Human-Capital-Management

Was ist die Belegschaft wert?

04.03.2005
Von 
Ina Hönicke ist freie Journalistin in München.

Diese differenzierte Betrachtungsweise hat sich in der Öffentlichkeit allerdings noch nicht durchgesetzt. Viele sehen im HCM ein inhumanes Vorgehen, bei dem Menschen auf Zahlen reduziert und zu Abschreibungsobjekten degradiert werden. „Vorwürfe dieser Art sind durchaus ernst zu nehmen“, meint auch Scholz. Allerdings sei es relativ einfach zu sagen: Wir sind gegen Human-Capital-Management, denn es ist entmenschlicht, mitarbeiterfeindlich und bürokratisch. Der Saarbrücker Experte: „Bevor Unternehmen dieses Spielfeld anderen überlassen - Wirtschaftsprüfern, Beratern oder wer sonst sich dazu berufen fühlt -, besteht jetzt die Chance, die Entwicklung durch eine verbesserte Personalarbeit selbst zu beeinflussen.“ Darüber hinaus würde dieser Ansatz den Wert der Belegschaft im positiven Sinne hervorheben

und die Mitarbeiter aus ihrem derzeitigen De-facto-Status als reiner Kostenfaktor befreien. Scholz: „Was wir gegenwärtig in einer ,HCM-freien Zone‘ sehen, ist ein makabres Spiel. In guten Zeiten wird der Mitarbeiter unverbindlich als Kapital gewürdigt, in schlechten Zeiten verbindlich als Kostenfaktor wegrationalisiert.“ Dieses Vorgehen hat seiner Meinung nach auch zur Entscheidung beigetragen, das Wort „Humankapital“ zum Unwort des Jahres 2004 zu erklären. „Hier wird teilweise vollkommen falsch und grotesk argumentiert“, erklärt Scholz. Er empfindet es aber als durchaus positiv, dass über das Thema Humankapital jetzt offensiv diskutiert wird. Modernes Personalmanagement habe nämlich mit dem Wunsch nach Entlassungen sehr wenig zu tun. Sein Resümee: Falsches HCM

ist genauso abzulehnen wie falsche Personalarbeit. Richtiges HCM aber sei ein wichtiger Schritt zu einem wirklichen Bekenntnis zum Mitarbeiter als Vermögenswert. Gerade der Mittelstand, der in Deutschland die meisten Arbeitsplätze bereitstellt, müsse die Grunderfordernisse eines zeitgemäßen Personalmanagements erfüllen. So meint Scholz: „Viele der kleineren und mittleren Unternehmen leisten wirklich gute Personalarbeit und verfügen über qualifizierte und motivierte Mitarbeiter.“ Dieser Vorteil werde aber in den Basel-II-Ratings nicht berücksichtigt. Scholz hofft, dass der Unternehmer irgendwann zur Bank gehen, seinen verbesserten HC-Wert vorlegen und damit seine Verhandlungsposition stärken kann. Für Unternehmensberater Kleb ist in puncto Mittelstand noch ein weiterer Punkt entscheidend: „Die Formel stellt das Know-how, die wichtigste Ressource Deutschlands, in den Vordergrund.“ Durch sie kann ein Unternehmen den drohenden

Wissensverfall erkennen, der sowohl durch Fluktuation als auch durch veraltetes Wissen bei den Mitarbeitern entsteht. Davon sei auch die IT-Branche mit ihrem kurzlebigen Halbwertszeit-Wissen betroffen. Kleb: „Defizite im Know-how müssen unbedingt durch Personalentwicklungsmaßnahmen kompensiert werden.“ Mehrwert durch Qualifizierung Anhand der Formel könnten die Personaler viel besser als bisher für Fortbildungsaktivitäten argumentieren. Grundsätzlich aber sei die Bedeutung für Mittelstand und Großunternehmen gleichermaßen hoch, denn beide benötigten Innovationen sowie qualifizierte und motivierte Mitarbeiter. Inwieweit die IT-Lösung, die im Juni dieses Jahres freigegeben werden soll, von den Anwendern angenommen wird, bleibt abzuwarten. Da sie sich momentan noch für einen

ersten Kreis von Unternehmen in Entwicklung befindet, wollen sich die Personaler mittelständischer Unternehmen dazu auch nicht konkret äußern. So viel jedenfalls scheint sicher: Am teilweise grotesken Theater um den monetären Wert von Fußballspielern und -vereinen wird vorerst keine Software der Welt etwas ändern. (uk) . Ina Hönicke, freie Journalistin in München.