungen gedroht.

Bei IBM scheint man solche Kritik ernst zu nehmen. Die internen Arbeitsplätze sind sicher – noch: Um Kosten zu sparen, wurden jüngst zahlreiche Verträge mit IT-Freiberuflern vorzeitig gekündigt. Und wer ab August 2009 bei IBM einen Arbeitsvertrag unterschreibt, erhält keine betriebliche Altersversorgung mehr. In guten Zeiten würden solche Einschnitte Belegschaften auf die Barrikaden treiben. In der Krise indes wird die Politik der kleinen Schritte begrüßt, solange es keine Kündigungen gibt. Nur neun Prozent der deutschen Personalleiter, ergab eine Umfrage des Freiburger Haufe-Verlages, erwägen betriebsbedingte Kündigungen.

Dass das Management in der IT-Branche kühlen Kopf bewahrt, zeigt auch Dieter Schoon, Personalchef der Bielefelder Itelligence. Er senkt das Personalbudget, indem Trainings kaum noch extern stattfinden und Mitarbeiter dafür genauer ausgewählt werden. Zudem werde zweiter Klasse geflogen und nur im Einzelfall mit Headhuntern zusammengearbeitet. Auch dies ist in der Krise nötig: "Zum Kicken treffen wir uns nicht mehr wie früher freitags um zwei, sondern erst am Samstag."

Nicht gespart wird an den geldwerten Nebenleistungen. Wer einen BMW als Firmenwagen fahre, müsse nicht befürchten, in einen Passat gedrängt zu werden. Freilich ist Gespür für Kosten gefragt: "Ehe drei Berater mit drei Autos zum Kunden fahren", erwartet Schoon, "sollten sie sich in einem Wagen auf die Reise begeben." Viele IT-Dienstleister würden diese Politik der kleinen Schritte befolgen, beobachtet Hartmut Lüerßen vom Marktforscher Lünendonk. Personal, das wegen auf Eis gelegter Projekte nicht eingesetzt werden kann, baue Zeitkonten ab, nehme Urlaub und qualifiziere sich weiter. Lüerßen: "Manchmal müssen Berater auch Vertriebsaufgaben übernehmen, zum Beispiel Neukunden akquirieren und Angebote erstellen."

Glück im Unglück hatte der IT-Dienstleister Sepago. Kurz bevor der "Credit Crunch" die Wirtschaft weltweit kollabie-ren ließ, verkauften die Kölner dem US-Konzern Citrix ein selbst entwickeltes Tool. "Der Deal war wie ein Ritterschlag und brachte uns ordentlich Cash", sagt Geschäftsführer Carsten Brüggerhoff. Inzwischen sind die Amerikaner in den Abwärtssog geraten und entlassen viele Mitarbeiter. Der eine oder andere heuerte gleich bei Sepago an. "Früher kannte uns niemand", sagt der Manager. "Nun bewerben sich Leute, die wir vorher kaum hätten gewinnen können."

Kurzarbeit plus Schulung

Fünf vor zwölf ist es hingegen beim Lünener IT-Dienstleister Itemis. Der mehrmals als Arbeitgeber ausgezeichnete Spezialist für modellbasierende Softwareentwicklung musste seine Berater sogar in Kurzarbeit schicken. "So katastrophal wie heute war es selbst nicht, als der neue Markt kollabierte", sagt Vorstand Jens Wagener. Entschlossen zog Itemis die Reißleine: Gestrichen wurden die variablen Gehaltsbestandteile.

Dafür gibt Itemis eine Beschäftigungsgarantie und investiert offensiv. Neben dem Vertrieb, der Banken als neue Zielgruppe erschließen soll, intensiviert Itemis seine Forschungsaktivitäten als Mitglied der Eclipse Automotive Working Group. Mitarbeiter in Kurzarbeit, deren reduziertes Gehalt von der Firma bezuschusst wird, werden derzeit intensiv geschult.

(hk)