Gartner-Untersuchung zu Desktop-Austauschzyklen

Wenn alte PCs zu Kostentreibern werden

17.10.2003
MÜNCHEN (kf) - Wer hofft, durch verlängerte Desktop-Lebenzyklen signifikante Einsparungen zu erzielen, liegt laut Gartner falsch. Nach Meinung des Marktforschungsinstituts werden bei der Ermittlung der PC-Gesamtkosten versteckte Faktoren übersehen.

Angesichts der nach wie vor prekären Wirtschaftslage zögern viele Unternehmen den Austausch ihrer älteren PCs hinaus. Auch Firmen, die mit dem quelloffenen Betriebssystem Linux als Desktop-Plattform liebäugeln, ziehen einen ausgedehnteren Rechnereinsatz in Erwägung. Laut Gartner dürften die darüber zu erzielenden Einsparungen allerdings geringer ausfallen als erwartet.

Entgegen der landläufigen Annahme, ein PC verursache nach Ablauf der dreijährigen Abschreibungsperiode keine nennenswerten Kosten mehr, liegen die jährlichen Gesamtaufwendungen für ein vier bis sechs Jahre genutztes Gerät etwa auf dem Niveau derer, die lediglich drei Jahre lang ihren Dienst verrichten. Zu diesem Ergebnis kam eine vergleichende Gartner-Untersuchung der Total Cost of Ownership (TCO) von Desktops innerhalb der dreijährigen Abschreibungsperiode bis hin zum sechsten Einsatzjahr. Demnach beträgt die diesbezügliche Kostenersparnis gerade einmal 1,7 Prozent.

Direkte Kosten - Tendenz fallend

Den Experten zufolge verlagern sich die Kosten für einen PC, der über vier Jahre hinweg oder länger im Einsatz bleibt, von Hardware, Software und Support auf indirekte Aufwendungen: Längere Reaktionszeiten und die unausweichliche Häufung von Ausfällen gehen zu Lasten der Mitarbeiterproduktivität und -motivation. Zu den direkten Kosten zählen nach Gartners TCO-Modell, das die durchschnittlichen jährlichen Gesamtkosten von PCs auf Basis von Windows 2000 Professional ermittelt, die Aufwendungen für Hard- und Software sowie deren Betrieb und Administration. Diese sinken vom dritten bis zum sechsten PC-Lebensjahr um insgesamt 7,4 Prozent, was Gartner vor allem auf rückläufige Hardwarekosten zurückführt. Für die Rechnerpflege hingegen zeichnet sich ein leichter Anstieg ab. Verursacht wird dieser nicht zuletzt durch die Heterogenität der IT-Umgebung, die zunimmt, wenn PCs länger eingesetzt werden.

Sparen können Anwender über eine längere PC-Nutzungsdauer an Anschaffungs- und Leasing-Kosten. Auch nimmt der mit der Bereitstellung von Software verbundene Aufwand ab, da die meisten Unternehmen Anzahl und Komplexität der Rechenaufgaben mit dem zunehmenden Alter ihrer Büroknechte reduzieren.

Steigen werden hingegen die Aufwendungen für Konfigurations- und Rekonfigurationsarbeiten an der Hardware, die es mit Hilfe regelmäßiger Upgrades für eine längere Lebensdauer zu rüsten gilt. Ein weiterer wichtiger Punkt sind laut Gartner die mit Ablauf der meist dreijährigen Garantiezeit anfallenden Extrakosten für die Wartung der Geräte. Darüber hinaus rechnen die Experten mit Mehraufwendungen für technischen Support - verursacht nicht zuletzt durch die Vielfalt an Software, die im Lauf eines ausgedehnten PC-Lebens installiert und deinstalliert wird. Last, but not least verweisen die Gartner-Spezialisten auf das Thema Entsorgung: Zwar dürfte der damit verbundene Arbeitsaufwand weitgehend unabhängig vom Alter der PCs sein, der über einen Verkauf der Gebrauchtgeräte zu erzielende Erlös allerdings mit jedem Lebensjahr geringer werden.

