Web 2.0 fordert IT-Dienstleister heraus

16.10.2006

Das weckt Interesse auch bei professionellen IT-Anwendern: Erste Unternehmen nutzen diese Dienste und die ihnen zugrunde liegenden Techniken nicht nur für die Kundenansprache im Internet, sondern auch für den internen Gebrauch, um die oft schwerfällige klassische IT zu umgehen. Bekanntes Beispiel ist die Investment-Bank Dresdner Kleinwort Wasserstein, die ein internes Wiki für das Content-Management um Kommunikations-Features erweiterte. Ziel war es, das E-Mail-Aufkommen zu bremsen und Informationen schneller auszutauschen. Doch nicht nur in der Nutzung, auch in der Implementierung zeigten sich die Vorteile: Beim Rollout vermissten die Nutzer ihren geliebten "Presence"-Knopf, der ihnen anzeigt, ob Kollegen eingeloggt und am Arbeitsplatz sind. Nach den ersten Bitten der Anwender, den Mangel zu beheben, dauerte es nur Minuten, bis das Wiki um die Anzeige ergänzt wurde.

"In der Web-2.0-Welt werden Dinge einfach umgesetzt, während mit den traditionellen Anbietern oft mühevolle Diskussionen geführt werden müssen", beschreibt Gartner-Analyst Peter Dück den Wandel. "Dahinter steht auch ein neues, quasi anarchisches Innovationsmodell, das Ideen über das Internet ausbreitet, deren Nutzen und Gebrauchswert in der Praxis ermittelt und sie möglicherweise verbessert oder ausmustert." Durch die Mithilfe der Mitarbeiter - wie etwa im Falle von Dresdner Kleinwort Wasserstein - sowie von Kunden und Partnern lassen sich die Produkte und Services kontinuierlich weiterentwickeln. Internet-Papst Tim O´Reilly nennt das "the perpetual beta". Ein Produkt oder Service wird also nicht über längere Zeiträume entwickelt und dann schließlich fertig auf den Markt gebracht, sondern soll im Lauf des Einsatzes reifen. Vorteil (aber auch Gefahr) von Web-2.0-Anwendungen und -Diensten ist eben nicht die ausführliche Vorbereitung und Projektplanung klassischer IT-Vorhaben.

Auf diese Herausforderung reagieren die IT-Dienstleister bislang nicht. "Die Systemintegrationshäuser beschäftigen sich mit Web-2.0-Techniken, sind aber nicht wirklich auf das vorbereitet, was auf sie zukommen wird", beobachtet Nicole Dufft, Geschäftsführerin von Berlecon Research. "Sie haben noch keine Strategie, sich die Entwicklung zunutze zu machen." Das gilt gleichermaßen für Partner großer Softwarehäuser, die heute ihr Geschäft mit der Einführung von Standardapplikationen betreiben, wie auch für Systemintegratoren und IT-Berater. "Sie sollten sich vom reinen Offline-Modell lösen und überlegen, wie sich neue Geschäftsmöglichkeiten etwa mit Web-basierenden Diensten erstellen lassen."

Möglicherweise hat die abwartende Haltung ihre Ursache darin, dass es dauern wird, bis sich Web 2.0 in Unternehmen durchsetzt. Dufft rechnet damit, dass sich die in den USA bereits etablierten SaaS-Dienste erst in fünf Jahren einen ordentlichen Marktanteil in Deutschland erstreiten werden. HP-Managerin Schneider zeigt sich etwas optimistischer: "Web 2.0 und einige der dahinter liegenden Techniken werden sich in zwei Jahren etablieren."