Was sich Münchener Rück und SAP zu sagen haben

16.04.2008
Von 
Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.

Compliance ist für die OSS-Community langweilig

JANSSEN: Was wird eigentlich aus Open Source werden? Es hat sich am Markt durchgesetzt, aber eigentlich nur bei technologienahen Themen, an denen der akademische Hacker Freude hat. Eine Open-Source-Software für das Rechnungswesen gibt es meines Wissens nicht. Wir selbst fangen allerdings gerade an, in einer Open-Source-Aktivität Risikomodelle für die Versicherungsindustrie zu entwickeln. Was meinen Sie? Wird sich Open Source über den jetzt abgedeckten Bereich hinaus entwickeln? Oder ist so etwas für die OSS-Szene vielleicht zu langweilig?

KAGERMANN: Letzteres. Ein Grund dafür ist die schlechte Spezifizierbarkeit der Anwendungen im Business-Bereich. Technologische Probleme lassen sich mathematisch spezifizieren und deshalb leichter von losen Entwicklergemeinschaften bearbeiten. Der andere Grund ist der Zwang zur Anpassung, Lokalisierung und Erfüllung von Compliance-Anforderungen (siehe auch: "Compliance kommt von kompliziert"). Ich weiß nicht, ob eine freie Community auf Dauer die Lust dafür aufbringt. Die Leute kommen ja eher aus der kreativen Ecke. Und Compliance ist ein Bereich, der nicht einmal bei uns jedem Entwickler Spaß macht. Aber es könnte durchaus einzelne Anwendungsbausteine geben, die eher auf der maschinennahen Ebene angesiedelt sind und als OSS ausgeliefert werden. Aufgrund der Patente und Lizenzbestimmungen ist es für einen Standardsoftwareanbieter allerdings schwierig, solche Bausteine einzubetten. Sonst käme man vielleicht zu einer Art Halb-Community, bei der der Softwareanbieter für die quelloffene Software Support leistet. Vielleicht ändern sich irgendwann die Bedingungen. Wir haben übrigens einen Prozess etabliert, in dessen Rahmen jedes Stück OSS, das wir - nach einer Fusion oder ähnlichem - in unseren Produkten finden, auf sein Risikopotenzial hin überprüft wird. Und wenn das Risiko zu hoch ist, fliegt es raus.

Wir ordnen unsere Arbeit der E-Mail-Kultur unter

JANSSEN: Ein weiteres Zukunftsthema, das ich gern anschneiden würde, ist die Kommunikationsflut. Ich habe das Gefühl, dass uns die modernen Kommunikationsmittel - Handy, Blackberry etc. - nicht mehr unterstützen, sondern zunehmend versklaven. Haben Sie Hoffnung, dass wir irgendwann lernen, sinnvoller mit dem Zeug umzugehen?

KAGERMANN: Vielfach ordnen wir unsere Arbeitsweise tatsächlich der E-Mail-Kultur unter und geben dabei das Denken auf. Da könnten sich ein paar Dinge verbessern. Zumindest kann man die Kommunikation sinnvoll strukturieren. Beispielsweise findet der Anwender von SAP Business ByDesign morgens eine In-Box vor, in der alle geschäftlichen Aufgaben, die ihn betreffen, zusammengefasst wurden. Das geht in die richtige Richtung.

JANSSEN: Und dann habe ich noch eine allerletzte Frage: Was wünscht sich eigentlich der Softwarelieferant vom CIO?

Ohne die CIOs wären wir nicht, was wir sind, SAP wurde immer auch von den CIOs gepusht, so SAP-Chef Henning Kagermann.
Ohne die CIOs wären wir nicht, was wir sind, SAP wurde immer auch von den CIOs gepusht, so SAP-Chef Henning Kagermann.
Foto: Joachim Wendler

KAGERMANN: Ohne die CIOs wären wir nicht, was wir sind. SAP wurde immer auch von den CIOs gepusht. Und wir fahren gut damit, über den CIO in die Unternehmen zu gehen. Selbstverständlich beschäftige ich mich auch gern mit dem Business. Aber es ist schwer, sich mit dem Business auszutauschen, wenn dort gar kein IT-Verständnis herrscht. Deshalb bin ich immer froh, wenn ein starkes Gegengewicht auf der anderen Seite existiert. Wir sehen unsere Aufgabe auch darin, gemeinsam mit dem CIO die Transformation seiner Rolle voranzutreiben. Denn das SOA-Thema wird möglicherweise auch eine organisatorische Trennung mit sich bringen: zwischen den Verantwortlichkeiten für die Infrastruktur und dem Betrieb der Service-Maschinerie.

JANSSEN: Wir sehen eigentlich sogar eine Dreiteilung: Infrastruktur, Applikationsschicht und Business-Architektur.

KAGERMANN: Technisch sind diese Bereiche ja bereits entkoppelt, warum sollen sie es nicht auch organisatorisch sein?

JANSSEN: Auf jeden Fall sollten aus meiner Sicht die eigentliche Dienstleistung und die Governance getrennt sein. Das erhöht die Glaubwürdigkeit gegenüber den Fachbereichen enorm.