Was vom ASP-Modell übrig blieb

15.11.2002
Von Lars Janitz

Keiner will Word via Netz

Doch welche Anwendungen lassen sich tatsächlich in unveränderter Form für ganz unterschiedliche Firmen betreiben? Bei genauerem Hinsehen bleiben da nur die relativ simplen Applikationen aus den Office-Suites. So funktioniert das lupenreine ASP nach dem One-to-Many-Modell denn auch nur mit Standardanwendungen wie Microsoft Word. Das sind jedoch keine Lösungen mit geschäftskritischem Charakter. Zudem sind sie weder kostspielig in der Anschaffung noch schwierig zu implementieren und zu warten. Vor allem ist das Bereitstellen von Office-Lösungen ein austauschbarer Dienst und weit davon entfernt, dem Anbieter ein Alleinstellungsmerkmal zu verschaffen. Die Chance auf ein lukratives Geschäft mit dem Office zur Miete ist also eher gering.

Doch die meisten ASPs hatten ihr Hauptaugenmerk ja auch auf ganz andere Anwendungssysteme gelegt. Im Mittelpunkt ihres Interesses standen komplexe Applikationen, mit deren zuverlässigem, sicherem und kosteneffizientem Betrieb so manches Unternehmen bisher enorme Schwierigkeiten hatte. Die ASPs boten ihren Kunden Enterprise-Ressource-Planning-(ERP-) und E-Business-Systeme zur Miete an. Hier wollten sie mit den Pfründen wuchern, stets mehr und aktuelleres Wissen und die besseren Infrastrukturen vorhalten zu können als ihre potenziellen Kunden. „Wir haben alle Module der jeweils führenden Hersteller im Angebot - von Finanz- und Personalwesen über Datenbanken und Portale bis hin zum Management von Lieferketten und Kundenbeziehungen. Wählt einfach aus, was ihr benötigt!“, lautete die Devise.

Doch während die Funktionsweise einer Textverarbeitung oder einer Groupware nicht an die individuellen Geschäftsprozesse eines Unternehmens gebunden ist, sieht dies bei traditionellen ERP-Systemen und deren Web-orientierten Nachfolgern ganz anders aus. Solche Lösungen müssen die individuellen Abläufe eines Unternehmens im Detail abbilden. Entsprechend groß ist der Customizing-Aufwand. Hinzu kommt, dass in einer von Übernahmen und Fusionen sowie steigendem Kosten- und Konkurrenzdruck geprägten Wirtschaftswelt die Firmen ihre Geschäftsprozesse immer schneller anpassen müssen. Niemandem ist mehr mit einer statischen IT-Landschaft geholfen. Um Anwendungen jedoch permanent zu reformieren, zu erweitern und zu ergänzen, bedarf es eines kontinuierlichen Feinschliffs und einer individuellen Systembetreuung. Diese Aufgaben aber können ASPs nur erfüllen, wenn sie ihr auf konfektionierten Applikationen beruhendes Geschäftsmodell aufgeben.

Im Endeffekt müssen sich ASP-Kunden also stets mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner begnügen. Das aber ist nur für wenige Unternehmen attraktiv, die sonst ganz auf entsprechende Applikationen verzichten müssten. Einen Ausweg suchen viele der verbliebenen Anbieter deshalb in der Strategie, sich auf einzelne Industrie- und Dienstleistungszweige zu spezialisieren. Schließlich finden sie hier vorkonfigurierte Branchensoftware vor, die in der Regel zumindest 80 Prozent der gewünschten Funktionalität abdeckt.

Rückzug in Nischen