Indirekte Kosten - Tendenz steigend

Indirekte Kosten entstehen den Unternehmen dadurch, dass Anwender bei PC-Problemen selbst aktiv werden oder einander unter die Arme greifen. Nach Einschätzung von Gartner steigt dieser Posten mit der Dauer des Hardwarelebens - bei einem von drei auf sechs Jahre verlängerten PC-Zyklus um 3,7 Prozent. Die "Nachbarschaftshilfe" nimmt nach Ansicht der Analysten deshalb zu, weil es für Endbenutzer leichter ist, sich bei der Behebung eines PC-Problems gegenseitig zu unterstützen, wenn Hard- und Softwaregegebenheiten ähnlich sind. Auch erforderten PCs mit zunehmendem Alter mehr Eigeninitiative von Seiten der Anwender - nicht zuletzt aufgrund der erodierenden Zuverlässigkeit der Hardware sowie deren durch wiederholtes Installieren und Deinstallieren von Applikationen zunehmender Komplexität.

Versteckte Faktoren

Laut Gartner reduzieren Unternehmen in konjunkturell schwierigen Zeiten zunächst einmal die unmittelbar spürbaren direkten Kosten - insbesondere dann, wenn sich etwa der mit Neuanschaffungen verbundene Nutzen nur schwer beziffern lässt. Wer jedoch hinsichtlich der Gesamtkosten eine für sein Unternehmen sinnvolle Entscheidung treffen wolle, müsse auch alle jene Faktoren verstehen, die nicht in der TCO erfasst würden, mahnt Leslie Fiering, Research Vice President bei Gartner. Meist seien es die Vorteile neuen Equipments, die im Rahmen einer TCO-Berechnung unter den Tisch fielen. "Vorteile wie etwa ein nachweisbarer Geschäftsnutzen durch den Einsatz moderner und schneller PCs sollten quantifiziert und zu einem Business Case gemacht werden", empfiehlt der Analyst. In diesem Zusammenhang sei jedoch beispielsweise zu beachten, dass länger eingesetzte Geräte den Wildwuchs in Sachen Hardware und Betriebssysteme förderten - Effekte, die in ihrer Gesamtheit bei der Ermittlung der TCO nicht berücksichtigt würden. Umgekehrt fänden aber auch diejenigen Kosten, die dem Unternehmen bei kürzeren Austauschzyklen durch häufiger notwendige Betriebssystem-Migrationen entstehen, in der Aufstellung der jährlichen PC-Gesamtkosten keine Beachtung.

Im Vorfeld einer Entscheidung hinsichtlich der PC-Lebenszyklen müssten IT-Manager auch die indirekten Auswirkungen eines verlängerten Geräteeinsatzes auf die TCO ihrer Desktops identifizieren. Im Mittelpunkt stehe die Frage, an welchem Ende gespart werden soll: in der IT, wo kürzere Austauschzyklen zunächst einmal höhere Anschaffungskosten bewirken, oder beim Anwender, wo eine zu lange Einsatzdauer die Produktivität beeinträchtigen kann.

Grundsätzlich empfiehlt Gartner, einen durchschnittlichen Anwender vier Jahre mit einem PC arbeiten zu lassen. Alle drei Jahre müssten hingegen von High-Performance-Nutzern verwendete Rechner ausgewechselt werden. Ein Ausdehnen der Lebensdauer auf fünf Jahre sei allenfalls dort angebracht, wo Systeme stets die gleiche Funktion erfüllen oder deren Anwendungs-Workload beschränkt und unverändert bleibt. Von einer über fünf Jahre hinausgehenden PC-Nutzung hingegen raten die Analysten kategorisch ab.

Anwender wie Messer Griesheim können die Gartner-Leitlinien zu den PC-Lebenszyklen nachvollziehen und beherzigen sie bereits seit geraumer Zeit. "Unsere für jeweils 36 Monate geleasten Systeme werden nach Ablauf dieser Periode komplett ausgewechselt", beschreibt Reinhard Dicken, IT-Leiter Deutschland bei dem Krefelder Industriegasehersteller, das in seinem Unternehmen übliche Austauschprozedere.

Dass es bei der Ermittlung der TCO nicht nur den Kaufpreis eines Produkts, sondern auch die folgenden Betreuungskosten zu berücksichtigen gilt, ist dem IT-Manager ebenfalls nicht neu: Das Drei-Jahres-Intervall habe sich als sinnvoll erwiesen, da sich auf diese Weise die gegenüber den reinen Hardwareaufwendungen anteilig deutlich höheren Service- und damit letztendlich die Gesamtkosten im Client-Server-Bereich spürbar reduzieren ließen. Für den von Gartner propagierten Lebenszyklus spricht laut Dicken aber auch das Plus an Systemleistung. "Bei den Antwortzeiten innerhalb der einzelnen Applikationen sind die Unterschiede zu drei bis vier Jahre alten Rechnern gravierend", so der IT-Chef.

Mitarbeiterwünsche berücksichtigt

Ähnlich, wenn auch nicht ganz so kategorisch verfährt die Degussa AG. Bei der Berechnung der PC- und anderer IT-Aufwendungen wird nach Angaben von Rudolf Spranger, Controller im Servicebereich des Fertigungsunternehmens, dediziert ermittelt, was jedes weitere Folgejahr an Kosten mit sich bringen würde.

Grundsätzlich richtet sich die aktive Lebenszeit der Degussa-Desktops nach dem dreijährigen Abschreibungszeitraum. "Aber auch das subjektive Empfinden des Mitarbeiters spielt eine Rolle - etwa, wenn dessen Maschine durch Technologiesprünge im Office-Bereich deutlich langsamer geworden ist", erklärt Spranger. Dennoch gibt es Ausnahmen von der Drei-Jahres-Regel: So werden etwa Workstations und vereinzelt auch Notebooks, die in der Technik beziehungsweise dem technisch-analytischen Bereich im Einsatz sind, mitunter über einen längeren Zeitraum genutzt. "Hier spielt die Microsoft-Welt keine große Rolle, demnach sind auch die Technologiesprünge nicht so gravierend wie in der Office-Schiene", sagt Spranger.

Hubert Staub, Bereichsleiter IT bei der Hochland AG, findet die Gartner-Empfehlungen hingegen "etwas vage". Wie viele große Unternehmen setze Hochland vorwiegend auf Server-basierende IT und Citrix-Produkte. Daher könnten die Systeme deutlich länger als vier Jahre im Einsatz bleiben. Etwa die Hälfte der zu 90 Prozent als Thin Clients genutzten Hochland-PCs hat die Abschreibungsperiode bereits überlebt und ist mittlerweile zwischen fünf und sieben Jahre alt.

Laut Staub sind die auf Basisfunktionen reduzierten "PC-Veteranen" sowohl von der Anschaffung her als auch in Bezug auf die Administrationskosten erheblich günstiger. So erspare sich sein Unternehmen allein beim Patchen des SAP-Frontends viel Aufwand. "Was normalerweise über automatische Updates oder manuell von PC zu PC erfolgen muss, lässt sich bei uns innerhalb weniger Stunden über die gesamte Citrix-Farm einspielen", erklärt der IT-Bereichsleiter.

Nach dem hauseigenen Verrechnungsmodell würde ein Austausch dieser Rechner im Vier-Jahres-Rhythmus 20 bis 25 Prozent höhere Kosten für den Käseproduzenten bedeuten. "Die üblichen Argumente - etwa je älter der PC, desto länger die Reaktionszeiten etc. - gelten für uns nicht, denn das spielt bei einem als Thin Client genutzten PC keine Rolle", so Staub. Selbst die Stand-alone-Systeme für CAD-Anwendungen, die sich schlecht über Citrix betreiben lassen, würden bei Hochland nicht im Drei-Jahres-Rhythmus, sondern alle vier Jahre ausgetauscht, betont der IT-Fachmann.

Abb: Die jährlichen TCO eines PC

Nach Gartners TCO-Modell für Desktops sinken die direkten Kosten mit den Lebensjahren eines PC, die indirekten Aufwendungen jedoch nehmen zu. Quelle: Gartner Research 2003